Der eigentliche Wettbewerb zwischen den Virtualisierungsanbietern geht nicht darum, wer den schnellsten oder umfangreichsten Hypervisor für die Konsolidierung physikalischer Maschinen aufzubieten hat. Wichtig ist vielmehr, welche Software in der Lage ist, umfassende Management-Aufgaben für die Infrastruktur im Rechenzentrum auszuführen.
Bei Hewlett-Packard, dem Hersteller, der sich inzwischen durch viele Software- und Service-Zukäufe neben IBM oder Oracle zu einem der großen Allround-Anbieter für Business-IT entwickelt hat, nimmt Virtualisierung deshalb einen besonderen Stellenwert ein. Man will nicht nur ein Anbieter für virtuelle Maschinen unter anderen sein, sondern knüpft bewusst an die Tradition der Systemmanagement-Suite OpenView an, die in den letzten Jahren durch Zukäufe wie Mercury oder Peregrine ergänzt und neu strukturiert wurde. Heute heißt es: "Wir machen nicht nur Virtualisierung, sondern wir offerieren eine Lösung für das Management der IT-Infrastruktur, die auch Virtualisierung umfasst."
Wie Mike Shaw, Product Manager EMEA bei HP Software & Solutions, betont, umfasst Virtualisierung mehr als den reinen Hypervisor oder virtuelle Maschinen: In der Praxis komme es auf das Zusammenspiel von Virtualisierung, Netzwerken, Storage Area Networks (SANs) und weitere Bausteine der IT-Infrastruktur an, die durch Monitoring- oder Managementfunktionen beständig überwacht werden müssen. Als Beispiele nennt er Anwendungsgebiete wie Healthcare-IT, Automatisierung oder Compliance.
Am Beispiel Compliance versucht Shaw, den Ansatz von HP zu verdeutlichen: Die Anwender sollen sich durch die Anwendung standardisierter Managementmethoden sicher sein, dass sie im Internet oder bei der Benützung fremder Applikationen immer den erforderlichen Standards und gesetzlichen Auflagen entsprechen. Noch wichtiger erachtet er die interne Compliance: den integrierten, aufeinander abgestimmten Aufbau der Infrastrukturelemente von Servern bis zu Storage oder Virtualisierung. Es gehe um die Abkehr von der Silo-Struktur der IT hin zu einer virtuellen Sichtweise, wobei Virtualisierung nicht isoliert betrachtet werden könne.
HP integriert Virtualisierung in das Management-Portfolio
HP arbeitet laut Shaw mit allen relevanten Virtualisierungsanbietern zusammen, es gebe derzeit keine privilegierte Partnerschaft. Die vor kurzem angekündigte verstärkte Zusammenarbeit mit Microsoft könnte dies de-facto ändern, auch wenn man sich offiziell bedeckt hält: Immerhin soll die Kooperation über das reine Bundling-Business hinausgehen, indem es integrierte Lösungen mit HP-Servern, Microsofts Hyper-V- und Messaging-Software sowie mit Business Intelligence geben wird. Zusätzlich sollen die Angebote bei Logistik, Rechenzentrumsbetrieb und Service vereinheitlicht werden.
Bereits in einem frühen Entwicklungsstadium integriere HP, so Shaw im Gespräch mit CIO.de, die neuesten Versionen von VMware, Microsoft oder Citrix in die eigenen Konsolen und Managementprogramme für Server und PCs. Für die Anwender sei es extrem wichtig, den ganzen IT-Stack unter Kontrolle zu haben: von den Applikationen über die Middleware und die Virtualisierungslayer bis hinunter zu den Ebenen von Netzwerk, Servern und Storage. Automatisierte Management-Software, wie sie HP schon seit den OpenView-Zeiten anbietet, könne die Unternehmen zudem bei der Suche nach den raren Virtualisierungsspezialisten entlasten.
HPs "Operation Center" wurde schon vor etwa 15 Jahren entwickelt, als noch keine Virtualisierung für die x86-Plattformen absehbar war. Es kann als Beispiel gelten für eine kontinuierliche Weiterentwicklung eines zentralen Management-Werkzeugs für Rechenzentren, das heute von etwa 20.000 Kunden weltweit genutzt wird.
Problematisch dürfte es jedoch sein, alle Anwender gleichermaßen zufrieden zu stellen, da ja nicht alle den Weg in Richtung Virtualisierung beschritten haben und die neuen Funktionen in ihrem IT-Alltag brauchen. In vielen Fällen muss HP sogar Rücksicht auf Altkunden nehmen und für sie eigene Anpassungen und Updates der Management-Software entwickeln. Ein Newcomer bei Service und Virtualisierungs-Management wie Dell hat es da einfacher, weil er nicht auf solche Erblasten Rücksicht nehmen muss.
Mit dem Aufkommen von Virtualisierung war HP gezwungen, den Übergang von physikalischen zu virtuellen Rechnern in die Management-Software zu integrieren. Dies allerdings nicht bloß im Sinne einer reinen Erweiterung, sondern einer prinzipiellen Umstellung: Es komme darauf an, so Shaw, die Beziehungen und laufenden Veränderungen zwischen physikalischen und virtuellen Servern in der Überwachungs-Software und in den Konsolen abzubilden.
Trete zum Beispiel ein Hardware-Problem auf, müssen die Administratoren wissen, welche virtuelle Maschinen und welche auf ihnen laufenden Applikationen involviert sind. Diese Discovery-Funktionalität sollte zeitnah und dynamisch erfolgen, zum Beispiel mindestens einmal pro Tag. Und sie sollte Möglichkeiten umfassen, virtuelle Maschinen im Bedarfsfall schnell auf einen anderen physikalischen Server verschieben zu können.
Je nach dem, auf welchen virtuellen Maschinen bestimmte Anwendungen als Gastsysteme untergebracht sind, entscheidet sich auch, wohin sie ausgelagert werden können – physikalische Server sollten nur eine begrenzte Anzahl von virtuellen Maschinen und Anwendungen aufnehmen, je nach Güteklasse beziehungsweise geschäftskritischer Bedeutung. Eine schnelle Reaktion auf ein Hardware-Problem sollte so innerhalb von 90 Sekunden abgewickelt werden können – das ist zwar nicht „real time", aber laut Shaw noch ausreichend.
Virtualisierung auch von systemkritischen Applikationen möglich
Bei HP teilt man die von VMware verbreitete Ansicht, dass sich die Unternehmen, die bereits Server-Virtualisierung einsetzen, nach Abschluss der Konsolidierungsphase nun in Richtung Flexibilisierung der Infrastruktur und Business Continuity oder Disaster Recovery bewegten. Zusätzlich sieht man den Beginn einer Welle von Private Clouds, die auf den gleichen Virtualisierungsmethoden, insbesondere auf Automatisierung, aufsetzen würde.
Doch die meisten Kunden würden noch immer nur Test- oder Entwicklungsumgebungen auf virtuellen Servern fahren. Geschäftskritische Anwendungen wie SQL- oder Oracle-Datenbanken und ERP-Software könnten zwar inzwischen auch auf virtuellen Hosts implementiert werden und Hochverfügbarkeits- und Sicherheitskriterien genügen, doch scheuten die meisten Unternehmen noch davor zurück.
Immerhin beobachtet man bei HP, dass zunehmend auch Anwendungen wie Exchange oder Web-Server auf virtuelle Maschinen verlagert werden. HP könne dafür Management-Werkzeuge wie die Steuerung von Verfügbarkeit und Performance zur Verfügung stellen. Dauerten Testphasen für den Umzug von Anwendungen bisher bis zu drei Monaten, läßt sich diese Zeit unter den Bedingungen von Virtualisierung auf nur noch acht Stunden senken, berichtet Shaw.
Virtualisierung von SAN und Desktop
Bei HP ist man zuversichtlich, dass weitere Service-Angebote für Virtualisierung im Storage Area Network (SAN) und auf der Desktop-Ebene den Anwendern helfen werden, ihre IT-Infrastruktur nach Anwendungen und Sicherheitsebenen neu zu organisieren. So können die IT-Administratoren mit virtuellen Maschinen eigene, abgegrenzte Server-Zonen für Vertriebs- Buchhaltungs-, oder Marketing-Abteilungen einrichten, für die Mitarbeiter anderer Abteilungen keine Zugangsberechtigungen besitzen.
Außerdem können jetzt alle Clients auf einem zentralen Speichergerät im SAN abgelegt und überall dezentral auf jedem beliebigen Desktop aufgerufen werden. Während dies vor einigen Jahren nur in wenigen Unternehmen realisierbar war, eröffnen die gesunkenen Preise für Hardware und besonders für Storage neue Möglichkeiten der Desktop-Zentralisierung.
Wenn sich Mitarbeiter in einer anderen Zweigstelle befinden oder auf Reisen sind, können sie so jederzeit auf ihren personalisierten Arbeitsplatz beziehungsweise Desktop zugreifen. HP-Mann Shaw sieht ein stetiges Wachstum im Virtualisierungsumfeld und Wachstumschancen für das eigene Unternehmen, da man im Gegensatz zur Konkurrenz sehr breit aufgestellt sei.