Digitale Kommunikation ist Segen und Fluch zugleich - Anitra Eggler hat das am eigenen Leib erfahren. Fast 15 Jahre war sie als Managerin in einer Internet-Agentur und einem Online-Medienhaus selbst dem E-Mail-Wahnsinn verfallen. "Ich war der größte Informationsjunkie, den man sich vorstellen kann."
Produktiv war das Ganze indes nicht. "Ich habe mich überkommuniziert, aber auch uninformiert gefühlt", berichtet die 39-Jährige. Zunehmend sei es ihr schwerer gefallen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden und die eigenen Aufgaben klug zu priorisieren. "E-Mails wollen meist etwas, sie erledigen selten die eigene Arbeit."
E-Mails bis zum Burnout
Zu spüren bekam das vor allem Egglers Arbeitsumfeld. "Ich war die Postpest im Mail-Eingang meiner Mitarbeiter", räumt sie freimütig ein. Durch die Dauerkommunikation habe sie viel Druck auf ihre Kollegen ausgeübt - bis sich bei diesen die ersten Burnout-Symptome zeigten. Ihre Thesen, E-Mail mache dumm, krank und arm, belegt die Kommunikationsexpertin so:
Fakt 1: E-Mails machen dumm.
Eggler verweist auf eine Studie des britischen King`s College, wonach unter Cannabis-Einfluss stehende Menschen in IQ-Tests besser abschnitten als Menschen, die durch E-Mail-Multitasking abgelenkt waren.
Fakt 2: E-Mails machen krank
Informationsflut und Arbeitsunterbrechungen sorgen dafür, dass Menschen unkonzentriert sind und an Produktivität verlieren. Wird daraus ein Dauerzustand, spricht Edward Hallowell, Arzt an der Harvard Medical School, von einem "Attention Deficit Trait" (ADT). Die Folgen: Krankhafter Konzentrationsverlust, ausgelöst durch zwanghafte Ablenkungslust.
Fakt 3: E-Mails machen arm
Lassen sich Mitarbeiter ablenken, kostet das die Firmen viel Geld. Eine Stunde pro Tag bedeute aufs Jahr gesehen in einer mittleren Gehaltsklasse einen Verlust von 25.000 Euro. Bei 100 Mitarbeitern summiert sich das auf stattliche 2,5 Millionen Euro.
Gegen diese Schäden sollte aus Sicht Egglers jedes Unternehmen etwas tun. Im Informationszeitalter seien Firmen dafür verantwortlich, "sich um den E-Müll zu kümmern, der produziert und konsumiert wird". Die E-Mail abzuschaffen und auf neue Collaboration-Tools aus dem Social Web zu setzen, davon hält Eggler jedoch nichts. Die E-Mail sei an sich ein vorzügliches Kommunikationsinstrument, das sicher auch noch in den nächsten zehn Jahren eine wichtige Rolle spielen werde. Schließlich sei die Technik nicht für das Kommunikationsfehlverhalten der Benutzer verantwortlich. "Unsere Kommunikation wird nicht besser dadurch, dass wir das Medium abschaffen und uns einem anderen Softwaregott willfährig und unkritisch hingeben. So ersetzt Teufelskreis eins lediglich Teufelskreis zwei." Eggler empfiehlt, Kommunikationsregeln zu entwickeln und die Mitarbeiter davon zu überzeugen, diese auch zu leben. (Computerwoche)