"Jugend hackt"

Ein Wochenende für eine App

09.09.2013
Mehrere Tage lang haben mehr als 60 Jugendliche in Berlin programmiert, gebastelt und wenig geschlafen. "Jugend hackt" heißt die Veranstaltung, die zum ersten Mal stattfand. Was dabei herauskam, kann sich sehen lassen.

Übermüdet wirken Daniel, Niklas und Finn nicht. Dabei haben die drei Jugendlichen in der Nacht zuvor bis um kurz vor fünf Uhr an ihrer App gebastelt. Das Programm zeigt "Stolpersteine" in der Nähe an, jene goldfarbenen Plaketten auf Gehwegen, die an von den Nazis verschleppte und ermordete Menschen erinnern. Wer mehrere davon abläuft, kann Punkte sammeln, erklären die drei Jugendlichen in einem Jugendzentrum im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Etwa 100 Menschen hören ihnen zu, mehr als 60 von ihnen haben wie Daniel, Niklas und Finn das Wochenende damit verbracht, Codeschnipsel in ihre Computer einzutippen.

"Jugend hackt" heißt die Veranstaltung, zu der die Jugendlichen aus mehreren Bundesländern angereist kamen. Teilnehmer zwischen 12 und 18 Jahren sollten an einem Wochenende eigene Apps programmieren und dabei öffentlich zugängliche Datensätze verwenden. Sie haben im Jugendzentrum übernachtet und von morgens bis abends getüftelt.

Die Ersten seien schon um sechs Uhr dagewesen und hätten sich die Programmiersprache Python beigebracht, sagt Martin Koll von der Open Knowledge Foundation, einer der Organisatoren. Die Stimmung sei wie im Ferienlager gewesen. Die Jugendlichen seien "unglaublich wissbegierig", bestätigt einer der zwei Dutzend Mentoren, die den Teenagern beim Programmieren zur Seite standen.

Das Wissen der Teilnehmer überraschte sogar die Organisatoren. Die Stolperstein-App etwa programmierten die Jugendlichen praktisch ohne Aufsicht, weil keiner der Mentoren Experte für Smartphone-Apps war. "Ich bin total begeistert von den Kids", sagt Mitorganisator Daniel Dietrich. Mit so viel Motivation und Fachkenntnissen hatte er nicht gerechnet. Innerhalb weniger Stunden hätten sie in Gruppen Ideen ausgearbeitet und sich ans Werk gemacht.

Routiniert erklären die Teilnehmer ihre Programmierschritte. "Wir mussten die Geodaten in Adressen umwandeln, was sehr viel Arbeit war", sagt der 15-jährige Daniel und hört sich dabei wie ein professioneller Programmierer an. Während der Abschlusspräsentation nennen die Jugendlichen ein halbes Dutzend Programmiersprachen, in denen sie ihre Codes geschrieben haben.

Die Projekte widmen sich Fragen des Alltags: Was ziehe ich heute an? Wo gibt es in einer fremden Stadt einen Brunnen mit Trinkwasser? Welche Orte können behinderte Menschen problemlos erreichen? Großen Applaus erntet ein Team, das mit Hilfe von Kabeln und Alufolie zwei Bananen in Joysticks verwandelt hat, mit denen sie ein Computerspiel steuern können.

Die Jugendlichen selbst freuen sich über das Treffen mit Gleichgesinnten. "Wir waren schon erstaunt, dass es so viele Leute mit unserem Interessensgebiet gibt", sagt der 17-jährige Niklas. Zusammen etwas zu entwickeln, sei toll gewesen, sagt ein anderer Teilnehmer. Die 17-jährige Paula aus Berlin pflichtet ihm bei: Es habe Spaß gemacht, "weil es total viele Leute gibt, die etwas wissen, das man selbst noch nicht weiß". Sie habe viel gelernt, sagt Paula, eine von elf weiblichen Teilnehmerinnen.

In anderen Ländern gibt es solche Programmierveranstaltungen speziell für Jugendliche schon länger. Organisiert werden sie von Gruppen wie "Young Rewired State", die auch die Veranstaltung in Berlin mit geplant haben. Für das Berliner Treffen, das unter anderem von SAP, Google und der Stiftung hinter der Online-Enzyklopädie Wikipedia unterstützt wurde, gab es gut 80 Anmeldungen. Einige Interessenten mussten die Organisatoren aus Platzgründen abweisen. Sie hoffen nun, dass sie die Veranstaltung im kommenden Jahr wiederholen können. (dpa/rs)