Über das Zeitalter des Kunden ist schon vieles gesagt worden. Zu Beginn des Jahres 2015 wissen wir, dass wir als Kunden dank Internetplattformen und -diensten differenzierter aus einer breiten Palette an Produkten und Services auswählen können und einen größeren Einfluss auf die Angebots-Gestaltung von Unternehmen haben als je zuvor. Digitale Formen der Kundenkommunikation eröffnen Unternehmen auf der anderen Seite ganz neue Möglichkeiten der Kundenbindung und liefern ihnen überdies riesige Mengen aussagekräftiger Profildaten.
Die Qualität der Kundenbeziehungen hat sich damit durch die digitale Transformation bereits erheblich gewandelt. Doch die Digitalisierungsprozesse sind noch immer in vollem Gange. Täglich entstehen am Markt neue digitale Produkte und Dienstleistungen und innovative Geschäftsmodelle wie der Online-Fahrdienst Vermittler "Uber" revolutionieren ganze Branchen. Wird dies das Kunden-Anbieter-Verhältnis weiter beeinflussen?
Befragt nach den Herausforderungen der Zukunft, streichen CIOs auch im Gespräch mit CIO.de die Bedeutung der Kundenbeziehungen heraus, wie beispielsweise Wolfgang Gaertner von der Deutschen Bank: "Eine der Herausforderungen, die sich der Deutschen Bank stellen ist - wie wahrscheinlich in jedem Unternehmen - das veränderte Kundenverhalten. Was ist angenehm, was ist relevant für Kunden? Kunden haben heute eine deutlich größere Transparenz hinsichtlich des Angebots."
Kundeninteressen als entscheidender Erfolgsgarant
Roland Krieg vom Frankfurter Flughafen nimmt erstmals Flugpassagiere und damit den Endkunden in den Fokus: "In den Bereich, in den wir jetzt als Flughafen hineingehen müssen, sind wir noch Anfänger: Business to Consumer ist eine neue Herausforderung. Wir haben neue Lösungen entwickelt, wo wir Fluggastpassagieren in einer mobilen Lösung abhängig von dem Ort, wo sie sich momentan befinden, Fluggastinformationen, Informationen zum Retail, aber auch Informationen zu Wartezeiten geben können."
Bei der Daimler AG zog der Prozess der Digitalisierung einen grundlegenden Wandel in der Kundenansprache nach sich: "Wir haben verschiedene mobile Lösungen für das Auto entwickelt. Aber während der Implementierung stellte sich uns die Frage, wie identifiziert sich der Fahrer damit? Es stellte sich also sehr schnell die Frage der Personalisierung", erläuter CIO Michael Gorriz. "Als wir auf diesen Punkt gekommen sind, haben wir festgestellt, dass wir in der Ansprache des Kunden tiefgreifende Änderungen vornehmen müssen."
Von einem sich weiter vollziehenden Wandel der Kundenbeziehungen geht auch die Mehrheit der Experten der IKT-Branche in Deutschalnd aus. Aktuell sieht mehr als die Hälfte von ihnen (57 Prozent) die zeitnahe Berücksichtigung von Kundeninteressen zunehmend als entscheidenden Erfolgsgaranten für ihr Unternehmen - Tendenz steigend. Das geht aus einer Studie des Münchner Kreises - eine unabhängige Plattform für Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft - hervor, für die 517 IKT-Experten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft befragt wurden.
Shareholder-Interessen werden hinter Kundeninteressen zurückstehen
Interessant dabei: die Experten stimmen zudem zu 75 Prozent der Aussage zu, dass in ihrem Unternehmen im Jahr 2020 Kundeninteressen wichtiger sein werden als herkömmliche Shareholder-Interessen. Für das Jahr 2025 stimmen sogar 80 Prozent der Befragten dieser These zu - und sie gehen davon aus, dass diese Entwicklung sich auch gesamtwirtschaftlich durchsetzt: Drei Viertel der Befragten (77 Prozent) sind der Ansicht, Shareholder-Interessen werden auf lange Sicht hinter Kundeninteressen zurückstehen.
Damit erwarten die befragten Experten laut Studie eine weitere qualitative Veränderung in den Kundenbeziehungen: "Nachhaltige Kundeninteressen als Orientierungsimpuls von Managementhandeln holen gegenüber kurzfristigen Kapitalmarktinteressen beziehungsweise Shareholderinteressen in ihrer Bedeutung auf", resümieren die Autoren der Zukunftsstudie. Die Digitalisierung erlaube damit nicht nur eine genauere Erfassung der Kundenbedürfnisse, sondern sei gleichzeitig Treiber von Qualitätssicherung und Nachhaltigkeit. Digitalisierung wird also auch künftig darauf abzielen, die Distanz zwischen Kunden und Unternehmen zu verringern.
Eine Entwicklung, die voll auf die Agenda der CIOs für das Jahr 2015 durchschlägt, wie auch Marktforscher Forrester meint. Wie sich diese in der Folge gestaltet, beschreibt Forrester-Analyst Clilff Condon in seinem Blog "How the CMO and CIO will determine the future of business in 2015". Danach muss der CIO als Cheftechnologe seines Unternehmens Garant für die digitale Transformation sein und sollte sich hüten, sein Augenmerk alleine auf den IT-Betrieb zu richten. Damit riskiere er harte Budgetschnitte und die Marginalisierung seiner Position.
Nur die Hälfte der CIOs und CMOs verfolgen gemeinsame Projekte
Business Transformation heißt dabei aus Sicht von Condon nichts anders als Kunden mittels technologischer Innovationen gewinnen, bedienen und halten. Ohne Reaktionsfähigkeit in Echtzeit und agile Cloud-Strukturen geht da gar nichts. Entscheidend sei aber auch eine neue Sicht auf Daten als Informationsquelle, wie sie etwa das Internet of Things liefert. Und nicht zuletzt schreibt Condon den CIOs das Thema Sicherheit weit oben auf die Agenda: Mit einer erwarteten Quote von 60 Prozent an Unternehmen, die im kommenden Jahr mit Datenschutzverletzungen zu tun haben werden, dürften CIOs ihren Blick nicht vom Thema Security lassen - im schlimmsten Fall, warnt Condon, stehen jahrelange Arbeit am Markenwert auf dem Spiel.
Zum Video: Digitalisierung muss distanzlos sein
Wolfgang Gaertner, CIO Retail Deutsche Bank
"Wir probieren neue Methoden der Zusammenarbeit zwischen IT und Fachabteilungen aus"
Zum Video: Digitalisierung muss distanzlos sein
Roland Krieg, CIO Fraport, im Interview:
"Wir haben neue Lösungen entwickelt, um Fluggast-Passagieren mobil Retail-Informationen, aber auch Informationen zu Wartezeiten geben zu können."
Zum Video: Digitalisierung muss distanzlos sein
Michael Gorriz, CIO Daimler AG, im Interview:
"Wir haben festgestellt, dass wir in der Ansprache des Kunden tiefgreifende Änderungen vornehmen müssen"
Interessant an Condons Blogbeitrag ist noch ein Detail, das eigentlich schon längst aus den Schlagzeilen verschwunden ist: das Verhältnis zwischen CIO und CMO. Condon misst ihm zu Beginn des Jahres 2015 neue Bedeutung zu, zuvorderst weil die Rolle des CMO technischer wird. Der CMO kann als Hauptverantwortlicher für Kundenbeziehungen seiner Aufgabe im Zeitalter des Kunden nur gerecht werden, indem er mit innovativen Produkten, Prozessen und Verknüpfungen für mehr Loyalität sorgt. Dafür benötigt er indes die Unterstützung der IT-Leitung. Deutsche Bank CIO Wolfgang Gaertner hätte er jedenfalls voll auf seiner Seite: "Ich denke, wir müssen noch an der Verbindung mit den Kunden arbeiten", beschreibt Gaertner anstehende Aufgaben in der IT. "Das ist ein Bereich, in den wir jetzt viel investieren."
Die gemeinsamen Projekte von CIO und CMO
Forrester-Zahlen zufolge fokussieren allerdings derzeit nur 22 Prozent der CMOs auf das Thema Kundenbindung und nur die Hälfte der CMOs und CIOs verfolgen gemeinsame Projekte – doch gerade diese sind es, die Firmen den entscheidenden Wettbewerbsvorteil verschaffen, mahnt Condon.
Kommentar: Distanzlos dank Digitalisierung von Heiko Henkes, Experton Group |
Disruptive Digitalisierung vormals analoger oder wenig standardisierter Segmente sucht stets nach fundamentalen Veränderungen für eine Zielgruppe. Eine disruptive Veränderung führt also auf neuen Wegen zum eigentlichen Ziel eines Unternehmens, eine Gruppe oder ein Individuum, und optimiert nicht nur einen Teilbereich. Customer Engagement (Center) für maximale Kundennähe Computerifizierung über modernes Change Management und Konzentration auf den Kunden sind unabdingbar, um mittels technologischer Errungenschaften diese permanent wieder gewinnen, bedienen und letztlich halten zu können. Unternehmen sehen sich zunehmend der Herausforderung ausgesetzt, moderne Führungsstile im Kontext von Social Business zu verinnerlichen und genau zu verstehen. Im nächsten Schritt muss eine Prozess-Kollaboration entlang der Supply Chain zum Leben erweckt werden, um Kunden-Kontaktpunkte zu definieren und richtig zu besetzen. Das Kundenbeziehungsmanagement wird daher noch komplexer und dreht sich vom nachgelagerten Prozess wie beispielsweise Produkt-/Service-Feedback zum vorhersehbaren Einsatzszenario von Produkten und Services. Die Kundenbindung funktioniert natürlich auch noch über klassische Mechanismen wie beispielsweise das Image. Allerdings können neue Services auf Basis digitaler sowie standardisierter Plattformen und kostenlosen SKDs vergleichsweise schnell die kritische Masse für den positiven ROI erreichen. Die tiefere Verzahnung in andere Services als „mashup“ beziehungsweise hybrides Cloud-Szenario sind dabei zunehmend von entscheidender Bedeutung, um Kundenanforderungen gerecht zu werden. Echtzeit Economy und die CxOs Manager tendieren nach wie vor dazu, kurzfristige Interessen den langfristigen und strategischen Zielen vorzuziehen. Gründe hierfür liegen zum einen an der damit einhergehenden Komplexität der strategischen Weichenstellung, zum anderen am notwendigen Verabschieden aus der Komfortzone beziehungsweise an ungenügenden Anreizen dafür. Digitalisierung – oder auch InMemory-Technologien – ändern hieran zunächst nicht viel, sondern befeuern diese Manier der Geschäftsführung nur noch, da die Kundendaten immer reichhaltiger, zeitnaher gesammelt und schneller ausgewertet werden können. IT und die Rolle im Business IT ist nunmehr fester Bestandteil heutiger Geschäftsstrategien und BWL-Produktionsfaktor geworden. Dem CMO wächst das Zusammenspiel Tool-basierter 1:1 Kundenansprache, Unternehmenswerte-Vermittlung und Social Media-Einbezug über den Kopf. Auch hier führt die Veränderung dazu, sich eher kurzfristig zu binden und langfristige Strategien und auch Vorteile zu missachten beziehungsweise zu übersehen. Der CIO ist fernab von der notwendigen Synchronisation über Fachabteilungen inklusive dem CMO zur permanenten Anforderungsanalyse und der erbrachten IT-Qualität als Enabler in der Pflicht. Neben diesen Fäden für das Hintergrundrauschen müssen CIOs disruptive Trends auf IT-Seite mit der Geschäftsstrategie in Einklang bringen beziehungsweise Potentiale vor anderen CxOs erkennen und für das eigene Unternehmen zu greifen wissen. Nur so können Wettbewerbsvorteile erhascht und verteidigt werden. Vorbei sind die Zeiten in denen Monopolisten über Dekaden erfolgreich sein können. Neben den Pflichten ist diese strategische Komponente die Kür, die bei weitem nicht alle CIOs zu leisten im Stande sind. Zur Bewältigung dieses Spagats, zu dem auch die Vermittlerrolle zwischen LOB und GF gehört, zählt also die Kombination aus strategischer und operativer Führung. Eine Rolle, die im CIO-Dasein über das sogenannte „Standing“ im Unternehmen entscheidet. Digitalisierung ist also letztlich auch durch viele Facetten, Abstufungen und Brancheneigenheiten zu begreifen, eine Schwarz-Weiß-Betrachtung reicht uns heutzutage nicht mehr. Wer kennt nicht die Vorzüge von analogen Geräten, die vermeintlich sauber auf individuelle Steuerungen reagieren und scheinbar unendlich viele Abstufen zulassen? Was nun aber dank Digitalisierung passiert ist etwas viel größeres. Die Welt ist dank der kostengünstigen Verarbeitung und Speicherung von digitalen Massendaten sowie frischen Geschäftsmodellen erstmals seit der Einführung digitaler Elemente in der Lage, um die ehemals starr und einschränkend wirkende Facette dieser wegbereitenden Gerätegeneration abzuschütteln und ähnlich der Matrix-Vision das Big Picture zu spannen. |