Bernd Hilfers hat jede Menge Geld gespart. Der IT-Chef der Supermarktkette Edeka in Nordrhein-Westfalen hat für seine 750 Geschäftskunden Microsoft Office Professional angeschafft - allerdings nicht die neueste Version. Vom Listenpreis beim Hersteller IBM ausgegangen habe er 66 Prozent gespart, sagt der Handels-IT-Mann. 92 000 Euro hat Hilfers für die 750 Lizenzen ausgegeben - ein gutes Geschäft für den 60-jährigen Mann, der schon als 13-Jähriger bei Edeka die Regale gefüllt hat und die Tricks der Händler kennt.
Der Markt für gebrauchte Softwarelizenzen ist jung und entsprechend umkämpft. Dirk Lynen vom Aachener Spezialisten Secondsoft hatte noch als Student vor neuneinhalb Jahren damit begonnen. Heute schreibt er mit seiner Drei-Mann-Firma etwa zwei Millionen Euro Umsatz. Er teilt sich das Geschäft unter anderem mit der ebenfalls in Aachen ansässigen Firma Susensoftware, dessen Geschäftsführer Axel Susen zunächst über den Online-Verkaufskanal Ebay mit dem Softwarehandel anfing und sich inzwischen auf Microsoft und SAP spezialisiert hat. Edeka-Mann Hilfers hat das Geschäft mit Usedsoft abgeschlossen, einem Münchener Unternehmen, das Ende 2003 in das Geschäft mit Second-Hand-Software einstieg.
Usedsoft macht sich das Geschäft einfach: Mit Herstellern der "weichen Ware" setzt sich Geschäftsführer Peter Schneider, der sich seit zehn Jahren als "Software-Broker" betätigt, erst gar nicht an einen Tisch. Stattdessen verlässt er sich auf das für den Handel von gebrauchten Lizenzen maßgebliche Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 6. Juli 2000 - dem Geburtstag von juristisch abgesicherten Second-Hand-Software-Geschäften in Deutschland. Darin heißt es im Leitsatz: "Ein Softwarehersteller, der eine Programmversion in Verkehr gebracht hat, kann einem Händler, mit dem er keine Vertragsbeziehungen unterhält, nicht vorschreiben, so genannte OEM (Original Equipment Manufacturer)-Software ausschließlich zusammen mit neuen PCs zu verkaufen."
SAP, Oracle, Navision und Autodesc mauern
Kläger Microsoft, damals mit Staranwälten aus den USA angereist, musste die Niederlage gegen den Autokonzern BMW anerkennen. Seitdem ist es für Unternehmen hierzulande juristisch unverfänglich, gebrauchte Software zu erwerben und einzusetzen - zum Ärger von Herstellern wie SAP, Oracle, Navision und Autodesk. Usedsoft-Mann Schneider geht dem Konflikt mit ihnen aus dem Weg und besiegelt den Vertragsabschluss mit seinen Kunden direkt über einen Notar.
Secondsoft-Chef Lynen verhandelt wie Susen direkt mit dem Hersteller. Er hat sich inzwischen vom Geschäft mit SAP, Oracle und Autodesk weitgehend verabschiedet und konzentriert sich auf Betriebssysteme und auf die Serverpalette von Novell und Microsoft - SQL 7, NT-Server, Windows 2000: "Produkte, die der Handel nicht mehr hat", so Lynen, der stolz darauf ist, dass Microsoft ihn inzwischen sogar hier und da vermittelt. Er habe die "gnadenmäßigen Ausnahmegenehmigungen" einiger Hersteller satt, so Lynen.
Axel Fischer ist das Geschäft mit Gebraucht-Software noch zu unsicher. Der Lizenzmanager der Bayer Business Services verantwortet im Konzern sämtliche Lizenzen, die mehr als eine Bayer-Gesellschaft nutzen. "Software ist nicht wie eine Tasse, die ich kaufen und nach Belieben nutzen kann", sagt Fischer, "da hängen sehr unterschiedliche Nutzungsbedingungen dran, die sich selbst bei gleichen Softwareherstellern je nach Produkt und Kaufdatum erheblich unterscheiden können." Fischer selbst hat die Übertragung von Lizenzen bei der Abspaltung der Chemiesparte im Konzern kennen gelernt: Übertragbar waren Nutzungsrechte, nicht die ursprünglich geltenden Nutzungsbedingungen. Viele der übertragenen Lizenzen wurden nicht nur mit neuen Wartungskosten, sondern auch mit anderen Nutzungsbedingungen versehen, mit denen der Käufer wenig anfangen kann - etwa der Beschränkung auf den Einsatz der Software auf Firmen bestimmter Beteiligungsgrade, Länder oder Einsatzzwecke. Vergleichbar sei dies mit dem Kauf eines Fahrzeugs, in dem der neue Besitzer nur Familienmitglieder mitnehmen oder nur auf Bundesstraßen fahren dürfe.
Übertragbare Rechte und Bedingungen nötig
Fischers Forderung an den Softwarehersteller lautet: den Lizenzvertrag mit übertragbaren verbindlichen Lizenzrechten und -bedingungen verknüpfen. Das wesentliche Geschäft für Fischer in Bezug auf gebrauchte Programme derzeit: "Ungenutzte Software wieder auf den Markt bringen" - und damit als Anbieter gegenüber Susen, Lynen und Schneider auftreten.
Wer gebrauchte SAP-Lizenzen kaufen will, muss damit rechnen, dass er Wartungskosten für die Zeit nachzahlen muss, in der die Software brachlag - ein Szenario, das gerade für Unternehmen, die in Insolvenz gegangen sind, nicht unüblich ist. SAP und auch Navision sehen sich derzeit rechtlich auf der sicheren Seite, wenn sie ihre Kunden auffordern, die Wartung für diese Zeit rückwirkend zu zahlen. Susensoftware-Chef Susen bekommt dies zu spüren: "Ich bekomme ein Softwarepaket, das einmal 500 000 Euro gekostet hat, nicht mal für 10 000 Euro verkauft." Als der Händler kürzlich mit SAP und dem Kunden über ein Softwarepaket verhandelte, offerierte SAP dem Gebrauchsoftware-Spezialisten das Angebot, die Software zurückzukaufen. "Und SAP übernahm die Regie", so Susen.
Kopplung zwischen Wartung und Software
Der CIO der Handelsgruppe Dohle aus Siegburg, Reinhard Schütte, sieht hier den Knackpunkt in der Diskussion und fragt: "Ist die Kopplung zwischen Software und Wartung rechtlich okay?" Zumindest juristisch fragwürdig sei sie, denn schließlich sei man mit dem Kauf eines Gebrauchtwagens auch nicht verpflichtet, für die Monate, in denen der Wagen stillgelegt wurde, Inspektionskosten nachzubezahlen. Schütte setzt bereits Gebrauchtsoftware-Standards von Microsoft wie das Projektmanagement-Tool Projekt, Visio und das Mail-Programm Outlook Exchange ein. Bei der gerade bevorstehenden Implementierung von SAP setzt er jedoch auf ein Neuprodukt, denn in Sachen betriebswirtschaftliche ERP-Software "werden Unternehmen Probleme bekommen, wenn die Hersteller das nicht so toll finden". Sein täglicher Spagat beim Softwarekauf: "Ich kaufe die günstigere Software und möchte einen guten Kontakt zu den Softwareherstellern."
Die kennen ihre Macht - und versuchen sie weiter auszubauen. Microsoft unterscheidet seine Produkte neuerdings in zwei Gattungen - non-OSB und OSB. Software mit OSB-Aufschrift (OEM-System-Builder) kostet ein Viertel weniger als non-OSB-Software. Diese Software darf jedoch nur mit neuer Hardware genutzt werden, womit das BGH-Urteil ausgehebelt ist. Die Verwirrungs- und Störtaktik funktioniert. "Seit 2001 bleibt der Umsatz auf dem Niveau von zwei Millionen Euro", sagt Secondsoft-Mann Lynen.
Für den Edeka-Regional-IT-Chef Hilfers ist das MS-Office-Paket erst der Anfang. Als einziger unter den sieben landesweit aktiven Großhandelsunternehmen ist das NRW-Unternehmen dezentral aufgestellt. "Wir haben in unseren Entscheidungen große Freiheit", so Hilfers, der das Thema jetzt in der Zentrale ansprechen will - mit der Perspektive, dass die Hamburger auf Hilfers Solo-Lösung aufmerksam werden.