Zeugnisse zu schreiben, ist für Personalreferenten und Führungskräfte keine besonders befriedigende Arbeit. Ein ausscheidender Arbeitnehmer ist Vergangenheit und für das Unternehmen ist die Zukunft wichtiger. Da macht es sich der Personalreferent oft einfach, nimmt schnell das Zeugnis des letzten Abgängers vor, tauscht an den entscheidenden Stellen mal eben die Codes aus - aus "zu unserer vollsten Zufriedenheit" wird beim etwas schwächeren Mitarbeiter "zu unserer vollen Zufriedenheit" - und fertig ist es.
Noch einfacher geht es mit Hilfe einer einschlägigen Software, die es im Internet sogar kostenlos zum Download gibt: Damit kann man in fünf Minuten ein Zeugnis erstellen: Persönliche Daten eintragen, Bewertungsbereich auswählen, Schulnote von 1-6 vergeben und in ein Textverarbeitungsprogramm exportieren, fertig. Die Arbeitszeugnisse, die so entstehen, sind nicht nur literarisch bescheiden, sondern oft auch fehlerhaft.
Eine andere Lösung sind externe Dienstleister wie Jennifer Herbert, die sich mit ihrem Personalsupport-Rheinmain 2004 selbständig gemacht hat und bis zu 15 Mitarbeiter beschäftigt. Sie ist nur eine von verschiedenen Anbietern in diesem relativ jungen Gewerbe. Andere Anbieter sind etwa DieVision oder Zeugnisfabrik.
Ein Zeugnis von einem Menschen, den man gar nicht kennt? Für den Arbeitsmarktexperten Stefan Sell von der Fachhochschule Koblenz ist das eine "Zuspitzung von Dumping" und für den Ver.Di-Sprecher Jan Jurczyk eine "Riesensauerei" - wie das ZDF-Magazin "Frontal 21" berichtete. Dass ein "Fremder" die Leistung von ausscheidenden Mitarbeiter beurteilt, erscheint aber nur bei oberflächlicher Betrachtung skandalös. Erst recht, wenn man bedenkt, dass der externe Zeugnis-Autor ja nicht wirklich das Urteil fällt, sondern es nur in passende Worte fasst. Der festangestellte Personalreferent würde nichts anderes tun.
"Wir schreiben Zeugnisse, aber beurteilen die Mitarbeiter nicht", stellt Herbert klar. Das tun immer die Vorgesetzte des betreffenden Mitarbeiters, die Personalgespräche führen oder einen Beurteilungsbogen ausfüllen. Darin werden die Tätigkeiten aufgelistet und Fachwissen, Arbeitsweise, Motivation, Verhalten mit Noten oder schriftlich bewertet. "Wir übersetzen diesen Bogen quasi in eine Sprache, die man als Zeugnissprache kennt", sagt Herbert.
Zeugnisse sollten individuell sein
Literarische Meisterwerke müssen Arbeitszeugnisse nicht sein. Auch professionelle Zeugnisschreiber gießen die Bewertungen der Vorgesetzten in die zumindest in Deutschland geläufigen Personaler-Codes und Floskeln -"stets einwandfrei" und "zu unserem großen Bedauern". Die betroffenen Mitarbeiter selbst erwarten das, weil sie wissen, dass Personaler diese Codes erwarten. Aber diese allein genügen nicht.
Im Gegensatz zu genervten Personalreferenten, für die neue Mitarbeiter viel interessanter sind als die ausscheidenden, nimmt sich Herbert, wie sie sagt, genug Zeit für "ein gutes, sprachlich schönes und aussagekräftiges Zeugnis". Wichtig ist für den Empfänger eines Arbeitszeugnisses die Individualität. Denn den Personalern, die täglich Zeugnisse von Bewerbern durchsehen, fällt immer auf, wenn diese nur aus Sprechblasen und vorgestanzten Elementen bestehen. Schließlich haben sie selbst oft solche Zeugnisse fabriziert. Ein Zeugnis wie jedes andere ist immer ein schlechtes.
Die Empörung von Ver.di über die Fremdheit der externen Zeugnis-Autoren sei unbegründet, sagt Herbert. "Wir haben oft direkten Kontakt zu den Mitarbeitern. Die wissen, dass wir externe Berater sind, und sie sehen, dass wir uns große Mühe mit ihrem Zeugnis geben." Aufträge von Unternehmen an externe Zeugnis-Schreiber müssen außerdem vom Betriebsrat abgesegnet werden. Sie habe noch nie erlebt, dass ein betroffener Mitarbeiter grundsätzlich kein Zeugnis von einem externen Dienstleister wolle, sagt Herbert. Im Gegenteil.
Denn schlecht geschriebene, womöglich fehlerhafte Zeugnisse aus der Hand eines gestressten Personalreferenten sind oft Anlass von aufwendigen Rechtsstreitereien zwischen früheren Arbeitnehmern und Unternehmen. Auch in solchen Fällen bieten sich Dienstleister wie Herbert an. "Öfters schon wurden wir von Arbeitsanwälten eingeschaltet, um einen Kompromissvorschlag zu erstellen, wenn sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber über ein Zeugnis nicht einig waren."
Auch die im Frontal-21-Beitrag behauptete unkontrollierte Verwendung von vertraulichen Personalakten, sei zumindest bei ihren Vertragspartnern kein Thema, sagt Herbert. "Einblick in Personalakten haben wir nur vor Ort im Unternehmen". Wer ihre Kunden sind, sagt Herbert ebenso wenig, wie andere externe Zeugnis-Dienstleister, obwohl einige gar nichts dagegen hätten.
(Quelle: Wirtschaftswoche)