Ein ereignisreiches Rentenjahr 2020 kündigt sich an. Neue Gesetze sollen eine bessere Absicherung für Millionen Menschen bringen. Auf ein sattes Rentenplus dürfen sich die Senioren zur Jahresmitte freuen. Und Weichenstellungen für die immer mehr unter Druck kommende Rente soll es geben.
Zum Jahreswechsel steht die gesetzliche Rentenversicherung wegen der guten Beschäftigungslage ausgesprochen stabil da - mit einem Überschuss von mehr als 2 Milliarden Euro zum Ende des Haushaltsjahres 2019. Wenn es politisch nicht anders gewollt gewesen wäre, könnte sogar der Beitragssatz 2020 von 18,6 auf 18,3 Prozent gesenkt werden. Zunächst überwiegen die positiven Nachrichten: Die rosige Finanzlage kommt den rund 21 Millionen Rentnern zugute.
Rentenerhöhung
Zum 1. Juli 2020 dürften die Renten in Westdeutschland um 3,15 Prozent und in Ostdeutschland um 3,92 Prozent steigen - also beispielsweise um satte 31,50 Euro bei einer Monatsrente von 1000 Euro aus West-Beiträgen. Genau weiß man es aber erst im Frühjahr, es könnte auch etwas weniger sein. Rund 51 000 Rentnerinnen und Rentner müssen dann erstmals Steuern zahlen. Fällig wird die Steuer, wenn die Gesamteinkünfte eines Rentners über dem Grundfreibetrag (2020: 9408 Euro) liegen. Fast jede vierte Rente wird steuerpflichtig sein.
Grundrente
Zum Jahresauftakt soll das derzeit größte rentenpolitische Projekt der Regierung auf den Weg kommen. Erwartet wird, dass Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) den Koalitionskompromiss zur Grundrente in Gesetzesform gießt. 1,2 bis 1,5 Millionen Rentner mit kleinen Bezügen sollen einen Aufschlag bekommen, wenn sie 35 Jahre Beitragszeiten vorweisen können. Bisherige Kostenschätzungen lassen darauf schließen, dass der Aufschlag bei durchschnittlich etwas mehr als 80 Euro pro Monat liegen könnte. Offen ist noch, wie die geplante Einkommensprüfung gemeistert werden soll. Der volle Rentenaufschlag soll fließen, wenn das Monatseinkommen bei Alleinlebenden nicht über 1250, bei Paaren über 1950 Euro liegt. Völlig neu aufgebaut werden muss wohl eine elektronische Übermittlung der nötigen Daten zum Einkommen von den Finanzbehörden an die Rentenversicherung.
Selbstständige
Heute werden Freiberufler im Alter oft zum Sozialfall. Egal ob Betreiber kleiner Läden, Kurierfahrer oder Verfasser von Produktbeschreibungen im Homeoffice - kommt wenig herein, kann man auch wenig vorsorgen. Insgesamt sind von den rund vier Millionen Selbstständigen etwa drei Millionen nicht abgesichert. Heil will sie verpflichten, in die Rentenkasse einzuzahlen oder anders vorzusorgen. Viele Fragen sind noch offen: Welche Alternativen werden zugelassen auf dem Feld der Versorgungswerke und Privat-Renten? Wen genau soll die Versicherungspflicht betreffen? Verdi-Chef Frank Werneke warnt: "Nur zukünftige Selbstständige oder Neugründungen einzubeziehen, würde die Versorgungsdefizite bei vielen Selbstständigen mit kleinen Einkommen nicht beheben." Er plädiert dafür, alle einzubeziehen, dabei aber eine Altersgrenze zu ziehen. Denn: "Ältere Selbstständige hätten ja überwiegend keine Chance mehr, auch Anwartschaften aufzubauen." Und: Zahlen sollten auch die Auftraggeber der Selbstständigen.
Weitere Entwicklungen
Das alles sind vergleichsweise kleine Probleme. Wenn die heute Mittfünfziger bis Mittsechziger in Rente gehen, reißen sie große Lücken in die Rentenkasse. Ihre Generation selbst ist im Schnitt eher kinderarm, ihre Renten sind wegen ihrer hohen Produktivität oft hoch - ebenso die Lebenserwartung und somit die Dauer des Rentenbezugs. Nach offiziellen Prognosen ist bis 2035 mit einer schrittweisen Erhöhung des Beitragssatzes auf 22,3 Prozent zu rechnen. Das Rentenniveau, das das Verhältnis der Rente zum Lohn zeigt, dürfte bis dahin von derzeit 48,2 auf 44,1 Prozent sinken. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer sagt: "Wenn immer weniger junge Menschen für immer mehr Ältere in die Rentenversicherung einzahlen, dann ist das wichtigste, die arbeitende Bevölkerung auf hohem Niveau zu halten, auch durch Fachkräfteeinwanderung."
Reformperspektiven
Bis März soll die unabhängige Rentenkommission der Regierung Vorschläge machen. Für DGB-Chef Reiner Hoffmann ist jetzt die zentrale Frage: "Gelingt es der Rentenkommission, ein wirklich belastbares Konzept für die nächsten Jahrzehnte vorzulegen?" Kramer sieht längeres Arbeiten mittelfristig als angebracht an: "Wenn wir länger leben und dabei auch gesund sind, wird man wahrscheinlich irgendwann darüber nachdenken müssen, ob wir in Relation zum Gesamtleben nicht auch länger arbeiten müssen." Die Gewerkschaften lehnen das ab. "Wir haben immer noch viel zu viele Menschen, die nicht gesund bis zum Renteneintrittsalter durchs Erwerbsleben gehen können, sondern mit 55, 57 oder 60 berufsunfähig und ausgelaugt sind", sagt Hoffmann. Andere Möglichkeiten, die Rentenkasse zu stabilisieren: Weitere Steuermilliarden - aber 2020 fließen schon mehr als 100 Milliarden Euro für die Rentenversicherung. Oder höhere Beiträge? Oder mehr private Vorsorge? Zuletzt hat die CDU auf ihrem Parteitag in Leipzig beschlossen, dass künftig "möglichst jeder Arbeitnehmer betrieblich und privat vorsorgen" können soll. (dpa/ad)