"Ganz so, als ob ich angekommen wäre"

Dirk Roßmann wird 70

01.09.2016
In gut 40 Jahren hat Dirk Roßmann ein Imperium geformt. Was 1972 mit dem ersten "Markt für Drogeriewaren" in Hannover begann, reicht heute mit Tausenden Filialen durch die Republik über Polen bis zur Türkei. Roßmann setzt mit Rossmann Milliarden um. Werte aber sieht er andere.
Dirk Roßmann
Foto: Dirk Rossmann GmbH

Für Dirk Roßmann steht das schönste Geschenk zum 70. Geburtstag schon fest. Noch rechtzeitig zu seinem runden Ehrentag soll der Unternehmer zum dritten Mal Großvater werden. Für den Gründer und Senior-Chef der Drogeriemarktkette Rossmann gibt es dann am 7. September eine Geburtstagsfeier im ganz kleinen Kreis. Details verrät er nur wenige. Er sei nicht zu Hause. "Da habe ich keine Lust, den ganzen Tag ans Telefon zu gehen. Wir sind in einem Hotel, hier in Deutschland. Man kann ja auch so 70 werden", sagt er.

Den Grundstein zu seinem Erfolg legte Roßmann 1972 in Hannover. Zehn Jahre später war seine Kette mit 100 Verkaufsstellen Marktführer in Norddeutschland. Heute gehören zu seinem Reich 3500 Läden, 2000 davon hierzulande, und insgesamt mehr als 47000 Mitarbeiter. Seit gut zehn Jahren läuft das Geschäft höchst solide, auch wenn der Senior-Chef zuletzt öfter einmal über Preiskampf und Margendruck klagte.

"Ich bin nun wirklich niemand, der den ganzen Tag zurückdenkt. Aber in meinem Alter bekommt das Zurückdenken schon eine andere Dimension", sagt er und berichtet von etwas, das er erst vor kurzem träumte. In dem Traum sprangen zwei Mädchen aus 1000 Metern aus einem Flugzeug - aber ohne Fallschirm. "Und ich sah die beiden in der Luft. Aber ich hatte irgendwie die Gewissheit, dass nichts Schlimmes passieren wird. Und so kam es dann auch, die Mädchen landeten ganz weich in einer Art Gummi-Bassin", verrät Roßmann beim Gespräch in seinem Büro, in der Zentrale in Burgwedel bei Hannover.

Der Traum sei sehr wichtig für ihn gewesen. "Uns passiert so viel im Leben. Und wir haben so viel Sorgen. Aber wir dürfen uns davon nicht verrückt machen lassen. Menschen, die mit ihrem Leben zufrieden sind, haben kaum Ängste vor dem Tod. Und Menschen, die sehr unzufrieden sind, bei denen ist das anders", erzählt er. "Denn der Unzufriedene denkt, er ist in seinem Leben zu kurz gekommen. Doch der Zufriedene denkt: War doch alles gut, und irgendwann ist es halt vorbei. Ich gehöre eher zu den Letzteren", sagt Roßmann.

In Magazinen rangiert er bei Vermögensaufstellungen regelmäßig ganz oben als einer der reichsten Deutschen. "Solche Statistiken mögen im Kern stimmen. Aber ich habe diese Milliardensumme ja nicht auf der hohen Kante", sagte er 2014 einmal. Es bestehe ja nur theoretisch die Chance, alles zu verkaufen. "Und damit steht dann so ein Betrag in Rede. Was ich aber ständig habe, ist eine Riesenverantwortung gegenüber meinen Zehntausenden Mitarbeitern", gab er zu bedenken.

Der Unternehmer ist vielen auch aus Talk-Shows bekannt. Dort betont er dann manchmal, dass "die Reichen" ja auch den Löwenanteil unserer Steuern zahlten. Kritiker wie etwa Sahra Wagenknecht von der Linken halten entgegen, dass Reiche ja auch ständig ihr Vermögen mehrten.

Auf jeden Fall darf man Dirk Roßmann unterstellen, ausgesorgt zu haben. Doch Werte sind für ihn ohnehin auch anderer Natur. "Ich habe wunderbare Freunde, eine Familie, die mir ganz viel Liebe gibt - und mir geht es gesundheitlich gut. Aber: Ich bin auch realistisch, nicht naiv. Ich sehe auch, dass Freunde in meinem Alter krank werden oder sterben. Trotzdem fühle ich mich als Mensch derzeit so wohl wie noch nie zuvor in meinem Leben. Ganz so, als ob ich angekommen wäre."

Je älter er werde, desto mehr Möglichkeiten habe er. "Und desto interessanter wird mein Leben", sagt Roßmann. Oben in der Zentrale seines Imperiums, das von A wie Antifaltencreme bis Z wie Zahnpasta reicht, hat er ein helles, von seiner Ehefrau eingerichtetes Büro mit dickem Teppichboden. Es ist sehr gemütlich, erinnert aber eher an Ikea als an das sonst übliche Edelmobiliar von Firmenbossen.

Seine Söhne Raoul und Daniel arbeiten inzwischen an Schlüsselstellen des Konzerns mit, Ehefrau Alice sowieso schon lange. "Ich habe nicht allein die Zügel in der Hand. Mein Sohn Raoul hat auf die Frage, wie es mit mir läuft, einmal gesagt, er hätte es sich schlimmer vorgestellt. Bei uns wird viel gelacht und viel diskutiert", sagt er.

Ob und wann er beruflich kürzer treten will? Dazu will Roßmann nicht viel sagen, betont aber: "Ich mache 1000 verschiedene Sachen. Ich spiele Tennis, gehe Wandern, spiele Schach. Ich lese ganz viel. Bestimmt 30 Bücher im Jahr. Und ich engagiere mich seit 25 Jahren im Vorstand der Stiftung Weltbevölkerung." Die hat er einst mit einem Unternehmer-Freund gegründet. Bei der Jubiläumsveranstaltung genoss er sichtlich den Erfolg der von ihm angestoßenen Einrichtung - und den Applaus, der ihm galt. In Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba hat er sich im Vorjahr selbst ein Bild der Stiftungsprojekte gemacht.

Zu seinem Traum mit den zwei fallenden Mädchen sagt Roßmann noch: "Ich mache mir auch Sorgen, natürlich. Aber ich weiß auch, dass ich das nicht alles alleine ändern kann. Die Familie Roßmann ist nicht der Nabel der Welt. Auch wir sind nur ein Rad im Getriebe." Ob er sich wünsche, dass eines seiner Enkelkinder einmal das Unternehmen fortführe? Dazu sagt der Senior lediglich: "Ich versuche heute, verantwortungsbewusst zu leben. Wie sich die Welt einmal nach mir entwickelt, dafür ist die spätere Generation verantwortlich." (dpa/rs)