Behörden fehlt der Kontakt zum Bürger im Netz", stellt York von Heimburg, Vorstand der IDG Communications Media AG, die die Sonderstudie „E-Government-Monitor 2010" unterstützt hat, in seinem Geleitwort fest (auch "CIO Magazin" und "Computerwoche" erscheinen bei IDG). Dies sei im Licht der vielfältigen Bemühungen zahlreicher öffentlicher Einrichtungen und Behörden auf allen Ebenen der Verwaltung aber auch "eine bittere Wahrheit, verbunden mit der dringenden Aufforderung zum Handeln", schreibt von Heimburg, der auch Mitglied des Präsidiums der Initiative D21 ist.
Die Initiative D21 hat am Donnerstag ihre zehnte Ausgabe des "(N)Onliner Atlas" veröffentlicht, durchgeführt von TNS Infratest und unterstützt durch zahlreiche Sponsoren. Die Berliner Initiative D21 bezeichnet sich selbst als "Deutschlands größte Partnerschaft von Politik und Wirtschaft für die Informationsgesellschaft" und wurde 1999 mit dem Schwerpunkt gegründet, eine "digitale Spaltung" in Deutschland zu verhindern.
Dabei schlüsselt die deutschlandweit größte Studie zur Internetnutzung auch in diesem Jahr Onliner und Offliner nach Bundesland, Regierungsbezirk, Alter, Geschlecht, Einkommen, Bildungsstand und Beschäftigung auf. Erstmalig wird in einem Sonderband die Beziehung von Bürger und Staat auf elektronischem Wege untersucht. Dazu wurden mit 1002 repräsentativ ausgesuchten deutschsprachigen Onlinern ab 18 Jahren in Privathaushalten, die das Internet privat nutzen, computergestützte Webinterviews geführt.
Zwar gelten die Deutschen mit weniger als zwei Behördenkontakten im Jahr nicht gerade als „Poweruser" für E-Government-Anwendungen, schreiben Professor Helmut Krcmar und Petra Wolf vom Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik an der TU München in ihrer Zusammenfassung. Deshalb wohl lag der Schwerpunkt des Ausbaus der Online-Angebote in der Vergangenheit vor allem bei den Angeboten für Unternehmen. Doch aus Sicht der Verwaltung machen Bürgerdienste einen beträchtlichen Anteil des Aufgabenspektrums und -volumens aus. Um die Effizienz zu steigern, setzt die Verwaltung auf Automatisierung und Online-Transaktionen.
Als wesentliche Vorteile von Online-Bürgerservices sehen die in der Sonder-Studie befragten Bürger die Zeitersparnis bei der Abwicklung und Transparenz von Verwaltungsabläufen an. Besonders wichtig ist ihnen dabei eine einfach und ansprechende Gestaltung von Portalen und Anwendungen mit verständlichen Informationen und Bedienhilfen. Im EU-Ranking landen die deutschen Angebote jedoch bislang bestenfalls im unteren Mittelfeld, schreiben die Autoren. Doch auch aus Sicht der Befragten stehen die Punkte Bedienbarkeit oder Usability als Barrieren für E-Government-Angebote auf den vorderen Plätzen.
Bürger verlangen Datenschutz und Sicherheit
Zweiter wichtiger Punkt ist die sichere Abwicklung der E-Government-Transaktionen. Die Bürger legen großen Wert auf technische und organisatorische Sicherheitsvorkehrungen. "Datenschutz/Datensicherheit", "Sicherheit" allgemein und die "Zuverlässigkeit der Systeme" stehen bei der Frage nach der Wichtigkeit und Leistungsbeurteilung verschiedener Aspekte bei der elektronischen Abwicklung von Behördengängen m Internet ganz vorn. Daten sollen zum einen sicher und zum andere angemessen verwahrt werden und vor missbräuchlichem Zugriff von außen geschützt werden.
Befürchtungen, zum "gläsernen Bürger" zu werden, gibt es in allen Befragtengruppen. Dieses Unbehagen wird noch übertroffen von dem Misstrauen vor dem unsicheren Datentransport im Web. Gleichzeitig müssten die Sicherheitsvorkehrungen aber auch für die Bürger verständlich gestaltet und erläutert werden. Dadurch könnten auch Bürger, die das Internet bisher nur wenig nutzten, an das Internet insgesamt herangeführt werden. 80 Prozent der Befragten sehen in der Nutzung öffentlicher Dienstleistungen über das Internet einen persönlichen Mehrwert.
Die besten E-Government-Anwendungen nützen aber nichts, wenn sie nicht bekannt gemacht werden. So empfehlen die Autoren der Verwaltung eine bessere Kommunikation über ihre Vorhaben und Angebote. Selbst Leuchtturmprojekte wie die einheitliche Behördenrufnummer D115 seien nur wenig bekannt. Sie müssten deutlich offensiver vermarktet werden, damit Bürger und Unternehmen von den Serviceangeboten wissen und sie nutzen.
Die Bürger, die bereits Erfahrung mit den Anwendungen und Diensten des E-Government gemacht haben, sind aber durchaus zufrieden. Beispiel hierfür ist hier die Elektronische Steuererklärung. Über ein Fünftel der Nutzer sind diesem Angebot mindestens sehr, wenn nicht gar äußerst zufrieden.
Die bekanntesten Online-Angebote von Behörden sind deren Informationsangebote auf den eigenen Internet-Seiten. Zwei Drittel aller Onliner in Deutschland wissen, dass Behörden dort Informationen zu Öffnungszeiten oder genaue Adressen vorhalten, jeder zweite Befragte kennt Informationen zu Veranstaltungen, Zuständigkeiten sowie allgemeine Informationen zu den Online-Angeboten der eigenen Gemeinde auf den jeweiligen Internet-Seiten. Die Elektronische Steuererklärung Elster ist die bekannteste Abwicklungsmöglichkeit im Internet, 50,2 Prozent kennen sie. Die Bestellmöglichkeit einer Feinstaubplakette oder die Reservierung eines Wunschkennzeichens sind jedem vierten Onliner bekannt. Nur 13 Prozent kennen kein einziges Online-Angebot zur Abwicklung von Behördengängen im Internet.
Elektronische Steuererklärung und Behördengänge online erledigen
Bei der Nutzung werden ebenfalls analog zu Bekanntheit Informationsangebote am stärksten nachgefragt. Die elektronische Steuerklärung haben schon 30 Prozent der befragten Onliner genutzt. Am intensivsten nutzt die Gruppe der 35- bis 54-Jährigen die Online-Angebote zur Abwicklung von Behördengängen. Auch wichtig: Je höher die formale Bildung, desto überdurchschnittlicher auch die Nutzung. Auch wollen Menschen mit häufigen Behördenkontakten in Zukunft eher die Online-Angebote der Verwaltung nutzen.
Einen "großen oder sehr großen Mehrwert" sehen die befragten Onliner in der Abwicklung behördlicher Dienstleistungen über das Netz. 60,2 Prozent sehen in einem zentralen Behördenportal im Internet den höchsten persönlichen Mehrwert, dahinter folgen die Abfrage des Bearbeitungsstatus (59,1) und die Beantragung des neuen Personalausweises (58).
Mit 44 Prozent liegt die elektronische Gesundheitskarte als einziger Wert unter der 50-Prozent-Marke. 40 Prozent der Befragten wünschen sich weitere Online-Angebote über das aktuelle Angebot der Behörden hinaus. Wer häufiger Kontakt zu Behörden hat, der verspricht sich auch einen höheren Mehrwert durch Behörden-Dienstleistungen, dazu gehört vor allem die Gruppe der 35- bis 54-Jährigen, Männer oder Personen mit hoher formaler Bildung.
Lediglich ein Viertel der befragten Onliner, die zumindest ein E-Government-Angebot schon einmal genutzt haben, sind mit dem Angebot zur Abwicklung in Internet insgesamt sehr oder äußerst zufrieden. Weitere 56 Prozent der Befragten sind zufrieden und nur 16 Prozent unzufrieden. Betrachtet man die verschiedenen Nutzungserfahrungen, differenziert sich das Bild: Personen, die konkrete Nutzungserfahrungen haben, äußern sich zufriedener über die Angebote.
Rund 50 Prozent wollen Internet-Ausweis nutzen
Von den optionalen Funktionen des neuen Personalausweises ab Herbst 2010 kann sich gut die Hälfte der befragten Onliner vorstellen, die Funktion des Interausweises zu nutzen, bei der elektronischen Signatur sind es 45 Prozent. Das "CIO Magazin" berichtete über die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten, die der "Ausweis fürs Internet" bietet.
Biometrische Merkmale wie Fingerabdrücke wollen nur ein Drittel der Befragten nutzen. Nur jedem fünften befragten Onliner ist die zentrale Behördenrufnummer 115 bekannt, das zentrale Bürgerportal im Internet www.d115.de sogar nur jedem 20 Befragten. Bei der Frage nach der zukünftigen mobilen Nutzung von Endgeräten für das E-Government, sprach diesen 18 Prozent der Befragten künftig eine äußerst große oder sehr große Bedeutung zu.
Hier erhalten Sie den gesamten eGovernment-Monitor 2010.