Ja, Leaks sind ärgerlich für Apple, besonders diese vom letzten Wochenende. Für Industriespionage ist es so kurz vor dem Keynotetermin natürlich nicht mehr relevant, doch schadet es der Dramaturgie der exakt choreographierten Produktvorstellungen, wenn alle Welt schon weiß, was denn da alles zu sehen sein wird – von wenigen Details mal ausgenommen.
So fehlte gewissermaßen der Überraschungseffekt des "one more thing". Denn auch wenn das iPhone 8 (Plus) erstaunliche Neuerungen bringt, unter einem iPhone 8 hat sich die Szene bis vor ein paar Tagen etwas völlig anderes vorgestellt. Aber da gab es ja noch den letzten Punkt der Agenda, von dem wir schon zuvor wussten, dass sich das dabei vorgestellte Produkt iPhone X schreibt.
Seit heute Abend gegen halb neun wissen wir auch wie es sich spricht: iPhone Ten. Das X muss man also als eine römische Ziffer ansehen, Mac-OS X lässt aus einer jetzt schon fernen Vergangenheit grüßen. Das iPhone X lässt Apple nun aber als nichts weniger als die Zukunft des Smartphones vom Stapel, zehn (sic!) Jahre, nachdem man mit dem ersten iPhone den Telekommunikationsmarkt völlig auf den Kopf gestellt und ein für alle Mal verändert hatte. Das Versprechen ist ein großes und bis die Zukunft beginnt, wird es auch noch eine Weile dauern. Kurzfristig bis zum 3. November, an dem das neue Telefon in den wichtigsten Märkten in den Handel gelangt, langfristig, was die gesamte iPhone-Produktlinie betrifft.
Noch ist das iPhone X recht teuer, 1.149 Euro wird man für das Modell mit 64 GB Kapazität zahlen müssen, 1.319 Euro gar für das mit 256 GB. Dafür hat man die Auswahl aus nur zwei Farben und die Bildschirmgröße des Smartphones der Zukunft ist in der Gegenwart auch noch nicht verhandelbar: 5,8 Zoll misst sie in der Diagonale. Künftige Modelle wird man in anderen Formfaktoren und anderen Farben erwarten können, aber das ist dann eher die ferne Zukunft. Aber Apple will mit dem iPhone X ja die nächste Dekade einläuten, an deren Anfang müssen wir uns noch keine Gedanken über das iPhone Twenty machen. Beginnen wir lieber mit dem Anfang der beinahe zweistündigen Keynote, der ersten im Steve Jobs Theater des neuen Apple Park.
Die Visionen des Steve Jobs
All you need is love: Das Video zum Einstieg zeigt uns den Apple Park und das Steve Jobs Theater. Ob die Mitarbeiter ihre neuen Büros wirklich schon sehr schätzen oder einfach noch ein bisschen mehr Liebe benötigen? Im August hatte es Berichte gegeben, dass die Großraumbüros weniger gut als erhofft bei den Mitarbeitern ankommen, zu diesen Vorhaltungen natürlich kein Wort - auch gehen Cook und Kollegen an keiner Stelle auf die längst durchgesickerten Informationen ein.
Das nach dem verstorbenen Apple-Gründer benannte Theater zeigt sich im Video jedenfalls eindrucksvoll und natürlich kommen die ersten dort öffentlich auf der Bühne gesprochenen Worte von Steve Jobs selbst - natürlich in Form einer Aufzeichnung. Tim Cook, der heutige CEO, widmet die ersten Minuten seines Vortrages auch seinem Vorgänger. Es sei logisch, dass die Eröffnung des Raumes Steve Jobs vorbehalten sein müsse, dessen letzte Vision der neue Apple Campus war. Cook bricht beinahe die Stimme, als er an seinen Vorgänger erinnert und versichert, dass dessen Vorstellungen über IT-Produkte und Services tief in der DNA des Konzerns verankert sind.
Der erste Punkt auf der Agenda ist wenig überraschend nun auch der Ort, an den Apple für diese Keynote eingeladen hat und den Cook bereits beim Einstieg erwähnt hatte: Der Apple Park. Ein Ort, der das Äußere der umgebenden kalifornischen Landschaft nach innen bringe und zu 100 Prozent aus erneuerbarer Energie gespeist wird, unter anderem von einer der größten an Gebäude angebrachten Solaranlage. Das Besucherzentrum ist indes noch nicht fertig, werde aber noch in diesem Jahr im Apple Park eröffnen.
Neues Konzept wird konsequent umgesetzt
Angela Ahrendts, die für die Stores verantwortliche Vizepräsidentin, bekommt im Anschluss die Gelegenheit, über die "Stadtplätze" zu sprechen, zu denen die Läden mittlerweile geworden sind oder das noch werden sollen. Das neue Design soll noch mehr dazu dienen, Leute zusammenzubringen, miteinander zu reden und zu arbeiten oder von Apple-Mitarbeitern Informationen einzuholen. Aus den Genius Bars sind Genius Groves geworden, Einkaufen soll gewissermaßen zur Nebensache werden, Schaufenster auf den Avenues laden dazu ein. Wichtig ist aber auch das Seminarprogramm "Today at Apple"; das seit diesem Sommer eingerichtet ist. Im Endeffekt misst sich der Erfolg der Apple Stores aber dann doch an den Umsätzen, die sie direkt oder indirekt einfahren.
Apple investiert in neue Stores und baut bestehende um, damit sie zu dem neuen Konzept passen. Der derzeit geschlossene Store in der Fifth Avenue wird Ende nächstes Jahres wieder eröffnen, in die Plaza werden Fenster eingebaut, damit Tageslicht in die unterirdischen Räume gelangt. Der Glaskubus kommt auch zurück. Neu wird etwa ein Store in Chicago, Umbauten in anderen großen Städten begleiten dies. Von den Stores in Deutschland hat Ahrendts jedoch nicht gesprochen.
Neue Apple Watch mit LTE/UMTS
Das erste Produkt, um das es bei der Keynote geht: Die Apple Watch. Konkrete Verkaufszahlen nennt Apple nach wie vor nicht, doch die Apple Watch Series 2 habe sich im vergangenen Quartal um 50 Prozent besser verkauft als im Vorjahr. Mittlerweile sei die Apple Watch die meist verkaufte Uhr der Welt. Uhr, nicht nur die populärste Smartwatch. Nach einer ersten vorsichtigen Schätzung müssten dazu ungefähr zehn Millionen Stück über die Ladentheken weltweit gegangen sein.
Und 97 Prozent der Kunden seien mit ihrer Smartwatch zufrieden, zahlreiche davon zeigt Apple in einem natürlich rührseligen Film, in dem sich Kunden bei Apple dafür bedanken, wie sehr die Apple Watch ihr Leben verbessert oder gar gerettet hat. COO Jeff Williams darf die neue Version vorstellen, zusammen mit ihrem Betriebssystem watchOS 4. Die Aktivitäten-App bekommt neue Funktionen etwa für Schwimmer, doch soll sie sich auch einfach an Trainingsgeräte im Fitnessstudio verbinden lassen. Wesentliches passiert aber mit der Messung der Herzfrequenz. Die Uhr soll nun auch bei ungewöhnlichen Pulsraten warnen, etwa bei Herzrasen oder Herzrhythmusstörungen.
Dabei soll die Uhr zuverlässig Vorhofflimmern erkennen, mit der Stanford University zusammen will Apple eine Studie zur Herzgesundheit aufsetzen, die die Erkennung weiter verbessern soll. watchOS 4 kommt am 19. September zur Auslieferung, also nächsten Dienstag. Doch hat Apple auch neue Hardware mitgebracht: Die Apple Watch Series 3. Ihre wesentliche Neuerung: Ein LTE/UMTS-Chip, mit dessen Hilfe man unterwegs das Netz nutzen kann, ohne dass ein iPhone in unmittelbarer Nähe sein müsste. So kann man etwa auch unterwegs beim Sport auf die 40 Millionen Songs zugreifen, die Apple Music bietet. Siri ist selbstverständlich nun auch unabhängiger, über die Apple Watch kann die digitale Assistentin sogar sprechen.
Interessante Lösung: Die Antenne für den Mobilfunk ist in das Display integriert, einen SIM-Karten-Slot hat die Uhr natürlich nicht, dafür eine eSIM, also eine embedded SIM. Das Gehäuse der Uhr ist zwar nicht dünner geworden, trotz der neuen Komponenten aber auch nicht dicker. Was auch möglich ist, entgegen der Vorhersagen: Mit der Mobilfunkuhr kann man auch telefonieren, wie eine mit Stand-Up-Paddeling beschäftigte Mitarbeiterin beweist. Dazu muss man nicht einmal die Uhr vor das Gesicht halten, so gut soll das Mikrophon sein. Darf man halt nicht nuscheln....
Drei Farben: Silber, schwarz und gold, auch eine neue Form von Armbändern mit zahlreichen Farben kommt mit der neuen Uhr. Ach ja: Die digitale Krone bekommt einen roten Punkt, die Apple Watch Series 3 Edition mit Keramikgehäuse ist nun auch in schwarz erhältlich. Bis zu 18 Stunden soll der Akku halten. In Deutschland ist die LTE-Fassung bei der Telekom zu haben, bestellen kann man ab dem 15.9., die Uhr kommt dann elf Tage später. Mit Mobilfunkchip kostet die Uhr ab 399 US-Dollar (449 Euro), ohne Funk 329 US-Dollar (369 Euro). Weiter im Handel verbleibt die Series 1 für nunmehr 249 US-Dollar (269 Euro), die letztes Jahr eingeführte Series 2 gibt es nicht mehr, respektive wird abgelöst von einer Series 3 ohne Mobilfunkchip. Die Keramikfassung ist für 1.249 Euro zu haben. Die Preise sind jeweils die der 38-mm-Variante, die 42-mm-Uhr kostet geringfügig mehr. Mehr zur Apple Watch 3 lesen Sie hier.
Apple TV 4K
Weiter geht es mit (vermeintlichen) Nebenprodukten, nun mit dem Apple TV, das für Apple aber letztens bereits den zweiten (Technik-)Emmy gewonnen hat. Die fünfte Generation der Box heißt nach ihrer wesentlichen Neuerung: Apple TV 4K. Eddy Cue erklärt mehr. So bringt das neue Apple TV nicht nur 4K-Auflösung, sondern diese auch in HDR und dazu Sound in bester Qualität. Fehlen erstens nur noch die Inhalte und zweitens die Fernsehapparate, die das darstellen können.
Einen eigenen TV baut Apple nach wie vor nicht. Immerhin wird es schon bald im iTunes Store Filme in 4K HDR geben. Zum Beispiel den letzten Spiderman. Die Box wird von einem A10X Fusion angetrieben, der im iPad Pro seine Arbeit verrichtet. Wer bereits HD-Filme gekauft hat, bekommt diese kostenlos in 4K HDR. Auch wird Amazon über Prime Video 4K-HDR anbieten. In Deutschland wird es die neue Fassung erst gegen Ende des Jahres geben. Gewiss sehr beliebt: Live-Sport. Das ist aber vor allem US-zentriert, die Champions League wird man wohl nicht so bald über das Apple TV sehen können. Wie bisher wird das Apple TV auch als Hub für Home-Kit-Geräte dienen und als Spielekonsole. Bestellen kann man in den USA an diesem Freitag, Auslieferung ab dem 22. September. Mehr Details zum Apple TV 4K lesen Sie hier.
iPhone 8
Zehn Jahre iPhone: Erst einmal ein Rückblick, wie sehr das Gerät die Welt der Technik und ihre Nutzung verändert hat. Stichworte: App Store, Retina-Display, Kamera, Sicherheit mit Touch ID, Bezahlung mit Apple Pay. Es gebe heute "riesige" iPhone-Neuigkeiten. Erst einmal ein Werbevideo zum iPhone 8. Also dem direkten Nachfolger des iPhone 7. Nur noch drei Farben: Silber, Spacegray und ein neuer Goldton. Gehäuse und Bildschirm werden besser, vor allem aber der neue Chip: A11 Bionic mit sechs Prozessorkernen, zwei davon sind für hohe Performance gedacht, vier für höhere Effizienz.
Die GPU hat Apple nun selbst entwickelt. Die behaupteten Performance-Steigerungen werden Herausforderung für die Testcenter dieser Welt sein. Diese werden sich auch ansehen müssen, wie sich die Änderungen der Kamera auswirken, der Chip soll etwa eine um 38 Prozent gesteigerte Lichtausbeute bieten. Eindrucksvoll sind die Bilder auf alle Fälle, vor allem hinsichtlich des Farbumfangs und Bilder bei schlechten Lichtverhältnissen. Noch in Beta: Der Modus Portrait-Lighting, der die Belichtung von Vordergrund (Portrait) und Hintergrund getrennt voneinander behandelt. So lässt sich etwa ein Gesicht schon bei der Aufnahme vom Hintergrund komplett separieren, sofern man das iPhone 8 Plus mit seiner Dualkamera verwendet. Videos in 4K lassen sich mit 60 fps aufnehmen, 240 fps bekommt man in 1080p-Auflösung hin. Mehr zum iPhone 8 (Plus) lesen Sie hier.
Wireless
Drahtlos ist beim iPhone 8 (Plus) nicht nur die Verbindung nach draußen via Bluetooth und Wifi, sondern auch die Stromzufuhr, zumindest optional. Wie erwartet hängt sich Apple an den Qi-Standard an, der Glasrücken der neuen Telefone erlaubt nun das Laden via Induktion. Nachts muss man das iPhone 8 nur noch auf eine Matte legen, etwa solche von Hersteller wie Belkin oder Mophie.
Das iPhone 8 gibt es ab 699 US-Dollar in Kapazitäten von 32 GB, 128 GB und 256 GB, das iPhone 8 Plus kostet ab 799 US-Dollar mit 64 GB und 256 GB.
One more thing: iPhone X
Mit dem iPhone 8 (plus) ist natürlich nicht Schluss, es gibt noch "one more thing". Nichts weiter als die neue iPhone-Dekade soll das neue Produkt einleiten: iPhone X. Das "X" spricht man "ten" - es ist nun einmal die römische Ziffer.
Glas vorne und hinten, der Rahmen ist aus Edelstahl. Wasser- und staubresistent, spacegray und silber sind die Farben. Das OLED-Display nennt Apple stolz: Super Retina Display, die Diagonale umfasst 5,8 Zoll, die Pixeldichte beträgt 458 ppi. Zu "raise to wake" kommt ein "tap to wake", der Home-Button fehlt. So musste Apple neu über die Bedienung nachdenken. Mit einem Wisch nach oben gelangt man auf den Home Screen, auch aus Apps heraus. Die gleiche Bewegung, mit einer kleinen Verzögerung ausgeführt, führt in eine Multitaskingansicht. Siri aktiviert man entweder mit "Hey Siri" oder einem längeren Druck auf den Ein/Aus-Schalter an der Seite.
Touch ID hat hier ausgedient, es gebe jetzt etwas besseres: Face ID. Das iPhone entsperrt sich bereits, wenn der Nutzer es ansieht. Das TrueDepth-Camerasystem mit seinen diversen Sensoren soll das gewährleisten. Darunter ein Dot-Projektor, der tausende von Punkten im Gesicht ausmisst, während ein Infrarostsensor für die Beleuchtung sorgt. Der Prozessor A11 Bionic enthalte eine neuronale Maschine, die in Echtzeit die Auswertung übernimmt. Die Face ID soll sich schneller einrichten lassen als die Touch ID und erkennt die Nutzer auch dann, wenn sie ihre Frisuren ändern oder einen Hut oder eine Brille tragen.
Wie sicher ist Face ID? Bei Touch ID besteht die statistische Möglichkeit, überlistet zu werden, 1: 50.000. Bei Face ID ist die Wahrscheinlichkeit, dass man mit einem fremden Gesicht das iPhone entsperrt laut Phil Schiller eins zu einer Million. Face ID lässt sich auch zum Bezahlen via Apple ID heranziehen, auch Apps von Dritten können darauf zugreifen.
Nette Spielerei sind die Animojis, animierte Emojis, die den eigenen Gesichtsausdruck übernehmen. Hierfür gibt es eine Reihe von Vorlagen, ein Affengesicht, solche von Katzen, Hunden, Füchsen, Hühnern und Einhörnern und - nun ja - Häufchen. Man kann sogar Tonaufnahmen in iMessages mit den Animojis bebildern. Wenn der Kollege dann in Form eines Alien mit einem spricht, haben wir beide ein iPhone X.
Die Kamera hat zwei Objektive, also einen zweifachen optischen Zoom, die Linsen sind hier vertikal angeordnet und nicht horizontal. Ansonsten kann sie genau so viel wie die des iPhone 8 Plus. Die TrueDepth-Camera auf der Vorderseite beherrscht nun auch den Portrait-Modus und die Portrait-Belichtung - Selfies sollen noch eindrucksvoller werden.
Der Akku soll zwei Stunden länger halten als der des iPhone 7, die energieeffizienten Komponenten machen es möglich. Das drahtlose Laden wird durch eine von Apple angebotene Matte noch bequemer, denn man kann nicht nur das iPhone X oder das iPhone 8 (Plus) darauf ablegen, sondern auch die Apple Watch und sogar ein optional erhältliche Schachtel für die AirPods. Nachdem Phil Schiller nochmals alles zusammengefasst hat, darf auch nochmals Jony Ive als Off-Stimme in einem Werbevideo fast das Gleiche erzählen. But british english sounds so fine.
Es wird aber noch eine Weile dauern, bis das iPhone X in den Handel gelangt, erst am 27.10. wird man es bestellen können, zur Auslieferung kommt es am 3. November. Zwei Konfigurationen: 64 GB und 256 GB, der Preis beginnt bei 999 US-Dollar, in Euro sind das 1.149. Das größere Modell kostet 1.319 Euro. (Macwelt)