Die Anwender von Unix-Servern müssen sich auf ein ungewohntes Marktumfeld in den kommenden Jahren einstellen. „Der Unix-Markt wird sich relativ schnell und drastisch verändern“, prophezeit Analyst Andreas Zilch von Experton. „Von den Anwendern werden kurzfristig strategische Entscheidungen gefordert, die mittelfristig konsequent umgesetzt werden müssen.“
Hintergrund dieser Entwicklung ist, dass das seit Jahren bestehende Anbieter-Oligopol schrumpft und sich die Kräfte auf dem Markt verschieben. Ein verantwortlicher Faktor für die Störung des Gleichgewichts ist unter anderem die Übernahme von Sun durch Oracle, das in diesem Geschäftsfeld nach Experton-Einschätzung kaum noch Ambitionen hat. IBM entwickelt sich vor diesem Hintergrund vom bloßen Mitspieler zu einem beherrschenden Akteur, der außer HP kaum noch Konkurrenten hat.
Perdu scheinen jedenfalls die Zeiten des alten Gleichgewichts mit den drei Betriebssystemen AIX, HP/UX und Solaris sowie fünf Anbietern im Service-Bereich: IBM, HP, Sun, Fujitsu und Bull. Die Marktführerschaft nach Technologie und Umsatz wechselte hin und her, was laut Experton beste Folgen für die Anwender hatte: ein gesundes Maß an Wettbewerb und Auswahl mit positiven Auswirkungen auf die Kosten.
IBM bekommt starke Stellung
Dieser Zustand ist bereits vorbei – und dürfte es bleiben. IBM sei lange Zeit die dritte Kraft im Markt gewesen, habe aber über die vergangenen Quartale beständig an Marktanteilen zugelegt, so Experton. Mittlerweile liegen diese bei über 50 Prozent, wie Experton unter Berufung auf IDC-Angaben berichtet. „Die technologische Roadmap ist für die Power-Entwicklung auch in Zukunft sehr solide“, meint Analyst Zilch.
An ernsthaften Wettbewerbern im Unix-Markt verbleiben auf Sicht wohl nur HP und der solide, aber kleine Nischenanbieter Bull. Fujitsu sei in Deutschland durchaus ein beachtenswerter Solaris-Anbieter gewesen, konstatiert Experton. Der japanische Konzern habe sich aber schon vor einiger Zeit weitgehend aus diesem Geschäft zurückgezogen.
Die Sun-Übernahme habe zwar deutliche Potenziale für den Server-Bereich gehabt. Diese seien aber von Oracle offenbar für nicht attraktiv genug befunden worden. „Mittlerweile ist eine starke Erosion bei Kunden, Partnern und Mitarbeitern zu beobachten, welche sich potenziell in der nächsten Zeit noch beschleunigen wird“, so Zilch.
Konkurrenz mit x86-Systemen
Demgegenüber schien HP vor einiger Zeit an Boden zu verlieren, um letztlich stark zurückzukommen. Im Bereich der geschäftskritischen Systeme sei HP wegen einer verzögerten Entwicklung des im vergangenen Jahr vorgestellten Itanium-Prozessors Tukwila (gemeinsam mit Intel) technologisch ins Hintertreffen geraten, so Experton. Zudem herrschte Druck angesichts der mittelfristig zu erwartenden Überlegenheit der Konkurrenz. Auf diese Herausforderungen hat HP nach Experton-Einschätzung mit seiner Matrix-Architektur eine „beachtenswerte Antwort“ gefunden.
Der Haken dabei: Die Vorteile zeigten sich fast nur in einer homogenen HP-Infrastruktur in vollem Umfang. Dennoch: Die Architektur werde von den Kunden bislang gut angenommen, so Experton. Zudem mache die Ankündigung von „Poulson“, dem Itanium-Prozessor der kommenden Generation, Hoffnung auf eine Einhaltung der langfristigen Roadmap von HP und Intel.
Das Szenarium für die Zukunft
Weil Bull nach Einschätzung Zilchs bestens in der selbst gewählten Power/AIX-Nische lebt, ergeben sich klare Szenarien für die Anwender: Für Fujitsu-Kunden geht es nur noch um Migrationsalternativen, für Oracle-Kunden mittelfristig ebenso. Zwar verdiene der Software-Gigant allein mit der bereits installierten Basis noch gutes Geld. Unix-Kunden benötigten aber spätestens für den kommenden Investitionszyklus eine Ausstiegs- und Migrationsstrategie, so Zilch: „Oracle/Sun könnte höchstens durch sehr fokussierte und nachhaltige Investitionen mit einer soliden Roadmap oder einer eher exotischen Plattform-Entscheidung ‚zurück ins Spiel’ kommen. Beides ist aus heutiger Sicht unwahrscheinlich.
IBM wird demgegenüber nach Experton-Prognose Marktführer bleiben und vor allem auch bei Performance getriebenen Unix-Entscheidungen an Boden gewinnen. Wettbewerber seien künftig weniger klassische Unix-Anbieter als vielmehr x86-basierte Systeme, gegenüber denen IBM mit Workload-Vorteilen punkten müsse. Aus dem klassischen Quintett vergangener Tage bleibe nur HP als Herausforderer, der dank seiner Stärke im x86-Server-Umfeld über eine gute Basis für leistungsfähige hybride und virtualisierte Architekturen verfüge.
Nur HP bleibt als Herausforderer übrig
Experton nimmt an, dass IBM nicht unbedingt Interesse an einem Unix-Duopol hat. Die daraus resultierende Aussicht auf eine Öffnung für einen plattformübergreifenden Workload-Vergleich sollte Anwendern Mut machen. Statt technologischer Glaubenskriege führen zu müssen, könnten sie sich künftig auf harte Fakten und Gesamtkostenvergleiche über den ganzen Lebenszyklus stützen, meint Experton.