Alle Welt redet von Cloud Computing. Doch häufig reden die Beteiligten aneinander vorbei. Geläufige Definitionen reichen bei der Bandbreite der verschiedenen Ausprägungen dessen, was unter Cloud Computing verstanden wird, nicht aus. Forrester Research hat daher eine weiter gehende Taxonomie für Cloud Computing eingeführt, die auch klassische Bereiche wie ASP (Application Service Provider) und BPO (Business Process Management) berücksichtigt und in das richtige Verhältnis zu Cloud Computing setzt.
Darüber hinaus sieht Forrester ein wesentliches Potenzial von Cloud Computing in der Zukunft für kollaborative Prozesse zwischen Geschäftspartnern, welches weit über Kosteneinsparungen durch die gemeinsame Nutzung von IT-Ressourcen hinausgehen kann.
Die Wirtschaftssituation begünstigt Cloud Computing
Zwar ist Cloud Computing im Verhältnis zum klassischen IT noch ein kleiner Markt, aber die Wachstumszahlen attestieren dem neuen Geschäftsmodell ein großes Interesse. Eine Umfrage von Forrester Research im Juni dieses Jahres unter 3.500 Unternehmen zeigt, dass 36 Prozent der Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern Cloud Computing entweder bereits nutzt, oder eine Implementierung in 2009 ernsthaft in Erwägung zieht:
Woher kommt der Auftrieb für das neue Geschäftsmodell? Drei IT-Megatrends unserer Zeit begünstigen die Adaption von Cloud Computing:
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1. Die Transformation von Informations-Technologie zu Business-Technologie stellt Geschäftsanforderungen und -Entscheidungen heute in den Vordergrund der IT-Unternehmensstrategie;
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2. die IT-Industrialisierung treibt die Massennutzung von Technologien voran;
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3. der Technologie-Populismus erzeugt die Erwartungs-haltung Informations-Technologie immer und überall zur Verfügung zu haben.
In der momentanen Wirtschaftslage ist darüber hinaus ein IT-Geschäftsmodell, welches initiale IT-Anschaffungskosten eliminiert und über einen längeren Zeitraum als Betriebskosten ausweist, natürlich sehr attraktiv.
Cloud Computing hat viele Facetten
Forrester’s Definition von Cloud Computing ist kurz und präzise und der Definition des NIST (National Institut for Standards and Technology) angelehnt: ‚A standardized IT capability (services, software, or infrastructure) delivered via Internet technologies in a pay-per-use, self-service way’.
Doch neben dieser "reinen"’ Cloud Computing Definition, dessen Markt auch als Public Cloud bezeichnet wird, gibt es eine ganze Reihe von IT-Dienstleistungen die der reinen Definition zwar nicht entsprechen, aber einige ihrer Merkmale aufweisen und oft im weiteren Sinne als Cloud Computing interpretiert werden.
Forrester nennt diesen Markt den "‚erweiterten"‘ Cloud Computing Markt, zu dem einerseits die Private Cloud gehört, also die gemeinsame Nutzung von IT-Ressourcen innerhalb eines Unternehmens durch Virtualisierungs-Technologien in einem "Shared Service"‘.
Andererseits zählt auch die Virtual Private Cloud dazu, also die Nutzung von IT-Ressourcen über einen Dienstleister, soweit dieser die Leistung flexibel nach der Nutzung abrechnet.
Somit unterteilt sich der Cloud Computing Markt in drei Teile:
Die Public Cloud sowie der erweiterte Cloud-Computing-Markt der Virtual Private Cloud und Private Cloud.
Um die Taxonomie von Cloud Computing zu komplettieren, muss man darüber hinaus nach den IT-Ressourcen differenzieren, die als Dienstleistung angeboten werden. Üblicherweise werden hierbei Infrastruktur, Platform Software und Applikations-Software aufgeführt. Dabei spricht man im Markt der Public Cloud von IaaS (Infrastructure-as-a-Service), PaaS (Platform-as-a-Service) und SaaS (Software-as-a-Service).
Forrester erweitert die Liste dieser drei "klassischen" IT-Ressourcen um eine Weitere: der Geschäftsprozess als IT-Ressource, die sowohl in der Private Cloud unternehmens-intern von einem Shared Service verwaltet wird, also auch in der Virtual Private Cloud von BPO Dienstleistern Volumen basiert nach Nutzung angeboten und abgerechnet wird. Geschäftsprozesse in der Public Cloud anzubieten, nennt Forrester BPaaS (Business-Process-as-a-Service). Solche Angebote existieren heute praktisch zwar noch nicht, bieten in Zukunft aber ein interessantes Feld für IT-Dienstleistungsunternehmen.
Die komplette Taxonomie für Cloud Computing, so wie sie von Forrester definiert wird, lässt sich somit in zwei Dimensionen darstellen – dem Grad der gemeinsamen Nutzung der IT Ressourcen (Level of Sharing) von Private Cloud, über Virtual Private Cloud bis Public Cloud und der IT Ressource selber, von Infrastruktur, über Plattform, Software bis hin zum Geschäfts-prozess (siehe Grafik 2).
Die Zukunft von Cloud Computing liegt in der Kollaboration von Geschäftsprozessen
Heute wird der Nutzen von Cloud Computing in erster Linie in der Kosteneinsparung durch die gemeinsame Nutzung von IT Ressourcen gesehen. Darüber hinaus bietet Cloud Computing jedoch ein ganz anderes Potenzial: Wenn Unternehmen Ressourcen gemeinsam nutzen, können sie dies auch für Ihre direkten gemeinsamen Geschäftsprozesse tun.
Wenn heute zwei Unternehmen z.B. SaaS-Dienstleistungen vom gleichen Anbieter nutzen, dann laufen die Geschäftsprozesse zwischen den Unternehmen trotzdem so ab, als ob beide Unternehmen ein klassisches inhouse IT betreiben würden. Beide Unternehmen nutzen zwar dieselben IT-Ressourcen, sie kollaborieren mit ihren Geschäftsprozessen jedoch in keiner Weise. Das ist so, als ob man im selben Boot sitzen und in verschiedene Richtungen rudern würde.
Unternehmen, die dieselben IT-Ressourcen nutzen, haben das Potenzial auf die gleichen Informationen zuzugreifen (z.B. Produktionsplanung, Produktverfügbarkeit, Lieferungen, Abrechnungen und vieles mehr) und dadurch die Notwendigkeit eines nachträglichen Datenabgleichs, der der Wirtschaft heutzutage viele Millionen Euro kostet, komplett zu eliminieren: "‚One Single Version of the Truth‘ lautet hier das Schlagwort.
Und wenn man schon dabei ist auf einem gemeinsamen Datensatz zu kollaborieren, so kann man das auch für den IT Geschäftsprozess selbst in erwägen. Warum separate Einkaufs- und Verkaufsverträge, Wareneingänge und Warenausgänge verbuchen wenn man das in einem gemeinsamen IT-Umfeld auch in einem einzigen Schritt tun kann?
Kollaborative IT-Umgebungen
Die Idee kollaborativer IT-Umgebungen ist nicht neu. In Zeiten des Internet-Hype haben Internet-Marktplätze eine ähnliche Rolle in der Vision eines allumfassenden IT-Netzwerks ge-spielt. Die meisten dieser Marktplätze sind verschwunden, doch einige wenige halten sich und verzeichnen ein solides Geschäft. Was ist also neu oder anders in den Zeiten von Cloud Computing? Zum einen ist die Technik für kollaborative Systeme in den vergangenen acht Jahren weit fortgeschritten. Zum anderen ist die Akzeptanz, IT aus dem Unternehmen auszulagern, deutlich gestiegen.
Natürlich ist dies kein Garant, dass die Idee unternehmensübergreifender, ja industrie-weiter, kollaborativer IT Systeme diese Mal zum fliegen kommt, aber es ist ein Potenzial, das uns Cloud Computing eröffnet.
Forrester erarbeitet zurzeit ein Szenarien Modell für die Zukunft von Cloud Computing. Wird Cloud Computing in den nächsten Jahren an überzogenen Erwartungen, Sicherheits-bedenken und enttäuschtem Nutzen wie eine Seifenblase platzen? Oder wird es sich als Geschäftsmodell etablieren und langfristig eine Sättigung erfahren? Oder wird die Idee der kollaborativen Nutzung von Cloud Computing eine kritische Masse überwinden und unsere IT-Welt weiter revolutionieren?
Holger Kisker ist Analyst bei Forrester Research.