Das Ziel für den Weg in die digitale Verwaltung ist eigentlich klar definiert: "Wir werden in einem digitalen Portal für Bürgerinnen und Bürger sowie für Unternehmen einen einfachen, sicheren und auch mobilen Zugang zu allen Verwaltungsdienstleistungen ermöglichen", heißt es in dem Koalitionsvertrag, den CDU, CSU und SPD im März 2018 unterschrieben haben. Doch auch acht Jahre nach der Einführung des elektronischen Personalausweises können die Menschen in Deutschland nur in wenigen Ausnahmen ihre Anliegen bei den Behörden online erledigen.
Immerhin nutzte im vergangenen Jahr jeder zweite Bürger das Netz, um mit Behörden und öffentlichen Einrichtungen in Kontakt zu treten. Das geht aus Zahlen hervor, die das Statistische Bundesamt (Destatis) am Freitag vorlegte. Schaut man sich die Statistik genauer an, fällt aber auch sofort auf, dass es sich zumeist um oberflächliche Kontakte handelte, etwa eine Suche nach einer zuständigen Behörde.
Exemplarisch für Glanz und Elend der Digitalisierung der Verwaltung in Deutschland stehen die Bemühungen, den Steuerpflichtigen zu ermöglichen, ihre Steuererklärung bequem digital zu erstellen und einzureichen. Bereits vor 20 Jahren führten die ersten Bundesländer die Option ein, im System "Elster" ihre Steuerdaten online an das Finanzamt zu übertragen. Doch bis heute kommunizieren die meisten Steuerpflichtigen ganz analog per Post mit dem Finanzamt, selbst wenn sie zuvor ihre Daten auf dem Elster-Portal eingegeben haben.
Das Online-Finanzamt wird oft gefragt, warum der Versand der unterschriebenen Steuererklärung per Post immer noch nötig ist, und gibt den Interessenten folgende Antwort: "Juristisch gesehen sind die online eingereichten Daten nicht relevant, weil Sie noch rechtsverbindlich unterschreiben müssen. Das geht elektronisch nur mit einer Authentifizierung (Signaturkarte, Sicherheitsstick oder Zertifikatsdatei von Mein ELSTER)." Das Verfahren klingt nicht nur kompliziert, sondern ist es tatsächlich auch. Insbesondere der Umgang mit den Zertifikaten überfordert die meisten Bürger.
Elektronische Personalausweis mit Tücken
Eine Schlüsselfunktion bei der Digitalisierung der Verwaltung besitzt der elektronische Personalausweis, der 2008 vom Deutschen Bundestag beschlossen und 2010 eingeführt wurde. Seit 2017 ist bei jedem Ausweis die sogenannte eID-Funktion aktiviert. Das ist ein eingebauter Chip, mit dem sich Nutzer im Prinzip auch im Internet ausweisen können. Das Bundesinnenministerium schätzt, dass derzeit bei gut 25 Millionen Personalausweisen der Chip aktiv ist.
Mit dem elektronischen Personalausweis können immerhin frischgebackene Besitzer eines Autos demnächst in Deutschland den nervtötenden Besuch in der Kfz-Zulassungsstelle durch eine Online-Anmeldung ersetzen. Doch auch hier reicht der Besitz eines neuen Personalausweises und eine Online-Verbindung nicht aus. "Zur Identifizierung ist ein Personalausweis mit Onlinefunktion notwendig. Daneben wird ein Lesegerät oder ein Smartphone mit NFC-Chip zur drahtlosen Übertragung der Daten benötigt", erklärt Thomas Schuster von der Sachverständigenorganisation KÜS.
In der Behörde läuft der Vorgang nicht komplett automatisiert ab, sondern wird noch von einem Sachbearbeiter geprüft. Der Antragsteller muss immerhin nicht mehr die durchschnittlich 62 Minuten im Behördenzimmer verbringen, die der ADAC für 2017 als durchschnittliche Wartezeit errechnet hat. Trotzdem ist auch in Zukunft Geduld gefragt: Bis Zulassungsbescheid, die Zulassungsbescheinigung Teil I und II sowie die Plaketten für die Kennzeichen per Post ankommen, können einige Tage ins Land gehen.
Wie viele Autobesitzer den neuen Service ab Herbst benutzen werden, muss sich noch zeigen. Die meisten von ihnen verfügen aber derzeit gar nicht über ein Lesegerät, mit dem die AusweisApp den technischen Kontakt zu dem ePerso herstellt. Abhilfe könnten moderne Smartphones bieten, die mit einem NFC-Chip ausgestattet sind. NFC steht für "Near Field Communication" (Nahfeldkommunikation) und ist ein Übertragungsstandard zum drahtlosen Austausch von Daten über kurze Distanzen. Inzwischen sind viele Smartphones ab Werk mit der Technologie ausgestattet, andere lassen sich nachträglich mit einem NFC-Sticker nachrüsten.
AusweisApp2 bald auch für iPhones
Für moderne Android-Smartphones gibt es bereits seit zwei Jahren die Option, die offizielle AusweisApp2 zu nutzen. Rund 500 000 Android-Anwender sollen die App bereits heruntergeladen und damit den Personalausweis aufs Handy gebracht haben. Nach einem Gespräch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Apple-Chef Tim Cook im Oktober 2018 erklärte sich auch der iPhone-Konzern bereit, seinen bis dahin hermetisch abgeschirmten NFC-Chip für den deutschen Personalausweis zu öffnen.
Mit der nächsten Version des iPhone-Betriebssystems (iOS 13) ist es dann auch auf dem iPhone möglich, den elektronischen Personalausweis über die AusweisApp2 direkt zur Identifikation zu nutzen. Ähnlich, wie die Einführung von Apple Pay den gesamten Markt des digitalen Bezahlen belebt hat, könnte damit das iPhone dem bislang nur mäßig genutzten ePerso neuen Schwung verleihen.
Damit die Bürger stärker digitale Dienste der Verwaltung nutzen, müssen aber nicht nur die technischen Hürden aus dem Weg geräumt werden. Dazu bedarf es auch Überzeugungsarbeit. So fühlen sich die meisten Menschen in Deutschland unwohl bei der Vorstellung, dass private Dokumente in einem "Bürgerkonto" zentral gespeichert werden. Das geht aus dem "E-Government-Monitor 2018" hervor, den die Initiative D21 im vergangenen Herbst vorgelegt hat. Demnach sind deutsche Onliner im Vergleich zu ihren Nachbarn in Österreich und der Schweiz dem Bürgerkonto gegenüber am wenigsten aufgeschlossen. (dpa/ad)