In den kommenden Jahren wird die Digitalisierung alle Aspekte von Wirtschaft und Gesellschaft grundlegend beeinflussen. Insofern ist die Digitalisierung nicht nur ein zentrales Thema für CIOs, sondern auch für nationale Regierungen. So hat die Europäische Union im Jahr 2010 die Digitale Agenda für Europa (DAE) verabschiedet. Auch die meisten europäischen Regierungen haben seitdem ihre eigenen nationalen digitalen Agenden veröffentlichten. Deutschland tat dies im August 2014.
Digitale Agenden setzen die Schwerpunkte auf Breitbandversorgung und regulatorische Initiativen wie die Netzneutralität. Diese Themen sind zweifelslos wichtig. Forrester glaubt jedoch, dass diese digitalen Agenden oft nicht die Herausforderungen der CIOs adressieren, die sie im Rahmen ihrer digitalen Transformationsprojekte antreffen.
Digitale Agenden der Regierungen sind für CIOs bedeutsam
Die nationalen digitalen Agenden sind bedeutsam für CIOs, da sie Auswirkungen auf das wirtschaftliche Handeln und rechtliche Rahmenbedingungen für Unternehmen haben. Die Netzwerkinfrastruktur ist das Rückgrat der digitalen Wirtschaft. Langsame Übertragungsgeschwindigkeiten und schlechte Netzabdeckung untergraben Geschäftsmodelle sowie die Wettbewerbsfähigkeit ganzer Regionen.
Digitale Agenden sind für CIO auch wichtig hinsichtlich der Förderung von fehlenden IT-Kenntnissen. Laut EU fehlen Europas Firmen bis zum Jahr 2020 etwa 900.000 IKT-Fachkräfte. Darüber hinaus behandeln digitale Agenden aus CIO-Sicht wichtige Themen wie Cyber-Sicherheit, Cyber-Spionage, die Regelung von Online-Handel und Steuern, Kundendatenspeicherung, und digitales Urheberrecht.
Aus CIO-Sicht wäre es zu wünschen, dass digitale Agenden die CIOs bei der Gestaltung der digitalen Wirtschaft und der "Industrie 4.0" unterstützen, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und Optimierungspotenziale in den Bereichen Produktion und Logistik zu schaffen. Dem ist leider nicht so.
Digitale Agenden haben signifikante Mängel
Die meisten nationalen digitalen Agenden sind High-Level-Diskussionspapiere ohne konkrete Hilfestellung für die CIO Herausforderungen. Digitalisierung wird wie eine von vielen politischen Initiativen behandelt - und nicht als das zentrale und übergreifende Thema für Wirtschaft und Gesellschaft. Unserer Meinung nach sind die größten Defizite der nationalen digitalen Agenden:
Vage Pläne in Bezug auf zu verfolgende Ziele. Die digitalen Agenden sind durch einen visionslosen Ansatz gekennzeichnet, welchen Herausforderungen und Chancen die Wirtschaft in den kommenden Jahren ausgesetzt sein wird. Die wenigen greifbaren Ziele, wie beim Thema Breitbandausbau, sind entweder anspruchslos oder liegen in ferner Zukunft.
Ein Mangel an Metriken, um Fortschritte zu messen. Die meisten nationalen digitalen Agenden liefern keine Kennzahlen dafür wie Fortschritte gegen konkrete Ziele gemessen werden sollten. Nur auf europäischer Ebene werden Fortschritte mittels des Digitale Agenda Scoreboard gemessen, auf dem jeder EU Mitgliedstaat gegen DAE-Ziele (Digital Agenda for Europe) verglichen wird.
Schwache finanzielle Selbstverpflichtung, um Ziele zu erreichen. Es gibt praktisch keine konkreten Finanzierungszusagen wie digitale Initiativen finanziert werden sollen. Die Finanzierungsanforderungen für Breitbandabdeckung sind zwar erheblich und werden in Deutschland auf 20 bis 30 Milliarden Euro geschätzt. Dies ist jedoch überschaubar im Vergleich zu dem Hilfspaket für Banken das sich in Deutschland auf 480 Milliarden Euro beläuft.
CIOs verdienen mehr staatliche Unterstützung
CIOs benötigen klare Ansagen hinsichtlich der nationalen und Europäischen Maßnahmen zur digitalen Transformation. Um Vorteile der Digitalisierung besser nutzen zu können, erwarten CIOs von Regierungen zurecht:
Klare Ziele zum Netzwerkinfrastrukturausbau und notwendigen Investitionen. Roll-out-Kosten zur DAE 2020 Breitbandversorgung für Europa schwanken zwischen 56 und 142 Milliarden Euro, abhängig vom verwendeten Technologieansatz. Aber anstatt eine Vorreiterrolle für nationale Regierungen zu spielen, kappte die Europäische Kommission das Budget für die 2020 Digital Agenda um 90 Prozent von 9,2 Milliarden Euro auf 1 Milliarde Euro.
Mehr Transparenz hinsichtlich der Frequenzzuteilung. Selbst wenn Regierungen sich nicht zu Finanzierungszusagen zur Netzwerkinfrastruktur durchringen, können sie Transparenz bezüglich der Frequenzzuweisung schaffen. Dadurch erhält der Privatsektor dringend benötigte Planungssicherheit hinsichtlich von Netzwerkinfrastrukturprojekten.
Eine Reduzierung von regulatorischem Verwaltungsaufwand. CIOs brauchen rechtliche Transparenz in Bezug auf Haftung für die Situationen in denen ihre Firmen als Host einer Internet-Seite agieren, auf der Dritte ihre Inhalte ablegen. Darüber hinaus ist das derzeitige Urheberrecht für Musik, Film und andere digitale Inhalte undurchsichtig und variiert zwischen verschiedenen europäischen Ländern. Gesetze reflektieren nicht die Realitäten, wie Verbraucher und Kunden hinsichtlich digitaler Inhalte denken und handeln.
Die Anerkennung von Software als kritischen Faktor im modernen Produktionsprozess. Software bestimmt zunehmend Geschäftsprozesse und Geschäftsmodelle - und somit auch Marken. Immer mehr Kunden interagieren mit Produkten und Dienstleistungen direkt mittels Softwarelösungen. Regierungen sollten die zentrale Rolle der Software als Produktionsfaktor erkennen und Software Entwicklung und das Start-up-Umfeld stärker unterstützen.
Bessere IT-Schulungen und Ausbildung. Unternehmen stehen vor dramatischen Anpassungen hinsichtlich der fehlenden erforderlichen IT-Kenntnisse. Regierungen spielen eine wichtige Rolle, um bestehenden Mitarbeiter besser auf diese Veränderungen vorzubereiten, neue Arbeitskräfte gezielter auszubilden, und wo notwendig Immigration von Fachkräften zu koordinieren.
Leider sehen wir keine Anzeichen, dass sich CIOs große Hilfestellungen von Regierungen hinsichtlich ihrer digitalen Transformationsprojekte erwarten können. Stattdessen sollten CIOs:
Proaktiv werden und nicht auf staatliche Hilfestellung warten. Es ist zu riskant auf endgültige Klarheit hinsichtlich der Netzwerkinfrastrukturfinanzierung und des regulatorischen Rahmenwerks zu warten. CIOs sollten ihre eigenen Pläne für die digitale Transformation vorbereiten. Es macht Sinn für CIOs, mehrere strategische Optionen zu entwickeln, um besser und schneller auf sich verändernde regulatorische und politische Richtlinien reagieren zu können.
Sich als Stimme der Wirtschaft in Brancheninitiativen Gehör schaffen. CIOs sollten sich aktiver in öffentlich-privaten Initiativen wie der Netzallianz Digitales Deutschland oder dem gesamteuropäischen Dialog über Internet Governance (EuroDIG) einbringen. Durch ihre Teilnahme haben CIOs die Chance, ihre Sicht auf politische Fragen zu Internet Governance zu kommunizieren.
Die besten Praktiken der digitalen Transformationsprojekte untereinander teilen. CIOs sollten sich mehr auf Foren oder Anbieterveranstaltungen austauschen um voneinander über Ansätze zum digitalen Transformationsprozess zu lernen.