IT-Industrie

Diese Themen beschäftigen die IT-Branche weit über 2019 hinaus

09.11.2018 von Wafa  Moussavi-Amin
Der Schlüssel zu einem echten Wettbewerbsvorteil in der IT-Industrie liegt darin, frühzeitig Veränderungen, Abweichungen und Trends zu erkennen – um entsprechend darauf reagieren zu können. Die spannendsten Annahmen, die einen direkten Einfluss auf die weltweiten IT-Investitionen haben könnten, stellen wir an dieser Stelle vor.
IDC blickt in die Zukunft.
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Das legendäre Black Book, in dem IDC die weltweiten ITK-Spendings ausweist, gibt es seit den 1980er Jahren. Man könnte vielleicht denken, dass es heutzutage kaum noch überraschende Kennzahlen gibt. Die Technologiebranche ist deutlich gereift und ein wichtiger Bestandteil der Weltwirtschaft. Was sich allerdings verschoben hat, ist der Fokus. Die IT-Gesamtausgaben mögen zwar heute vorhersehbarer sein als in der Vergangenheit, da sich ein zunehmender Anteil der Ausgaben für IT von volatilen Investitionen in relativ stabile Opex bewegt, was auch auf das immense Wachstum von Cloud und Mobility zurückzuführen ist.

Der Schlüssel zu einem echten Wettbewerbsvorteil in der IT-Industrie liegt allerdings immer noch darin, frühzeitig Veränderungen, Abweichungen und unerwartete Trends zu erkennen – um entsprechend darauf reagieren zu können. Die spannendsten Annahmen, die einen direkten Einfluss auf die weltweiten IT-Investitionen haben könnten, stellen wir an dieser Stelle vor:

Neue Technologien schieben ab 2020 die nächste IT-Welle an

Die traditionellen ITK-Ausgaben (Hardware, Software, IT-Dienstleistungen und Telekommunikation) korrelieren inzwischen weitestgehend mit dem BIP. Während dies natürlich global gesehen von Land zu Land unterschiedlich ist und die Schwellenländer nach wie vor eine Diskrepanz zwischen dem jährlichen Wachstum der IKT und dem der übrigen Wirtschaft aufweisen, entwickelt sich die traditionelle IT-Branche analog der Gesamtwirtschaft. IDC geht davon aus, dass bis 2020 neue Technologien wie IoT-Sensoren, Drohnen, AR/VR-Viewer und 3D-Drucker einen Wachstumsschub in der gesamten Branche auslösen werden und einen großen Teil der Spendings für sich reklamieren werden.

Wie aus dem IDC Black Book hervorgeht, wird die gesamte ITK unter Einbeziehung neuer Technologien ab 2020 mit einem Wachstum von mehr als sechs Prozent auf insgesamt über sechs Billionen US-Dollar im Jahr 2022 wachsen. Neue OT-Software und dazugehörige Dienstleistungen treiben den Markt immens an. Während das aktuelle Jahrzehnt im Zeichen von Cloud und Mobile steht, wird das nächste durch ubiquitäres Computing und digitale Transformation geprägt sein.

Smartphone-Markt wächst, alle anderen Devices im freien Fall

Die weltweite Smartphone-Industrie hat ihren Wachstumskurs in Bezug auf Umsätze fortgesetzt, obwohl sie erstmalig einen Rückgang des jährlichen Absatzes verzeichnete. Die Anbieter verlagerten ihr Angebot in Richtung höherpreisige Midrange- und Premium-Geräte. Dieser Trend wird voraussichtlich fortbestehen, auch wenn die Preise in den reifen Volkswirtschaften und gesättigten Märkten in den kommenden Jahren ihr Peak erreicht haben werden. Wir beobachten allerdings eine große Anzahl von Handy-Nutzern in Schwellenländern wie China und Indien, die in den nächsten fünf Jahren ihre Einstiegsgeräte in Mittelklasse- und Premium-Handys umtauschen werden.

Andere Device-Kategorien konnten dieses clevere Modell nicht adaptieren. Die Ausgaben für PCs erholten sich 2017 zwar kurzzeitig und führten zu einem lang ersehnten positiven Wachstum, was zum Teil auf Ausgaben für höherpreisige Notebooks und neue Formfaktoren zurückzuführen ist - obwohl das Wachstum vor allem durch die Ablöse von Altgeräten im Business-Umfeld bzw. Unternehmensupgrades getrieben wurde. Doch diese Entwicklung wird nicht von Dauer sein wird.

Wir erwarten, dass sich der gesamte PC-Markt in den kommenden fünf Jahren rückläufig entwickeln wird, auch wenn wir im laufenden Jahr 2018 noch einmal ein leichtes Wachstum erwarten. Der Tablet-Markt hat sich nie von dem schnellen Kommerzialisierungsprozess erholt, der der ersten iPad-getriebenen Absatz-Explosion folgte. Die Verkaufszahlen werden weiterhin sinken, da die meisten Consumer ihre Tablets längerfristig nutzen und sich – wenn ein Austausch ansteht – eher für Low-Cost-Geräte interessieren. Lediglich im Segment der hochwertigen Business Tablets erwarten wir einen leichten Wachstumsanstieg.

Für andere Absatzmärkte wie Drucker und Monitore, die heute eher in die Kategorie Commodity-Technologien wie Fernseher und Radios fallen und weniger mit Hightech zu tun haben, sehen wir ein ganz ähnliches Bild. Der Markt für Endgeräte hat einen deutlichen Rückgang erlebt, die Talsohle ist aber noch nicht erreicht. Der Umsatz mit Hardware wird in allen Kategorien in den nächsten fünf Jahren um weitere 30 Milliarden Dollar schrumpfen, innerhalb der nächsten zehn Jahre wird der Hardware-Markt um ein Drittel geschrumpft sein. Einzig der Smartphone-Markt wird weiterhin wachsen.

USA bei Software unangefochtener Spitzenreiter

So wie China bei Smartphones, IoT und Robotik führend ist, dominieren die USA weiterhin, wenn es um Early Stage Investments in und den Einsatz von modernster Software geht. Sie wissen vermutlich, dass die USA immer noch an der Spitze der globalen Softwarebranche stehen, die absoluten Zahlen sind allerdings beeindruckend.

Im Jahr 2017 hatten die USA einen Anteil von rund 80% an den weltweiten Ausgaben für KI-Software, mehr als 50% Marktanteil bei Big Data und Analytics, 67% bei Security und fast 60% von Enterprise Social. Diese Zahlen reflektieren die Neigung von US-Unternehmen, Investitionen in hochmoderne Software zu priorisieren, die in vielen Wirtschaftszweigen schnelle Produktivitätsvorteile bringen können, aber auch ein starkes Ökosystem von US-Software-Unternehmen und Vertriebspartnern, zum Teil aber auch die aggressive Einführung von Cloud Computing mit all ihren Vorteilen. Im Jahr 2017 kamen fast 70% der weltweiten Ausgaben für Cloud-basierte Software und mehr als 40 % der Ausgaben für Infrastructure as a Service aus den USA.

Das hat wiederum radikale Auswirkungen auf Infrastrukturanbieter, da Cloud-Anbieter einen wachsenden Anteil der Ausgaben für Server, Speicher und Netzwerkausrüstung auf sich vereinigen konnten (und dazu beigetragen haben, einen Boom der Hardware-Ausgaben für Rechenzentren in den vergangenen fünf Jahren zu verursachen). Ein Cloud-first, Mobile-first-Ansatz war die Grundlage für neue digitale Strategien, die nun zu schnellen Investitionen in neue Technologien wie AR/VR und AI führen.

All das bedeutet nicht nur, dass die USA nach wie vor der lukrativste Markt für Software- und Service-Anbieter und ein entscheidendes Testfeld für neue Software-Produkte sind, sondern auch, dass die US-Wirtschaft von den Vorteilen profitiert, wenn es um den Einfluss der IT-Ausgaben auf Produktivität, Arbeitsplätze und BIP-Wachstum geht. Wenn es eine Sache gibt, die die USA konsequent beibehalten müssen, dann ist es das Investitionsverhalten in innovative Software.

Handelskrieg könnte der Branche 200 Milliarden Dollar kosten

"IT as a Service" hat zwar dazu geführt, dass die IT-Ausgaben insgesamt überschaubarer geworden sind als in der Vergangenheit, wenn allerdings ein größerer Teil des Marktvolumens an Investitionsbudgets gebunden war, macht ihn das auch fragiler hinsichtlich externer Faktoren. In den vergangenen Jahren wurde der europäische IT-Markt beispielsweise stark durch die Schuldenkrise und zuletzt durch Brexit beeinträchtigt. Die wirtschaftliche Stagnation in den Schwellenländer, die beispielsweise in Brasilien und Russland zu einer Rezession führte, resultierte auch in erheblichen Einschnitten bei den Technologie-Ausgaben von Unternehmen und Verbrauchern.

Die USA haben seit der Finanzkrise vor einem Jahrzehnt keine signifikanten Störungen hinsichtlich der IT-Spendings verzeichnet, die nächsten zehn bis 15 Jahre werden aber kritisch sein, da viele Unternehmen die Test- und Prototypenphase hinter sich lassen und in der Fläche neuer Technologien und Anwendungsfälle im Zusammenhang mit KI, IoT, Robotik, AR/VR und anderen neuen Kategorien implementieren.

Deshalb würde eine konjunkturelle Verlangsamung zu einem äußerst ungünstigsten Zeitpunkt eintreten. Es wird bereits prognostiziert, dass die US-Wirtschaft in den nächsten zwei bis drei Jahren leicht an Dynamik verlieren wird. Historisch betrachtet ist ein Rückgang auch längst überfällig. Viele Zeichen deuten darauf hin, dass die kommende Periode der Zinserhöhungen die Investitionen und das Wachstum der Wirtschaft dämpfen wird.

Ein Handelskrieg könnte dazu beitragen, die USA in eine Rezession zu stürzen, sollte der aktuelle Konflikt mit China zu einem breiteren Handelskonflikt mit anderen Regionen eskalieren - obwohl die jüngsten Verhandlungen über einen neuen Vertrag mit Kanada und Mexiko einige Drohszenarien gebannt haben. Basierend auf historischen Korrelationen zwischen Wirtschaftsindikatoren und IT-Ausgaben könnte ein Worst-Case-Szenario für den Handelskrieg bis 2020 einen großen Einfluss auf die US-IT-Budgets haben, da Unternehmen angesichts des verlangsamten Wachstums und der Stimmungslage gezwungen sind, Krisenmaßnahmen zu ergreifen.

Vorerst könnten die USA wahrscheinlich eine vorübergehende Eskalation der Zölle und protektionistischen Handelspolitik verkraften, ohne die Produktivität dauerhaft zu beeinträchtigen. Die Gefahr besteht eher darin, dass ein Konflikt über das Jahr 2020 hinaus andauern könnte und sich zu einer endlosen Krise ausweitet, was die von Optimismus und Experimentierfreude geprägte Stimmung negativ beeinflussen könnte, die in den vergangenen zehn Jahren dazu geführt hat, das sich innovative neue Technologien in US-Unternehmen durchsetzen konnten.

Es steht viel auf dem Spiel, wenn es um die Auswirkungen der IT-Ausgaben auf die Leistung der gesamten Wirtschaft eines Landes geht. Weltweit könnte ein vollständiger Handelskrieg ein Minus von 200 Milliarden Dollar für den globalen IT-Markt bedeuten. Die nächsten Jahre werden also aller Voraussicht nach alles andere als langweilig.