Auf seinem Arbeitsplatz liegen Instrumente, wie sie beim Zahnarzt üblich sind. Mit feinen Pinzetten und dünnen Nadeln bearbeitet Blazej Kotwicki das Innenleben eines iPhones. Es ist gebraucht, wird nun generalüberholt - und dann wieder verkauft.
Seit vier Jahren ist Kotwicki Mitarbeiter der asgoodasnew electronics GmbH im brandenburgischen Frankfurt an der Oder. "Ich kann mir nichts anderes vorstellen", sagt er. Die Firma verkauft gebrauchte Elektronik, die sie vorher aufgefrischt und instand gesetzt hat. Am 21. Juli eröffnet sie offiziell ihr neues Domizil - mit mehr Platz.
Der Internetunternehmer Christian Wolf gründete den Betrieb 2008 unter dem Namen wirkaufens. Alles begann im Wohnzimmer, erzählt Vorstandschef Daniel Boldin und erläutert die Geschäftsidee: gebrauchte Elektronikgeräte wie Handys, Tablets oder Fotoapparate kaufen, prüfen, wenn nötig reparieren und dann weiterverkaufen.
Wie Boldin sagt, sind die von seiner Firma angebotenen Geräte um 100 bis 150 Euro günstiger als neue Modelle - und so gut wie neu. Kunden hätten 30 Tage Widerspruchsrecht und erhielten fünf Jahre Garantie.
In diesem Jahr soll ein Umsatz von 20 Millionen Euro erreicht werden (2012: 15 Millionen), 2015 soll er auf 30 Millionen Euro steigen. Gewinn wird noch nicht gemacht. Das Geschäft läuft ausschließlich über das Internet, über die Marken wirkaufens und asgoodasnew. "Wir wachsen von Monat zu Monat sehr stark", betont der 40-Jährige. Rund 20000 Produkte passieren die Fabrik im Schnitt monatlich.
Nach Angaben des Hightech-Verbandes Bitkom lagen 2013 in deutschen Haushalten rund 106 Millionen alte Handys herum - etwa ein Viertel mehr als 2012. Bitkom beruft sich auf eine Umfrage. Verbandssprecher Marc Thylmann sagt, wenn ein Handy nicht mehr repariert werden könne, sollte es zurückgegeben werden: "Handys enthalten viele wertvolle Rohstoffe, die in die Wertstoffkreise zurückgeführt werden sollten."
Hakt zum Beispiel ein Smartphone, schicken die Kunden es eher ein, ehe sie sich ein neues kaufen. "Die Anzahl der Reparaturen ist gestiegen, da diese Geräte sehr teuer sind", erklärt Uta Georgi, Sprecherin der Komsa Kommunikation Sachsen AG (Hartmannsdorf). "Für viele Menschen ist das Smartphone wie ein zweites Gehirn."
Die Komsa-Gruppe, die Elektronik verkauft, betreibt mit der Tochterfirma w-support.com GmbH eine "Werkstatt" mit rund 350 Beschäftigten. Im Geschäftsjahr 2013/2014 reparierten sie mehr als 1,1 Millionen Handys, Smartphones und Tablets.
Auch asgoodasnew hat sich zu einer Fabrik entwickelt. Die Mitarbeiter packen eingesandte Geräte aus, löschen die Daten des alten Besitzers, testen und reparieren, spielen neue Software auf. Dann geht es wieder in den Versand und zum neuen Kunden - nach Deutschland, Polen und Spanien, neuerdings auch nach Großbritannien, Frankreich und Italien.
Wenn eingesandte Geräte nicht halten, was der Absender versprochen hat, ist das ein Fall für Cindy Schmolling. Die 27-Jährige kontaktiert den bisherigen Besitzer, prüft mit Kontrolleuren die Qualität - und schickt das Gerät notfalls auch zurück. Schmolling, gelernte Kauffrau im Einzelhandel, war 2009 die erste fest eingestellte Mitarbeiterin des Unternehmens. Jetzt sind es rund 100.
Standortleiter Jens Heine betont: "Es gibt nichts, was wir nicht machen können. Das Herzstück ist die Reparatur. Aus jedem Gerät muss das Maximum herausgeholt werden. Es muss für den Käufer wie ein neues Gerät sein, nicht nur äußerlich."
Heine kam von First Solar, dem US-amerikanischen Solarmodul-Hersteller, der in der Oderstadt Ende 2012 seine Werke schloss. Auch die kleinere Odersun AG machte dicht - ein Minus von zusammen fast 1500 Stellen. Conergy geriet ins Trudeln. Die Chint-Gruppe aus China kaufte die Fabrik und beschäftigt inzwischen mehr als 200 Menschen.
Trotz der Solar-Pleite ist die Region an der deutsch-polnischen Grenze für Investoren spannend, wie die Investor Center Ostbrandenburg GmbH einschätzt. "In den vergangenen drei Jahren hat sich jährlich mindestens ein kleiner Mittelständler angesiedelt", berichtet Geschäftsführer Andreas Kappes. Mehr als 250 Arbeitsplätze entstanden. "Das ist kein Ausgleich für die Solarbranche", weiß er. Aber immerhin sei die Wirtschaft so differenzierter aufgestellt. (dpa/rs)