Der öffentliche Sektor genießt historisch gesehen in allen Nationen und Rechtssystemen eine Sonderstellung. Als größter Arbeitgeber sorgt er laut Europäischer Kommission für ein Viertel der Arbeitsplätze in den 28 Mitgliedsstaaten der EU und spielt wirtschaftlich eine Schlüsselrolle. Das hat natürlich seinen Preis - beinahe 50% des BIP werden nach dem Institute of Public Administration von öffentlichen Dienstleistungen verschlungen.
Aber die Grenzen zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor verschwimmen. Ende des 20. Jahrhunderts kam es in vielen Branchen - besonders im Versorgungs- und Gesundheitssektor, aber auch im Transport- und Sicherheitswesen - europaweit zu Privatisierungswellen. Dem folgten Outsourcing, Offshoring und, als jüngere Entwicklung, Public Cloud Computing. Sie alle definierten die Grenzen zwischen dem öffentlichen Sektor, externen Anbietern und sogar den Unternehmen, Gesellschaften und Bürgern neu.
Vor diesem Hintergrund ergeben sich für den öffentlichen Bereich viele Gelegenheiten, bessere Dienstleistungen zu erbringen und Kosten zu reduzieren und dabei gleichzeitig seinen Wert für die Gesellschaften, denen er dient, zu erhöhen.
Und Bürger und Wirtschaft wollen mit der Verwaltung digital interagieren. Die Digitalisierung verändert auch hier die Art und Weise, wie Bürger und Wirtschaft Dinge wahrnehmen und mit ihnen interagieren. Dieser digitale Imperativ wird nachfolgend näher beleuchtet.
Das digitale Zeitalter nutzen
Die digitale Welt, in der wir heute leben, bietet dem öffentlichen Sektor große Chancen für die Interaktion mit Bürgern. Beispiele reichen von "intelligenten Mülltonnen", die anzeigen, wann sie entleert werden müssen, bis hin zu Onlineformularen und besserem Zugang zu Informationen. Durch den Wandel zum "Digitalen Amt" kann auf Anliegen direkter reagiert und öffentliche Ressourcen durch automatisierte Prozesse effektiver eingesetzt werden. Die Behörden Europas sind jedoch in der Anwendung digitaler Modelle zur Umsetzung agiler, benutzerfreundlicher und auf Konsumenten ausgerichteter Dienstleistungen unterschiedlich weit.
So besteht beispielsweise ein großer Unterschied zwischen der eGovernment-Umsetzung und dem digitalen Engagement in den baltischen Staaten und in Deutschland oder Frankreich, wo digitale Strategien noch in sehr geringem Maße verwirklicht sind. Der digitale Markt in Europa ist in 28 nationale Teilmärkte gespalten. Viele öffentliche Organisationen definieren sich weiterhin über gewachsene Kontrollstrukturen, Hierarchien und Verantwortungsbereiche.
Diese bürokratischen Kommunikationsformen erlauben es öffentlichen Dienstleistern nicht, das volle Potenzial der Vorteile und Chancen des digitalen Zeitalters zu nutzen. Dabei verpassen Organisationen, die sich primär als staatliche Organe und nur sekundär als Dienstleister sehen Möglichkeiten, effektiv mit Bürgern und Gesellschaft zu interagieren. Gleichzeitig vergeben sie sich so ihre Chance, wertschöpfend zu handeln und kundenbasierte Dienstleistungen digital anzubieten.
Zudem nimmt auch die europäische Digitale Strategie Fahrt auf. Günther Oettinger, der EU-Digitalkommissar will für Europa einen einheitlichen digitalen Markt schaffen. Die schon seit Langem ausgearbeitete und diskutierte Datenschutzrichtlinie soll bis Ende 2015 endlich verabschiedet werden. Eine Urheberrechtsreform und eine Infrastruktur-Strategie fehlen aber nach wie vor. Europas öffentlicher Sektor muss aber - mehr als zuvor - eine stärkere Vorreiterrolle bei derDigitalisierung spielen. Doch was passiert sonst?
Nötige Maßnahmen einer Digitalisierung
Um den öffentlichen Dienst den Übergang in das digitale Zeitalter zu erleichtern, schlage ich drei konkrete Maßnahmen vor:
Berücksichtigung von neuen Technologien in jeder Phase des Entwurfs, der Konzeptionierung und Weiterentwicklung neuer und bestehender öffentlicher Leistungen. Diese müssen auf den Bedarf und die Erwartungen einer digitalen Gesellschaft abgestimmt sein.
Neuausrichtung von Hilfsprozessen wie Budgetierung, Mittelvergabe, Workforce Management, Rekrutierung und Performance Management. Hier heißt es, die Angebote auf die Anforderungen der Dienstleistung und ihrer Kunden auszurichten.
Benchmarking mit Leistungen von Privatanbietern und Realisierung höherer Kundenzufriedenheitswerte, wie bereits in einigen fortschrittlichen Aufgabenfeldern erfolgreich umgesetzt.
Folgen einer langsamen Digitalisierung
Die Folgen einer solchen Entwicklung sind vielfältig:
Ineffizienz - Digitale Technologien ermöglichen eine größere Reichweite bei geringeren Kosten als traditionelle Bürgeransprachen. Sie also nicht einzusetzen führt zu unnötigen Kosten statt möglichen Einsparungen.
Missverhältnis von Leistungen zu wechselnden Nutzungstrends - Ein Beispiel dafür ist die Einschränkung von Leistungen durch Öffnungszeiten von Behörden.
Kostspielige, unausgereifte digitale Programme, die zusätzliche Kosten verursachen, ohne bestehende Ineffizienz zu beseitigen. Ein Beispiel dafür ist eine Hochglanz-Website mit manueller Datenbearbeitung.
Fazit
Der öffentliche Sektor muss seine Organisation auf die Dienstleistungen und Anforderungen in einer digitalen Welt ausrichten. Digitale Investitionen helfen den öffentlichen Verwaltungen bei immer knapperen Budgets und als Strategie gegen den demografischen Wandel. Sie schaffen die Grundlagen für digitale und effiziente Verwaltungsabläufe und mehr Interaktionen mit Bürgern und Wirtschaft.