Die Analyse zeigt, dass sich bis 2010 der Warentransfer, inklusive Dienstleistungen aus den Niedriglohnländern um rund 60 Prozent erhöhen wird. LCCS ist also kein vorübergehender Trend. Durch die Globalisierung splittet sich die Wertkette der Unternehmen weiter auf und wird sich geografisch noch stärker verteilen. So können situative Vorteile weltweit genutzt werden.
Der Untersuchung zufolge beschafft sich allerdings ein Großteil der Unternehmen ihre Waren und Dienstleistungen im Heimatland. 48 Prozent zählen es zu den drei wichtigsten Sourcing-Ländern. In Deutschland nehmen inländische Lieferanten mit 53 Prozent bei Direct und 69 Prozent bei Indirect Spend eine sehr dominante Position ein. Es wird erwartet, dass sich diese Situation in den kommenden fünf Jahren kaum verändert.
Interessanterweise beschafft sich Deutschland im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern viele Waren und Dienstleistungen aus der Türkei. Das lässt die Vermutung zu, dass neben industriellen Strukturen der hohe Anteil der in Deutschland lebenden Türkischstämmigen eine wichtige Rolle spielt. Kenntnisse der Sprache und der Kultur scheinen die Sourcing-Transaktionen zu erleichtern.
Laut der Studie ist für europäische Unternehmen China das wichtigste Land für Low-Cost-Country-Sourcing. Diese Position wird sich bis 2010 noch verstärken. Die Zahl der Befragten, die China zu den drei wichtigsten Sourcing-Ländern zählen, wird den Erwartungen nach von 30 auf 45 Prozent ansteigen.
Sourcing von Gütern und Dienstleistungen
Unternehmen beschaffen sich Waren in diesen Regionen zu einem 70 Prozent höheren Ausmaß als Dienstleistungen, so die Analyse. Heute kommen 17 Prozent der Waren aus Niedriglohnländern. Bis 2010 wird ein Zuwachs von 64 Prozent in diesem Bereich erwartet. Dienstleistungen sind komplexer. Sie sind immateriell und müssen zur Zeit der Produktion auch verbraucht werden. Deshalb wird die Beschaffung der Dienstleistungen in den kommenden fünf Jahren auch nur von zehn auf 25 Prozent ansteigen.
Am häufigsten wird Elektronik aus dem Ausland geordert. Dabei handelt es sich um die Supply-Kategorie, die auch in Zukunft am stärksten beschafft werden soll. Es wird damit gerechnet, dass die Ausgaben von 13 aus 16,5 Prozent (2010) steigen. Dagegen werden die Bereiche Kunststoff/Gummi, Planung/Konstruktion und Instandhaltung, Reparatur, Wartung um etwa fünf bis zehn Prozent zurückgehen.
Potenzielle Supply-Risiken
Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass folgende Risiken in der externen Umgebung beim LCCS als besonders bedeutsam eingeschätzt werden. An erster Stelle wird die politische Instabilität gesehen. Auf einer Bewertungsskala zwischen eins und fünf wurde sie mit 3,72 bewertet. Die wirkungsvollste Art, dieses Risiko zu mindern, liegt darin instabile Regionen zu meiden. Die Zunahme des Preisniveaus rangiert bei den Befragten auf dem zweiten Platz. Dieses Risiko hat deutliche finanzielle Auswirkungen auf Transaktionen. Hohe Inflationsraten können die Gewinnspannen langfristig aushöhlen. Mit Hilfe von makroökonomischen Daten sind Preisniveausteigerungen relativ leicht einzuschätzen.
Auf dem dritten Platz werden Kriminalität und Korruption von den Umfragteilnehmern angeführt. Die Wahrscheinlichkeit von Kriminalität lässt sich in einzelnen Fällen schwer einschätzen. Die Auswirkungen reichen gewöhnlich von Betrug über Diebstahl bis hin zu Einbrüchen in Unternehmensgelände. Korruption kann hingegen durch eine Untersuchung der üblichen Geschäftskultur eingeschätzt werden.
Durchführung und Planung
Die Untersuchung hat herausgefunden, dass ein strukturierter und skalierbarer Managementprozess implementiert werden muss, um Low-Cost-Sourcing-Operationen durchzuführen. So sollte unter anderem eine Infrastruktur aufgebaut werden. Unternehmensweite Einkaufausgaben müssen dabei identifiziert und analysiert werden. Ohne eine Struktur ist die Chance auf eine Kostendegression durch Bündelung sehr begrenzt. Bisher kann weniger als ein Drittel der Unternehmen seine Einkaufsausgaben analysieren.
Eine weitere wichtige Vorraussetzung ist geeignetes Personal. Dabei können Mitarbeiter mit Wurzeln in dem Land, in dem Sourcing betrieben wird, einen großen Vorteil beim Überwinden von kulturellen und sprachlichen Barrieren bringen. Die Studie zeigt, dass 22 Prozent der Unternehmen eigens Personal für LCCS-Aktivitäten abgestellt haben. Bis zum Jahr 2010 wird diese Zahl auf 44 Prozent steigen.
Besonders wichtig ist die Umgestaltung des Geschäftsprozesses, da sich die Art der Beschaffung für das Inland nicht übertragen lässt. Größere Aufmerksamkeit erfordert beispielsweise das Qualitätsmanagement, das an spezielle Situationen angepasst werden muss. Die Niedriglohnarbeit bietet Möglichkeiten zur Umgestaltung von Produkten, damit der Anteil an Lohnarbeit steigt und weniger Automatisierungsgeräte benötigt werden. Bisher haben nur 16 Prozent der Befragten Prozess und Produkte umgestaltet.
Um Chancen zu nutzen und Bedrohungen zu neutralisieren, sollte die interne Einschätzung der Organisation den Bedingungen der externen Umgebung gegenübergestellt werden. Diese müssen dann in einem angemessenen Tempo und durch Erforschen des Terrains ausgeführt werden. LCCS-Operationen sind in das globale Geschäftsmodell zu integrieren. Nur 28 Prozent haben bisher Strategien basierend auf den Unternehmens-, Einkaufs-, Organisations- und Lieferkategorieebenen erstellt.
Der Untersuchung zufolge sollten Unternehmen das erreichte Ergebnis ihrer Auslagerungen auch bewerten. Nur dann kann ein Programm für Verbesserungen erstellt werden. Am besten sollte man sich mit anderen Firmen vergleichen, um seine Marktposition zu bestimmen, Stärken festzustellen und Schwachstellen aufzudecken. Benchmarking von LCCS-Aktivitäten führen nur 19 Prozent der Firmen durch.
Für die Studie "Europäische Strategien für Low Cost Country Sourcing" wurden 200 Einkaufsleiter aus den größten Industriemärkten Europas (Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und Großbritannien) befragt. Teilnehmen konnten nur Unternehmen mit einem Jahreserlös von mehr als 300 Millionen Euro.