Mit 720 Büchersupermärkten ist Barnes & Noble in allen 50 amerikanischen Staaten und wichtigen Städten vertreten. Dazu kommen noch 600 traditionelle Buchläden. Gegründet 1971, hat diese Kette sicher zum Tod vieler kleiner Buchläden beigetragen. Viele andere Ketten wie Dalton, Scribner’s und Doubleday wurden aufgekauft.
Andererseits hat Barnes & Noble im Laufe der Jahre mit seinen großen Geschäften eine neue Form der Lesekultur entwickelt: Die Geschäfte erinnern mit ihren Buchregalen und der großen Auswahl – nicht nur gängiger Literatur oder Bestsellern – eher an Bibliotheken. Regelmäßig finden Lesungen mit Autoren statt.
Ein Café und ausreichend Plätze zum Sitzen locken viel Publikum zum Lesen an. Ein Kaufzwang besteht nicht, die Geschäfte erinnern oft eher an öffentliche Lesesäle. Ein Muss für Touristen in New York sollte eigentliche der mehrstöckige Buchladen am Unions Square sein. Deutsche Buchhandelsketten wie Hugendubel oder Thalia wirken dagegen wie ein müder Abklatsch, FNAC in Frankreich und Waterstones in Großbritannien kommen dagegen recht nah an das große Vorbild heran.
Nun ist es mit der Herrlichkeit vielleicht bald vorbei. Barnes & Noble steht zum Verkauf, weil sich Print-Ausgaben von Büchern immer schlechter verkaufen. In starkem Wachstum begriffen sind dagegen elektronische Bücher, die man sich entweder gegen vergleichsweise geringe Kosten – im Moment oft Kampfpreise – oder umsonst aus dem Internet herunterladen kann.
Ein Besuch im Laden ist nicht einmal mehr zum Anschauen erforderlich, da es auch Online-Leseproben gibt. Und traditionelle Papierausgaben gehen eben auch nicht mehr so oft über den Ladentisch, sondern werden von Amazon oder Spezialanbietern wie play.com kostenlos versandt.
Barnes & Noble hat die Gefahr eigentlich schon vor Jahren erkannt und ist mit einem eigenen Lesegerät für elektronische Bücher, dem "Nook", auf den Markt getreten. Doch die Konkurrenz ist groß: Neben dem "Kindle" von Amazon gibt es auch noch das iPad von Apple.
Für den Nook, der Googles Android als Plattform verwendet, musste viel investiert werden, zumal man keine Technologiefirma wie die Konkurrenten ist. Der Markteintritt erfolgte dennoch vielleicht zu spät. Darüber hinaus hat man sich selbst kannibalisiert, denn der Verkauf von eBooks und eReadern richtet sich ja auch gegen das bisherige Ladengeschäft mit "echten" Büchern.
Ein exemplarischer Fall für den Handel mit Büchern
In der Aktiengesellschaft Barnes & Noble hält die Gründerfamilie Riggio noch 31 Prozent, etwa 18 Prozent sind bereits an den persönlichen Freund von Bill Clinton, den kalifornischen Milliardär Ronald Burkle gegangen. Burkle besitzt unter anderem den Eishockeyclub "Pittsburgh Pinguins" und die Lebensmittelkette "Whole Foods", die mit ihrem Angebot an Bio-Produkten den amerikanischen Retailhandel im Food-Bereich aufgemischt hat und bereits nach Großbritannien expandierte.
Burkle strebt eine Mehrheit von mindestens 37 Prozent am Aktienkapital an, mit dem erklärten Ziel, einen Großteil der Läden zu verkaufen oder zu schließen und das Geschäft insgesamt auf den Absatz von digitalen Büchern zu konzentrieren.
Nachdem sich eine "Poison Pill" (Giftpille), mit der die Riggio-Familie eine Übernahme durch Burkle mittels Begrenzung der zu erwerbenden Aktienpakete zu verhindern suchte, als wirkungslos erwiesen hatte, ging man Anfang August in die Offensive und bot das gesamte Unternehmen zum Verkauf an. Hintergedanke ist offenbar, mittels einer Investorengruppe die Kontrolle zu behalten oder das Unternehmen zu privatisieren.
Wie auch immer der Streit ausgeht, die Folgen für das Retailgeschäft mit Büchern werden einschneidend sein. Eine weitere Ausrichtung auf den Absatz digitaler Leseprodukte ist zu erwarten. Und andere Retailer werden wohl dem Vorbild der weltweit größten Buchhandelskette folgen.
Barnes & Noble verkauft jetzt Spielzeug
Zunehmen werden auch die Lockangebote in den Buchläden selbst: Bei Barnes & Noble gibt es schon jetzt immer mehr Spielzeug für Kinder, und der jüngst eröffnete Laden in Manhattan reserviert etwa nur noch die Hälfte der Verkaufsfläche für Bücher, während man in der anderen Hälfte eine Cafeteria, ein Restaurant, Papierwaren aller Art, Spielzeug für Kinder und Erwachsene, elektronische Gadgets und Luxusuhren finden kann.
Irgendwie erinnert das an das Gemischtwarenangebot von Amazon im Internet: Da sind Bücher auch nur noch ein kleiner Teil neben allem möglichen, von Fernsehern bis Drogerieartikel und Lebensmittel. Und irgendwann wird die schöne neue digitale Welt auch den deutschen Buchhandel erreicht haben.