Im Zuge der stärkeren Internationalisierung wuchsen die Ansprüche an Kern Liebers, die Produktion an den weltweit verteilten Standorten nach einheitlich hohen Qualitätsstandards auszurichten, beschreibt CIO Bachmann die Ausgangssituation seines SAP-Projekts. Die steigenden Anforderungen erforderten weltweit einheitliche Fertigungsverfahren, einheitliche Prozesse und infolgedessen auch ein einheitliches IT-System. "Wenn wir Produkte, Maschinen und Prozesse weltweit angleichen, ist es folgerichtig, auch die dahinter liegenden IT-Systeme anzugleichen", sagt der IT-Verantwortliche. "Es ist nur konsequent, den Business-Gedanken weiterzudenken."
Mir dieser Entscheidung hat es sich der bis vor kurzem familiengeführte Betrieb allerdings nicht leicht gemacht. Kern Liebers gleicht Bachmann zufolge strukturell einem Großunternehmen mit Konzernorganisation. "Aber in den Köpfen steckt der Mittelstand mit all seinen positiven Aspekten." Gerade mit den relativ selbständig agierenden verteilten Einheiten habe man flink und flexibel auf Veränderungen reagieren können. Das habe das Unternehmen stark gemacht.
Die Verantwortlichen der im schwäbischen Schramberg beheimateten Firma mussten deshalb die richtige Balance finden. Auf der einen Seite sollten Systeme und Prozesse vereinheitlicht werden, auf der anderen Seite wollte man die organisatorischen Stärken, die Kern Liebers groß gemacht hatten, nicht aufgeben. "Das Geheimrezept war, nicht zu zentralisieren, sondern zu standardisieren", beschreibt Bachmann die Lösung. Systeme und Prozesse, die an einer Stelle im Unternehmen gut funktionieren, werden auch in den anderen Lokationen so eingeführt, ohne diese jedoch in eine völlige Abhängigkeit zu treiben.
Gelungen ist dieser Spagat mit Hilfe eines Templates für das SAP-System sowie einer sensibel auf die Belange der Niederlassungen und Mitarbeiter zugeschnittenen Einführungsmethodik. Das von Kern Liebers entwickelte SAP-Template stellt Bachmann zufolge eine Sammlung vordefinierter Prozesse dar, die sämtliche Abläufe im Unternehmen abdecken. Im Zuge des Rollouts wird zunächst untersucht, welche Prozesse die jeweilige Niederlassung benötigt. Diese werden dann im SAP-System einfach freigeschaltet. Damit ist gewährleistet, dass die Lokationen ein SAP-System bekommen, dass auf ihre Prozesse zugeschnitten ist, sagt der CIO. Zudem ist sichergestellt, dass diese Prozesse unternehmensweit gleich ablaufen.
Für die einzelnen Projekte holt Bachmann alle Beteiligten von Anfang an mit ins Boot. Damit ließen sich von vornherein Bedenken aus der Welt schaffen, die Zentrale wolle ihre Niederlassungen kontrollieren. Im Zuge der Rollouts sei es schnell gelungen, die Verantwortlichen davon zu überzeugen, dass deren Prozesse und das operative Geschäft besser unterstützt würden. Der CIO betont darüber hinaus das Key-User-Konzept, mit dessen Hilfe Know-how an den einzelnen Standorten aufgebaut wird. "Das ist auch notwendig, gerade wegen der Zeitverschiebung", erläutert Bachmann. "Wenn unsere Leute in China warten müssen, bis bei uns in Deutschland jemand im Büro sitzt, dann ist im fernen Osten schon fast wieder Feierabend." Deshalb müsse man die Leute vor Ort qualifizieren, damit sie von vornherein die meisten Probleme selbst auffangen und lösen können. Das funktioniere allerdings nur, wenn die das System akzeptiert werde. Bachmanns Rezept: " Wir wollen Beteiligte haben, keine Betroffenen."
"Die Anpassung des SAP-Systems dauert nur wenige Tage."
Kern Liebers' SAP-Strategie scheint aufzugehen. Der Aufwand im Rahmen der Rollouts ist Bachmann zufolge gering: "Die Anpassung des SAP-Systems dauert nur wenige Tage." Im Vergleich dazu bereite die Übernahme der Altdaten sowie die Schulung der Mitarbeiter mehr Arbeit. Etwas knifflig wurde es allerdings wegen verschiedener rechtlicher und finanzregulatorischer Vorschriften in den weltweit verteilten Standorten, berichtet der CIO. Beispielsweise müssten Firmen in China sehr genau auf ihre Materialflüsse achten. Je nachdem, ob man mit dem importierten Material Produkte für den chinesischen Markt fertigt oder diese wieder ausführt, muss man Zoll zahlen oder auch nicht. "Man hat also zweimal das völlig identische Material, es ist aber kaufmännisch alles andere als identisch." Für Kern Liebers geht es darum, lückenlos nachweisen zu können, was mit den verzollten und den nicht verzollten Waren geschehen ist.
Dabei sollten keine Fehler passieren, warnt Bachmann. "Immer wenn der Staat mitspielt, muss man sehr genau darauf achten, sich an die Regeln zu halten. Die Steuerbehörden kennen keinen Spaß." Diese Herausforderung im Reich der Mitte technisch zu lösen war aus Sicht des CIO weniger das Problem. Schwierig gestaltete sich indes die Suche nach Experten, die den relativ komplizierten steuertechnischen Sachverhalt richtig für die IT übersetzen konnten. Das gelte nicht nur für China. Der Aufwand, das SAP-System an länderspezifische Buchungskreise und Kontenpläne anzupassen, steigt mit der weiter ausgreifenden Internationalisierung.
Mittlerweile hat Kern Liebers darauf reagiert und baut firmenintern mehr Mitarbeiter auf, die sich um diese Angelegenheiten kümmern. Das ist auch notwendig, denn der SAP-Rollout ist noch nicht abgeschlossen. Kern Liebers ist Bachmann zufolge eine sehr dynamische Unternehmensgruppe. "Wenn wir irgendwo fertig sind, macht im nächsten Land schon wieder ein neues Werk auf", berichtet der CIO. "Wir schießen hier auf bewegliche Ziele."