Die Technologie von NFC gibt es seit etwa 10 Jahren. Von einem großen Durchbruch war bisher noch nichts zu spüren. Das liegt weniger an NFC selbst, sondern an den widerstreitenden Interessen und Gruppen, die ein grundsätzliches Interesse an einer Alternative zu den weit verbreiteten und akzeptierten Kreditkarten haben. Banken und Telefongesellschaften würden gerne in das Geschäft mit dem Bezahlen per NFC-Smartphone einsteigen, konnten sich aber bisher nicht auf eine gemeinsame Initiative einigen.
Der Handel hält sich zurück, müsste er doch seine Läden und Filialen mit neuen kontaktlosen Ladegeräten ausstatten – womöglich gleich mit mehreren, je nach Anbietergruppe. Und die Kunden lieben zwar ihre Smartphones über alles, kommen aber auch ganz gut mit echtem Geld und ihren Kreditkarten aus.
Visa scheint jetzt vorzupreschen. Als eine der weltweit größten Kreditkartengesellschaften gilt es, das angestammte Karten-Terrain gegen Angriffe von neuen Konkurrenten zu schützen. Wie macht man das am besten? Indem man sich an die Spitze der Bewegung setzt.
Beginn im Frühjahr 2013
Beziehungsweise erst einmal ein oder mehrere Pilotprojekte startet. In Deutschland soll eines im Frühjahr 2013 bei der Douglas-Gruppe beginnen. In allen deutschen Filialen soll dann das "kontaktlose und mobile Bezahlen mit Visa" eingeführt werden: "Nach einem Testlauf im Dezember 2012 startet nun die Umrüstung der Terminals auf die neue Kontaktlos-Technologie."
Die Kunden werden in Zukunft mit ihrer kontaktlosen Visakarte oder mit einem NFC-fähigen Smartphone an allen 3500 Terminals von Douglas bezahlen können. Dies soll auch für das kontaktlose Bezahlen mit "V PAY" gelten. Die Umstellung umfasst sämtliche Geschäfte der Douglas-Gruppe, also Douglas-Parfümerien, Thalia-Buchhandlungen, Christ-Juweliergeschäfte, AppelrathCüpper-Modehäuser und Hussel-Confiserien.
Bezahlen mit NFC ist schnell - wenn alle mitmachen
Ottmar Bloching, Geschäftsführer von Visa Europe in Deutschland, betont: "Mit einer Transaktionsgeschwindigkeit von weniger als einer Sekunde ist das kontaktlose Bezahlen die schnellste Bezahlmöglichkeit und trägt vor allem im Einzelhandel zu einem bequemeren Kauferlebnis für Händler und Kunden bei." Allerdings wird es entscheidend sein, ob die Kunden bei dem neuen Verfahren tatsächlich auf breiter Front mitmachen. Bei Visa zeigt man sich optimistisch. Und wird wohl auch einiges Geld in die Hand nehmen, um per Marketing-Kampagnen auf die Vorteile von Bezahlen mit NFC-Kreditkarte oder NFC-Handy hinzuweisen.
Ein deutlicher Vorteil besteht zum Beispiel darin, dass Kunden kontaktlos mit Karte oder mit dem Smartphone bis zu einem Betrag von 25 Euro ohne PIN-Eingabe oder Unterschrift bezahlen können. Damit entfällt laut Visa die umständliche und zeitraubende Suche nach Kleingeld – eine Methode, die zum Beispiel für Kreditkarten in den USA schon seit langem zum Alltag gehört. Fragt sich nur, warum man das nicht schon bisher für "normale" Kreditkarten in Deutschland eingeführt hat.
Bis 25 Euro ohne PIN zahlen
Für Zahlungen über 25 Euro bestätigt der Karteninhaber laut Visa wie bisher die Transaktion durch Eingabe der PIN oder mit Unterschrift. In beiden Fällen hält er die Karte oder das Smartphone einfach kurz an das Terminal. Der dadurch erzielte Zeitgewinn mag für den einzelnen nicht besonders groß sein, summiert sich aber für die Händler.
Die Zahlungsanweisungen bei der NFC-Lösung von Visa werden auf Basis des EMV-Standards (Europay International, MasterCard und Visa) "zwischen einer kontaktlosen Visa-Chipkarte und einem Kartenterminal mit Kontaktlosfunktion ausgetauscht". Visa geht davon aus, dass diese Technologie gleichermaßen für Kreditkarten und für mobiles Bezahlen mit Smartphones eingesetzt werden kann. Für Karteninhaber und Händler wäre das ein Vorteil: Sie müssten nicht mit unterschiedlichen Systemen operieren – eines für die klassische Karte und eines für Handys.
Während in Europa insgesamt bisher etwa 50 Millionen kontaktlose Visakarten für über 540.000 Kontaktlos-Terminals ausgegeben wurden, sind es in Deutschland erst knapp 500.000. Die Zahl der beteiligten Banken ist noch relativ bescheiden: BW-Bank, comdirect, DKB, Landesbank Berlin, Targobank, Volkswagen Bank und Postbank. Bis Ende 2013 sollen rund zwei Millionen kontaktlose Karten im deutschen Markt vorhanden sein. Visa hat bisher keine anderen beteiligten Retailer außer der Douglas-Gruppe benannt.
NFC bleibt auch weiterhin Zukunftsmusik
Wie groß ist der Fortschritt gegenüber den bisherigen Zahlungsmethoden? Unterschreiben oder PIN-Nummer eingeben muss man bei der Visa-Lösung noch immer. Wer gedacht hatte, "modernes" Bezahlen geht ohne diesen Zwischenschritt in puncto Sicherheit, dürfte falsch liegen. Einfach Smartphone an ein Terminal hinhalten und raus aus dem Geschäft – das bleibt Zukunftsmusik.