NRWs Großprojekt heißt „EPOS.NRW“. Die Abkürzung steht für „Einführung von Produkthaushalten zur outputorientierten Steuerung – Neues Rechnungswesen“ und bedeutet den Wechsel vom bisherigen kameralistischen auf das kaufmännische Rechnungswesen in Nordrhein-Westfalens Verwaltung.
Zum Einsatz kommt ERP-Software von SAP. T-Systems half als Generalunternehmer. Seit diesem Jahr läuft das Projekt in Eigenregie NRWs weiter. Ziel ist die Umstellung der gesamten Landesverwaltung bis 2016. Daran anschließen soll sich die Umstellung des Haushalts auf einen Produkthaushalt sowie die Erstellung von Bilanzen. Die für das Flächenland neue Doppelte Buchführung in Konten, kurz Doppik, welche zudem mit einer Kosten- und Leistungsrechnung verbunden wird, soll für mehr Kostentransparenz sorgen und dadurch sparsameres und insgesamt effizienteres Arbeiten ermöglichen. CIO.de berichtete in dem Artikel „Riesen-Projekt zur Doppik-Einführung startet“.
CIO.de sprach jetzt mit Patrick Opdenhövel, im Finanzministerium Nordrhein-Westfalen der verantwortliche Leiter der Abteilung VI für das Projekt EPOS.NRW, über die Einführung diverser SAP-Softwaremodule als Basis für das neue Rechnungswesen in den unterschiedlichen Verwaltungseinheiten des Landes. Produktiv sind bereits die Justizvollzugsverwaltung und das NRW-Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales (MAIS).
CIO.de: Wie ist der Zwischenstand des Projekts?
Patrick Opdenhövel: Wir haben das Mammutprojekt Epos-Einführung in eine Vorphase und drei weitere Phasen aufgeteilt. In der Vorphase mussten wir umfangreiche Fachkonzepte erarbeiten und die politischen Abstimmungsprozesse instrumentieren. Sie mündete in einer Ausschreibung des Projekts und dann in einem Vertrag mit dem Generalunternehmer. In der dann folgenden Phase eins haben wir 2009 und 2010 den NRW-Landesmaster mit SAP erstellt. Er wurde in der Justizvollzugsverwaltung und dem Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales eingeführt.
CIO.de: Was ist der NRW-Landesmaster?
Opdenhövel: Das ist die Übersetzung des SAP-Systems auf die nordrhein-westfälischen Verhältnisse. Wir setzen die Module der Finanzwirtschaft von SAP ERP und SAP BI ein. Derzeit in Abklärung sind die Logistikmodule MM und SD. In der zweiten Phase, die jetzt läuft, wollen wir den Landesmaster in rund 55 Rollout-Projekten bis 2016 in die Landesverwaltung einführen. Mit der Phase II stecken wir in dem Abschnitt mit der größten Herausforderung: In einer Art Multiprojektmanagement betreuen wir in der Spitze bis zu 25 verschiedene Rollout-Projekte gleichzeitig.
In Phase Drei stellen wir auf einen Produkthaushalt mit Bilanzen und Konzernkonsolidierung um. Vorher werden wir aber zunächst die Phase Zwei auswerten. Dann erst fällt die politische Entscheidung, inwieweit man über die erreichte Verbundrechnung hinaus einen Produkthaushalt etablieren will.
CIO.de: Eine der Besonderheiten ist ja, dass die Aufgaben vom Werkvertragspartner T-Systems auf die eigenen Leute übergehen.
Opdenhövel: Ja, die Phase Zwei stemmen wir seit Jahresanfang 2011 mit Bordmitteln. Wir haben noch eine minimale externe Unterstützung, aber den gesamten Rollout-Prozess leisten wir jetzt mit eigenen Leuten. Durch einen umfassenden Know-how-Transfer haben wir uns darauf vorbereitet.
Landeseigenes Competence Center übernimmt Aufgaben von T-Systems
Wir haben inzwischen das landeseigene Competence Center aufgebaut, so dass wir uns dafür gut gerüstet sehen. Der Know-how-Transfer hat gut funktioniert, unsere Mitarbeiter sind fit für die Projekte. Seit dem 1. Juli laufen bei den Oberfinanzdirektionen Rheinland und Münster sowie vier ausgewählten Finanzämtern sechs Pilotprojekte in der Steuerverwaltung. Wir treiben parallel die Vorarbeiten mit IT.NRW und dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz sowie zwei wissenschaftlichen Instituten voran.
CIO.de: Wie zufrieden sind Sie mit dem Stand der Dinge?
Opdenhövel: Wir können wirklich sehr zufrieden sein. Es gibt immer etwas, was auch mal schwierig ist. Wenn ich aber unter Phase Eins einen Strich ziehe, dann war sie ein Erfolg. Die Zusammenarbeit mit unserem Generalunternehmer hat gut funktioniert. Wir haben ein laufendes, SAP-zertifiziertes Competence Center, eine landeseinheitliche Kasse und auch der Rechenzentrumsbetrieb ist sichergestellt. Bei solchen Großprojekten ist es ja nicht selten, dass größere Schwierigkeiten vorkommen. Bei uns sind sie glücklicherweise ausgeblieben. Wir liegen sowohl zeitlich als auch vom Budget her im Plan, und die Qualität stimmt auch.
CIO.de: Was würden Sie den anderen Bundesländern raten, worauf sie achtgeben sollten?
Opdenhövel: Was würden wir anders machen, wenn wir die Möglichkeit dazu hätten? Wir haben im Übergang von Phase Eins zu Phase Zwei ein paar Probleme gehabt, die Rollout-Planung, also auch unsere eigene Kapazitätsplanung, mit den Kapazitäts- und Terminplanungen der Ressorts abzustimmen, während die ersten Rollout-Projekte schon liefen.
Die Mitarbeiter sind hochmotiviert und gehen mit Schwung an die Sachen heran. Da ist es dann schon ärgerlich, wenn im Alltagsbetrieb Dinge nicht so funktionieren, wie man es sich wünscht. Wir sind als Projekt permanent gewachsen und müssen nun feststellen, dass wir eine Größe erreicht haben, die es notwendig macht, die Organisations- und Steuerungsstrukturen der Anfangszeit den aktuellen Verhältnissen anzupassen. Da müssen wir - das liegt in der Natur des Projekts - immer wieder hinschauen und auch nacharbeiten.
Im Kern aber gilt: Man sollte alle Anforderungen von Beginn an festlegen. Dazu braucht man Zeit. Man sollte sich einen Vorlauf gönnen und auch eine entsprechende Abstimmung und Dokumentation. Erst dann kann man relativ aufwandsarm ein Vergabeverfahren durchführen. Man sollte viel Wert auf eine gute Projektplanung und das Berichtswesen legen. Wir haben komplizierte Abstimmungshierarchien zu vermeiden versucht. Wir haben Integrationsmeetings durchgeführt, damit alle in die gleiche Richtung ziehen. Und wir haben für eine gute Arbeitsinfrastruktur gesorgt.
CIO.de: Gab es Kommunikationsprobleme mit T-Systems?
Kommunikation und Kompromisse für ein faires Verhältnis mit dem IT-Dienstleister
Opdenhövel: Wir haben uns gut verstanden, es gab einen fairen Umgang miteinander, was nicht heißt, dass keine Meinungsverschiedenheiten aufgetaucht sind. Wir haben unsere Interessen, T-Systems hat ihre. Am Ende hat es sich bewährt, dass wir eine fortlaufende Kommunikation gepflegt haben. Wir haben immer sehr frühzeitig damit angefangen, nach Lösungen zu suchen. Wir haben uns immer auf Kompromisse geeinigt, mit denen beide Seiten gut leben können. Es war ein professionell-partnerschaftliches Verhältnis.
CIO.de: Können Sie das jetzt mit den eigenen Kräften weitermachen?
Opdenhövel: Ja, das können wir gut tun. Und im Zweifelsfall haben wir die Unterstützung von T-Systems im Rücken. Es ist nicht so, dass wir jetzt gar keine externe Unterstützung mehr in unseren Teams haben. Unsere Philosophie war aber von Anfang an: Wir bilden unsere eigenen Leute so weit aus, dass sie in der Lage sind, das Projekt von sich aus zu tragen. Diesem Anspruch werden die Kolleginnen und Kollegen gerecht. Aus unserer Sicht hat sich unser Vorgehen sehr bewährt. Wir arbeiten uns Schritt für Schritt voran, das ist auch ein Teil unseres Erfolgs.
CIO.de: Sind denn jetzt schon Vorteile der Umstellung zu sehen?
Opdenhövel: Es gibt eine Reihe von Zielsetzungen. Wir sind aber noch nicht soweit, dass wir über präzise Auswertungen verfügen. Eine solche Erwartung wäre angesichts der Projektentwicklung auch noch deutlich zu früh. Wir versprechen uns aber insgesamt eine Modernisierung und dass die neue Software auch neue Ideen befördert. Dass wir Benchmarkingmöglichkeiten nutzen, dass wir über ein effektives Berichtswesen auch ein effektives Controlling hinbekommen. Natürlich versprechen wir uns von einer Zentralisierung im Hinblick auf eine zentrale doppische Kasse und eine Vereinheitlichung der Systeme auch Synergieeffekte und eine bessere Steuerung der Verwaltung.
Was jetzt eingeführt wird, ist ein Instrument, das in die Entscheidungslandschaft weit mehr Transparenz als die Kameralistik bringt. Am Ende steht aber immer der politische Entscheider, der dieses Instrument nutzen muss, damit auch die entsprechende Wirkung eintritt.
EPOS.NRW kann Entscheidungen nicht ersetzen, kann aber dabei helfen, sie vorzubereiten. EPOS.NRW kann – anders als die Kameralistik – Verläufe und Folgewirkungen sichtbar machen. Die Herausforderungen für die Politik werden durch die Transparenz größer werden, weil die Konsequenzen der Entscheidungen deutlicher werden.
Wunsch: Phase Zwei im Jahr 2016 in time and budget abschließen
CIO.de: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Opdenhövel: Dass das Projekt bis zur Vollendung so motivierte Mitarbeiter hat, wie es jetzt der Fall ist. Das ist eines der größten Gewichte, die wir einbringen können. Und natürlich, dass wir die Phase Zwei des Projekts im Jahr 2016 termingerecht und im Kostenrahmen abschließen können, um den Weg für Phase Drei – die mögliche Einführung des Produkthaushalts – frei zu machen.