Ohne die Akzeptanz der Partner läuft nichts

E-Invoicing kommt langsam, aber sicher

16.10.2006
Trotz einer hochgradigen Automatisierung arbeitet die Mehrheit der Unternehmen mit technisch überholten Verfahren im Rechnungsversand. Der Grund: Die Umstellung vom papierbasierten zum elektronischen Rechnungsversand setzt die Überzeugung und technische Anbindung aller Partner mit voraus.

Die deutschen Unternehmen stellen jährlich rund 6 Milliarden Rechnungen aus, davon 98 Prozent noch in Papierform. Darin liegt ein enormes Potenzial für Kosteneinsparungen, denn der Postweg verursacht Kosten für Druck, Kuvertierung und Porto und schafft einen prozessineffizienten Medienbruch. In der Masse der Einzelvorgänge bringt die Durchlaufzeit über mehrere Poststellen zum Empfänger sogar einen Zinseffekt mit Auswirkungen auf den Cashflow. Brücksicht man lediglich die Personal- und IT-Kosten sowie die Anzahl der produzierten Rechnungen, ergibt sich ein Kostenblock von 4 Euro pro Beleg, so eine interne Berechnung von Reinhard Lorenz, Leiter der Kreditorenbuchhaltung bei Audi in Ingolstadt. Die Alternative: Ein elektronischer Rechnungsversand im PDF-Format oder EDI-Rechnungen sind schneller, ebenso rechtsverbindlich, aber weniger fehlerbehaftet als Dokumente in Papierform.

Beim Übergang zum elektronischen Rechnungsversand ist jedes Unternehmen auf die Akzeptanz der Partner angewiesen. Doch dies kann ein langer Weg werden: „Es wird immer eine Restmenge an Unternehmen geben, die sich mit dem Internet oder EDI nicht anfreunden können“, sagt Oliver van der Linden, Vertriebsleiter beim IT-Dienstleister Crossgate in Starnberg. Ralph Korf, Steuerrechts-Experte bei PricewaterhouseCoopers in München, empfiehlt daher, über ein Sponsoring dieser Partner nachzudenken. Trotz angemessener Incentive-Ausgaben könnte sich noch immer Spareffekt im eigenen Unternehmen ergeben. Diese Praxis ist in einzelnen Branchen bereits Realität, wo jede elektronische Transaktion mit einigen Cent honoriert wird.

Der finanzielle Anreiz hat einen guten Grund, denn der elektronische Dokumentenversand verschafft vor allem dem Absender Vorteile. So überlässt man es dem Empfänger, das Dokument in Papierform zu bringen und mit einem Medienbruch weiter zu bearbeiten. Im B2B-Sektor gehen einzelne Auftraggeber sogar dazu über, nicht mehr die Rechnung eines Lieferanten abzuwarten, sondern auf elektronischem Weg eine Gutschrift anzukündigen.

Überraschend kurze Umstellungszeit

Neben der Akzeptanz der Partner ist auch deren technische Infrastruktur ein Knackpunkt. So erweist sich der elektronische Kanal alles andere als homogen, bedingt durch unterschiedliche Protokolle, Portale und Übertragungswege. Um eine Überlappung mehrerer elektronischer Prozesse zu vermeiden, liegt die größte Herausforderung in einem Standardmodel zum elektronischen Informationsaustausch. Kein Wunder also, dass sich die Einzelbranchen beim Übergang zum elektronischen Rechnungsversand recht unterschiedlich präsentieren. Als Vorreiter gelten die Biobranche oder die Getränkeindustrie mit ihrem B2B-Portal „getport“, das den Herstellern und Getränkefachgroßhändlern zu einem einzigen Ansprechpartner für alle elektronischen Prozesse verhilft.

„Jedes Unternehmen kann binnen weniger Wochen seinen kompletten Rechnungsversand elektronisch abwickeln und so von den immensen Kostenersparnissen profitieren“, schätzt Stefan Tittel, Managing Director von crossgate. Was Reinhard Lorenz von der Audi AG bestätigt: „Innerhalb von acht Wochen konnten wir rund 800 Partner einbinden, deren Zahl inzwischen auf über 1.000 stieg.“ Auch in anderen Branchen muss ein maßgeblicher Branchen-Player den Anfang machen und seine Partner zum E-Invoicing bringen. Bis dahin aber wird die Mehrzahl der Unternehmen weiter mit ihren Dokumenten auf Papier leben – und kräftig dafür zahlen.

Bernhard Schoon, Fachjournalist in München.