Interview mit Volker Dirksen

"Digitalisierung in Verlagen betrifft auch das Rechenzentrum"

11.09.2014 von Stefan Huegel
Digitalisierung ist nicht gleich Software. Volker Dirksen, Leiter der Corporate IT bei Axel Springer, weiß um die Bedeutung eines flexiblen Rechenzentrums für Verlage.
Volker Dirksen leitet die Corporate IT im Hause Axel Springer. Sein besonderes Augenmerk gilt dem Aufbau eines Unified Data Center.
Foto: Axel Springer AG

Mit skalierbaren und modularen Landschaften kennt sich Volker Dirksen aus. 2012 wurde er im IT-Wettbewerb "CIO des Jahres 2012" in der Kategorie Mittelstand prämiert. Geehrt wurde er, damals noch in der Funktion des CIO des Landwirtschaftsverlages Münster, für sein Projekt "Trusted Agility", einer SOA-Applikationslandschaft. Auf dem 2. IT-Gipfel der Verlagsbrancheam 15. September in München bricht Dirksen nun eine Lanze für die Bedeutung flexibler und modularer Rechenzentrumsleistungen auf dem Weg der Verlage in RichtungDigitalisierung.

CIO.de: In der allgemeinen Wahrnehmung wird die Wertschöpfung der Digitalisierung vor allem mit Software in Verbindung gebracht. Für den 2. IT-Gipfel in München haben Sie sich das Thema Unified Data Center ausgesucht. Wieso sollten sich IT-Leiter in Verlagen nicht nur mit Applikationen sondern auch mit dem Rechenzentrum auseinandersetzen?

Volker Dirksen: Im Kontext der Transformation von Verlagen zu digitalen Unternehmen spielt der Auf- und Ausbau von digitalen Geschäftsmodellen eine zentrale Rolle. Eine der großen Herausforderung im klassischen Rechenzentrumsumfeld vieler Verlage liegt in den immensen Rüstzeiten und Remanenzkosten, die für die Entwicklung und den Betrieb digitaler Geschäftsmodelle nicht zielführend sind. Im digitalen Verlagsumfeld geht es darum, neue Produktideen kurzfristig umzusetzen und notfalls auch genau so schnell wieder einzustampfen.

Wie schaut dies konkret im Hause Axel Springer aus?

Volker Dirksen:Axel Springer will der führende digitale Verlag werden und fokussiert sich dabei auf Bezahl-, Rubriken- und Vermarktungsangebote. Tradierte Rechenzentrumsstrukturen sind für uns zu starr und träge. Es geht hier konkret um die Beschleunigung von Entwicklungsprozessen, wie sie in der digitalen Zeitrechnung für Verlage notwendig ist.

Mit welchen Ansätzen holen Sie diese Flexibilität in das Axel Springer Rechenzentrum?

Volker Dirksen: Die auf den ersten Blick einfachste Strategie liegt natürlich im Weg in die Public Cloud. Viele der bestehenden Dienstleistungen sind allerdings nicht für eine Übertragung in die Public Cloud geeignet. Darüber hinaus gibt es Rahmenbedingungen wie Compliance-Anforderungen und Datenschutz, die eine Sourcing-Strategie maßgeblich beeinflussen. Unser Ansatz lautet deshalb 'Unified Data Center'. Gemeinsam mit einem starken Partner will Axel Springer Strukturen im Bereich der Rechenzentrumsleistungen etablieren, die es erlauben, Kapazitäten bei Bedarf auf- und abzubauen - schnell und kosteneffizient und mit definierten Rahmenbedingungen z.B. hinsichtlich Datensicherheit und Compliance.

"Die Remanenzkosten für klassische IT-Infrastrukturen sind immens"

Diese Flexibilität ist in Anbetracht der Vielzahl der Akquisitionen und Verkäufe, die das Haus Axel Springer tätigt, sicherlich auch von Vorteil?

Volker Dirksen: Richtig. Wie wir erst jüngst bei dem Verkauf der Regionalzeitungen sowie der Frauen- und Programmtitel der Axel Springer SE durch die Funke Mediengruppe erfahren mussten, sind die Remanenzkosten für klassische IT-Infrastrukturen immens: die Services verlassen das Rechenzentrum, die Kosten hingegen verbleiben weitestgehend. Auch hier versprechen wir uns von einem Unified Data Center einen stärker atmenden und damit kostenflexibleren Ansatz für die Bereitstellung von Rechenzentrumskapazität.

Was bedeutet dieser zentrale Ansatz für die Konsolidierung der bestehenden Infrastrukturen?

Volker Dirksen: Neben dem Betrieb von internen Rechenzentren in Hamburg und Berlin, bestehen einige Verträge mit unterschiedlichen Rechenzentrumsdienstleistern. Dies hat zu einer heterogenen Landschaft geführt, was die Qualität und das Pricing dieser Services anbetrifft. Und natürlich ließen sich auf diese Art und Weise keine größeren Skaleneffekte heben. Unified Data Center konsolidiert die wichtigen und businesskritischen Dienste innerhalb eines Rechenzentrums, mit definierten Service-Qualitätsstufen und einheitlichen Preismodellen. Bei weitem nicht alle unserer Töchter und Beteiligungen sind in dem Projekt aktiv berücksichtigt, aber mit dem UDC wollen wir einen Bausteinkasten anbieten, der jeder der Axel Springer Units die Möglichkeit gibt, auf für die einzelne Unit wichtige Services zuzugreifen. Für unsere Units kann dies vor allem wirtschaftlich sehr attraktiv sein.

Welche Services beinhaltet dieser Bausteinkasten?

Volker Dirksen: Vom Scope her versuchen wir den Bauchladen so groß und tief wie möglich zu halten. Von Webservices über Commodity Services bis hin zu SAP-Diensten beinhaltet das Rahmenwerk alles, was die einzelnen Units des Hauses Axel Springer potentiell benötigen, um ihre unterschiedlichen Geschäftsmodelle zu betreiben.

Volker Dirksen ist seit 2013 Leiter der Corporate IT der Axel Springer SE. Er verantwortet neben den Bereichen IT-Strategie, IT-Governance und Enterprise-Architektur die Schnittstellen zu den internen Fachbereichen und die Steuerung interner sowie externer Dienstleister. Von 2009 bis 2013 war er als CIO des Landwirtschaftsverlages Münster tätig, wo er sowohl die gesamte IT als auch die Weiterentwicklung der Online-Auftritte verantwortete. Zuvor zeichnete er unter anderem als Manager im CIO Office von Gruner + Jahr und als IT-Managementberater bei Cap Gemini Ernst & Young verantwortlich.

Die Top-CIOs der Medienunternehmen
Sven Rathjen, Spiegel-Verlag
Sven Rathjen ist seit Januar 2016 Leiter der IT des Spiegel-Verlags. Er übernahm die Aufgabe von Jesper Doub. Rathjen kommt von der Dumont Systems GmbH & Co. KG, wo er zuletzt als Geschäftsführer die IT der Dumont Mediengruppe verantwortete.
Patrick Sturm, Sky
Patrick Sturm ist seit Juli 2018 CIO beim Pay-TV-Fernsehsender Sky in Unterföhring bei München. Sein genauer Titel lautet Senior Vice President Information Technology. Sturm kommt aus dem eigenen Haus, zuletzt war er seit Januar 2017 bei Sky Senior Vice President Product Development & Innovation. Vor seiner Zeit bei Sky führte Sturm als Gründungspartner ein technologie- und umsetzungsorientiertes Beratungsunternehmen.
Gerhard Thomas, Burda Verlag
Gerhard Thomas arbeitet seit Januar 2005 als CIO beim Medienkonzern Hubert Burda Media Holding mit Sitz in München. Zugleich ist er Geschäftsführer der Burda Digital Systems GmbH, ein Technologie- und Beratungsdienstleister für die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle und von IT-Lösungen. 2008 gründete er die Valiton GmbH, die Full-Service Agentur für digitale Geschäftsmodelle. Im Januar 2011 übernahm er zusätzlich den Posten des Geschäftsführers bei Burda Direkt Services. Gerhard Thomas blickt auf eine 17-jährige Laufbahn als IT-Berater bei Ploenzke, SerCon und Accenture zurück.
Wolfgang Wagner, WDR
Im April 2013 hat Wolfgang Wagner (53) den Posten des Direktors Produktion und Technik beim Westdeutschen Rundfunk (WDR) übernommen. In dieser Position verantwortet er unter anderem auch den produktionsnahen IT-Bereich des WDR. Dazu gehören allein 200 Mitarbeiter. Insgesamt führt der neue Produktionsdirektor 1800 Mitarbeiter. Der Elektroingenieur mit Fachrichtung Nachrichtensysteme wechselte vom ZDF, wo er den Geschäftsbereichs Informations- und Systemtechnologie in der Produktionsdirektion des ZDF leitete. Zu seinen wichtigsten anstehenden Aufgaben beim WDR gehört das Projekt "tv 20:15", womit die die Vernetzung der digitalen Fernsehproduktion vorangetrieben werden soll. Außerdem will er ein neues Dispositionssystem einführen sowie das Rechenzentrum der Direktion neu strukturieren und konsolidieren.
Pietro Tomasino, Gruner + Jahr
Pietro Tomasino ist seit Januar 2010 der Leiter der Informationstechnologie beim Druck- und Verlagshaus Gruner+Jahr. In dieser Funktion ist Tomasino verantwortlich für die IT-Landschaft des deutschen Geschäftsbereiches. Seine Position kommt damit dem eines klassischen CIOs am nächsten, auch wenn es diese Bezeichnung im Unternehmen Gruner+Jahr nicht gibt. Tomasino ist auch verantwortlich für die Entwicklung und den Betrieb der Redaktionssysteme Print und Online, der Vertriebs- und Anzeigensysteme sowie ERP-Systeme. Außerdem soll die Webentwicklung konsolidieren und neu ausrichten. Daneben steht die Einführung neuer Content Management Systeme zur Unterstützung der digitalen Transformation in den Redaktionen sowie die Modernisierung der Office- und Rechenzentrums-Infrastruktur. Gruner + Jahr hat in insgesamt mehr als 30 Ländern mehr als 11.800 Mitarbeiter.
Reinhard Görtner, RTL II
Reinhard Görtner ist seit 2004 Leiter der Abteilung „IT & Services“ beim Münchener TV-Sender RTL II. Ab Januar 2018 trägt er den Titel CIO. Dazu kommen neue Kompetenzen über die Abteilungen „Application Development“, „Technology Operations“ sowie „Media Asset Support“. Seit 2015 ist Görtner als Leiter IT & Broadcast zusätzlich für die technische Ausstrahlung von RTL II verantwortlich.
Boris Radke, ProSiebenSat.1
Boris Radke ist neuer CIO bei der Sendergruppe ProSiebenSat.1. Radke kam im Juli 2017 vom Online-Modehändler Zalando zum Medienkonzern in Unterföhring (München) und übernahm eine Stabsstelle als Director CFO Projects beim neuen Finanzvorstand Jan Kemper. Davor war er unter anderem Leiter der Unternehmenskommunikation beim Online-Händler Zalando.
Frank Penning, RTL Group
Frank Penning übernimmt als Bereichsleiter den neu geschaffenen CBC-Bereich Technik/IT und wird damit gleichzeitig CIO der Mediengruppe RTL. Vor seinem Wechsel zu CBC (Cologne Broadcasting Center GmbH) führte der Diplom-Informatiker für Burda den Technologiedienstleister Tomorrow Focus Technologies, gründete für Holtzbrinck mehrere Startups, betreute dort das Internet-Beteiligungsportfolio als CTO und war bei ProSiebenSat.1 Media AG für Software-Entwicklung verantwortlich. Als CTO war er in der von ihm mitgegründeten Exaring AG aktiv.
Dennis Gruschka, Zeit Verlagsgruppe
Seit Oktober 2024 verantwortet Dennis Gruschka die IT der Zeit Verlagsgruppe. Er folgt auf Jonas Rohwer.
Marcus Dauck, Ringier
Marcus Dauck ist seit Januar 2014 neuer Chief Information Officer des Züricher Medienkonzerns Ringier AG. Zuvor arbeitete er als CIO bei der Ringier Axel Springer Media AG, ein Joint Venture zwischen Ringier und der Axel Springer AG in Mittel- und Osteuropa mit Sitz in Zürich. Dauck war ab 1988 Mitarbeiter der Axel Springer IT in Hamburg, von 2000 bis 2003 als Management Consultant International Media bei Siemens und von 2003 bis 2011 wiederum bei der Axel Springer AG in mehreren Funktionen tätig: als Bereichsleiter IT Anzeigen- und Marketingsysteme sowie Bereichsleiter IT Zeitungssysteme, Redaktion und Online/Print-Produktion.
Sebastian Hentzschel, BMG
Sebastian Hentzschel ist seit Oktober 2017 neuer CTO des Musikunternehmens BMG mit Sitz in Berlin. Die Stelle wurde neu geschaffen, einen CIO gibt es nicht. Er ist für Global Infrastructure, Application Development und Data Analytics zuständig. Hentzschel war zuvor SVP Group Technology bei BMG.
Johannes Claes, ZDF
Seit November 2013 leitet Johannes Claes den Geschäftsbereich Informations- und Systemtechnologie in der Produktionsdirektion des ZDF. Der 49-jährige hat in den zurückliegenden Jahren den Geschäftsbereich Außenstudios im ZDF geleitet. Der Diplom-Ingenieur Claes arbeitet schon seit 1993 in verschiedenen Funktionen für das ZDF. Von 2007 bis 2009 war er Hauptabteilungsleiter Technik beim deutsch-französischen Sender ARTE G.E.I.E in Straßburg. Bei seiner Rückkehr zum ZDF übernahm er zunächst die Leitung des Geschäftsfeldes Berlin und 2011 zusätzlich die Leitung des Geschäftsbereichs Außenstudios. Auf der Agenda von Claes steht die Weiterentwicklung der IT-Infrastruktur. MINT, die Medien-Integrierende-Netzwerk-Technologie, ist eines der Großprojekte.
Andreas Bossecker, NZZ
Der Verwaltungsrat der NZZ-Mediengruppe hat im Juni 2014 Andreas Bossecker (52) zum Leiter Digital und IT berufen. Außerdem wurde er Mitglied der Unternehmensleitung. Er verfügt über langjährige IT- und digitale Produktentwicklungserfahrung im Verlagswesen – unter anderem als CIO und CTO bei der Verlagsgruppe Handelsblatt, wo er neben den Prozessen auch für alle Online-Aktivitäten zuständig war. Anschließend war er maßgeblich als Geschäftsführer am Aufbau und der Entwicklung der circ IT GmbH beteiligt, eine der großen IT-Serviceeinheiten für Verlage im deutschsprachigen Raum.
Markus Hüßmann, Bauer Media Group
Im Hamburger Medienunternehmen Bauer Media Group ist seit Anfang Juli 2018 Markus Hüßmann Chief Technology and Information Officer (CTIO). Der neue CTIO trat dem Unternehmen 2013 zunächst als COO der Digitalsparte Bauer Xcel Media bei, er war dort für die Entwicklung einer internationalen Digitalstrategie verantwortlich. 2015 übernahm Hüßmann das digitale Publishing-Geschäft in Deutschland.
Annette Bittmann, rbb
Annette Bittmann leitet ab Januar 2019 die neu geschaffene Hauptabteilung "Mediensysteme und IT" beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb). In der rund 160 Mitarbeiter starken Einheit bündelt der Sender alle IT-basierten Betriebs- und Serviceaufgaben des Senders.
Norbert Schmidt-Banasch, dpa
Norbert Schmidt-Banasch ist ab Dezember 2018 CIO der dpa-Gruppe. Die Stelle wurde neu geschaffen. Der studierte Informatiker ist und bleibt Geschäftsführer der Hamburger mecom Medien-Communikations-Gesellschaft mbH (Datenlogistik und technische Dienstleistungen), an der die dpa-Gruppe mit 60 Prozent beteiligt ist.
Matthias Moeller, Bertelsmann
Matthias Moeller, CEO der Bertelsmann-Tochter Arvato Systems, ist ab Januar 2019 zusätzlich zu seinen bisherigen Aufgaben für die Corporate IT von Bertelsmann verantwortlich. Moeller arbeitet seit 1995 bei Bertelsmann. Nachdem er bereits als Geschäftsführer von Arvato Systems Perdata Mitglied der Geschäftsleitung von Arvato Systems gewesen war, hatte er im April 2016 das Amt des CEO von Arvato Systems übernommen.
Jens Kessler, SWMH
Die Südwestdeutschen Medienholding (SWMH) hat Mitte Januar 2019 mit Jens Kessler (47) einen Chief Technology Officer (CTO) eingestellt. Die Position wurde neu geschaffen. Kessler ist von der Universal Music Group aus Santa Monica, USA, zur SWMH nach Stuttgart gewechselt. Dort hat er seit 2012 als Group CIO die digitale Transformation der Universal Music Group umgesetzt.