Es ist wieder soweit. Ein neuer Hype ist da, eine neue Welle rollt an. Alle Unternehmen müssen jetzt an der Digitalisierung arbeiten, eine digitale Transformation durchführen, ihr Digital Business aufbauen. Da gibt es keinen Widerspruch, da sind sich auch alle Beratungshäuser einig. Es gibt keinen Hardware-, Software- oder sonstigen Lösungsanbieter, dessen Produkte die digitale Transformation nicht optimal unterstützen.
Der neue und springende Punkt bei der Digitalisierung ist, dass die flächendeckende Verbreitung von Smartphones, die Always on-Mentalität und die zunehmende Integration von Dingen in das Internet die Basis für neue digitale Dienste bildet, beziehungsweise deren zunehmende Verbreitung fördert. Sind die Foto- und Musikindustrie schon weitestgehend digitalisiert, können sich nun selbst das Versicherungs- und das Gesundheitswesen nicht mehr dem technologischen Druck entziehen.
Und das Beispiel Musikindustrie hat uns gezeigt, dass es keine Koexistenz von digitalem und analogem Business mehr geben wird. Daraus müssen wir unsere Schlüsse ziehen und verstehen, dass den technologischen Hypes von damals und heute eine Entwicklung zu Grunde liegt, die unsere Welt und damit auch unsere Wirtschaft und Wertschöpfungsketten nachhaltig verändern wird.
Definition der Digitalisierung
Gartner sagt: "Digitalization is the use of digital technologies to change a business model and provide new revenue and value-producing opportunities; it is the process of moving to a digital business." Im Zusammenhang mit dieser Definition sagt Gartner auch, dass nur etwa 70 Prozent der Unternehmen, die den Weg hin zum Digital Business antreten, erfolgreich ankommen werden. Bislang haben die digitale Transformation solche Unternehmen gemeistert, die ihre Unternehmensprozesse durchgängig in digitalen Systemen abbilden, und dabei gleichzeitig den Nutzen für ihre Kunden in dem Mittelpunkt stellten und somit deutlich steigern konnten.
Unternehmensprozesse durchgängig in digitalen Systemen abzubilden meint dabei auch die nahtlose Einbindung von Partnern, den vorhandenen Informationsquellen wie Social Media, Internet der Dinge und viele mehr und sogar den eigentlichen Kunden selbst. Eine derartige Integration aller beteiligten Faktoren ermöglicht und erfordert oftmals neue und innovative Geschäftsmodelle, die schlussendlich zur Steigerung des Kundennutzens beitragen.
Als einfache Beispiele seien hier Spotify oder Netflix genannt - Unternehmen, die ihren Kunden ein riesiges Portfolio an digitaler Musik und Filmen gegen eine monatliche Pauschale zur Nutzung bereitstellen. Während Apple mit iTunes die Verkaufs- und Distributionsprozesse bereits durchgängig in IT-Systemen abgebildet hat, nutzen diese Unternehmen zusätzlich ein neues Geschäftsmodell.
Wenn die genannten Punkte die wichtigsten Erfolgsaspekte einer digitalen Transformation sind, dann ergibt sich eine auf Unternehmen zugeschnittene Definition des Begriffs "Digitalisierung" laut F-Net Gruppe wie folgt: "Digitalisierung bedeutet Steigerung des Kundennutzens durch die durchgängige Abbildung von Unternehmensprozessen in digitalen Systemen unter Einbeziehung von Kunden, Partnern und neuen Informationsquellen. Diese kann meist erst durch Innovation von Geschäftsmodellen erreicht werden." (Quelle: F-Net Gruppe)
Die Kernkomponenten der digitalen Transformation
Betrachtet man die weiter oben gegebene Definition der Digitalisierung, so werden drei Kernkomponenten der digitalen Transformation ersichtlich: Prozesse ("Unternehmensprozesse"), Technologie ("digitale Systeme") und Innovation ("innovative Geschäftsmodelle"). Nur die Kombination dieser drei Komponenten führt zum größten Mehrwert digitaler Transformationen: einem deutlich gesteigerten Kundennutzen. Abbildung 2 verdeutlicht, wie sich die drei Komponenten zueinander verhalten.
Fehlt eine dieser Komponenten, so besteht die Gefahr, dass am Ende kein neuer oder gesteigerter Kundennutzen entsteht - nichts Neues erreicht wird. Denn die Kombination von jeweils zweien der drei Elemente haben wir in den letzten Jahrzehnten vielfach in Business Process Reengineering- und Automation-Projekten gesehen.
Das House of Digital Business als Modellvorlage
Sie haben sich im Vorhinein Gedanken über das "Big Picture", das Zielbild ihrer Transformation gemacht. Bislang gab es für solche digitale Transformationen kein Modell, weshalb wir mit dem "House of Digital Business" einen ersten Schritt in diese Richtung machen. Das Modell soll dabei kein exakter Bauplan sein, sondern alle wichtigen Komponenten eines Digital Business aufzeigen und diese in Zusammenhang setzen.
Das neue Nutzenversprechen steht ganz oben und bildet das Dach des Hauses. Gestützt wird es auf der einen Seite von innovativen Geschäftsmodellen, Produkten und Services, die dem Kunden per App und über einen sicheren Zugriff möglichst zu jeder Zeit und an jedem Ort zur Verfügung gestellt werden.
Auf der anderen Seite wird das neue Nutzenversprechen von den Daten gestützt, die vom Kunden bei der Nutzung der angebotenen Produkte und Services sowie von seinen vernetzten Endgeräten erzeugt werden. Immer mehr Produkte beinhalten heutzutage IT-Funktionalitäten und erzeugen beziehungsweise sammeln Daten. Viele Unternehmen müssen aber erst noch lernen, diese Daten zu nutzen. Pionierarbeit leistet hier zum Beispiel der Automobilersteller Volkswagen, der mit den Fahrzeugdaten seiner Kunden etwas hat, was der Internetriese Google nicht hat.
Im digitalen Zeitalter muss das digitale Ökosystem des Unternehmens auch über die eigene Enterprise-IT hinausgehen. Vorhandene externe Datenquellen und Dienste von Partnern und anderen Anbietern werden mitgenutzt, um dem Kunden neue Services und Apps zur Verfügung zu stellen. So verwendet der Autoverleih Hertz beispielsweise ortsbezogene Wetterdaten, um Kunden bei entsprechender Witterung kurzfristig noch ein Angebot über ein Upgrade zum Cabrio auf das Smartphone zu senden.
Das Fundament des House of Digital Business bildet die für die digitale Transformation notwendige Unternehmenskultur, -organisation und -governance. In Gesprächen über die Herausforderungen der digitalen Transformation haben IT- und Business-Entscheider mir immer wieder bestätigt, dass die kulturelle Veränderung innerhalb der Belegschaft die größte Herausforderung der digitalen Transformation darstelle. Die langjährige Praxis von Change Management, also arbeiten im System, wird durch Change Leadership, also arbeiten am System, ergänzt oder gar ersetzt.
Produkte werden in Dienstleistungen transformiert
Zudem zeigt das House of Digital Business Abhängigkeiten auf, da Maßnahmen in einem Bereich logische Konsequenzen in anderen Bereichen mit sich bringen. Wer beispielsweise seine Produkte mit IT-Funktionalitäten anreichert, wer Mess- und Zählsysteme in seine Produkte integriert, der wird diese Produkte morgen nicht mehr verkaufen, sondern stattdessen die Nutzung dieser Produkte abrechnen. Produkte werden in Dienstleistungen transformiert. Ein "Produkt"-Unternehmen ändert sich also in ein "Dienstleistungs"-Unternehmen.
Um nur eine Konsequenz dessen aufzuzeigen: Unternehmen, die bislang oft rein im B2B-Geschäft aktiv waren, bekommen über ihre digitalisierten Dienstleistungen Zugang zu ihren Endkunden, und müssen künftig im B2C-Segment agieren. Aus B2B wird B2B2C. Hieraus ergeben sich konsequenterweise neue Vertriebsmodelle, neue Partnerstrukturen, und noch vieles mehr.
Fazit: Es ist Zeit zu handeln und digitale Transformationen ganzheitlich anzugehen. Denn Unternehmen, die ihre digitale Transformation halbherzig angehen, die nur punktuell Maßnahmen durchführen, werden in der digitalisierten Welt nicht bestehen.