IT- CHAMPIONS ÜBER IHRE ROLLE IM UNTERNEHMEN

Einfluss der Macher

08.10.2001
Der Chief Information Officer verändert sein Unternehmen, macht es fit für die Zukunft und hält den Laden in Schuss. Doch anders als in den USA werde seine Bedeutung hierzulande noch immer unterschätzt, meinen Top-CIOs und Berater.

DIE MITARBEITERIN in der Kommunikationsabteilung ist ebenso hilflos wie die Dame am Empfang: "Ssieh EiOohh?", fragt sie noch einmal nach. "Also, da weiß ich gar nicht, mit wem ich Sie verbinden soll." Selbst in großen deutschen Unternehmen ist der Titel CIO vielen noch nicht geläufig. Die IT-Chefs fristen zumindest in der Außendarstellung ein Schattendasein. Dabei sind im Zweifel sie es, die dafür sorgen, dass der Laden läuft: Sie verantworten die elektronische Steuerung der Geschäftsprozesse, die immer mehr an Bedeutung gewinnt; sie füllen Schlagworte wie E-Business, E-Company oder E-Sourcing mit Leben -- und sorgen dabei auch noch für mehr Produktivität durch Einsparungen bei den Prozesskosten. In Deutschland jedoch wird die Tatsache, dass es den nur technisch kompetenten EDV-Leiter alten Schlags nicht mehr gibt, noch immer weitgehend ignoriert. Während in den USA bereits vor drei Jahren jeder zweite CIO Vorstandsmitglied war, traf dies in Deutschland nach einer Studie des Personalberatungs-Unternehmens Korn-Ferry noch nicht einmal auf jeden Siebten zu. Eine aktuelle Befragung von Synstar International unter 250 ITChefs und Managern belegt, dass sich an dieser Situation bis heute nichts geändert hat. Kein Wunder: Immerhin die Hälfte der Interviewten meint, dass der eigene Vorstand die Bedeutung der IT noch immer verkennt und sie nicht zum Kerngeschäft zählt. Das ist bei Aventis Pharma anders. Bereits im Vorfeld der Fusion von Höchst und dem französischen Pharma-Unternehmen Rhone-Poulenc war klar, dass die CIO-Position im Vorstand des neuen Frankfurter Konzerns angesiedelt sein soll. "Dadurch wurde von Anfang an die Wichtigkeit der IT als Investitions- und Serviceblock herausgestellt", sagt CIO Ragnar Nilsson. Er wurde als Transformator zu Aventis geholt, der Strategien entwickelt und umsetzt sowie die Technologie- und Systemplattformen globalisiert. Dafür steht dem Chef von 3300 Mitarbeitern ein Etat von über einer Milliarde Mark zur Verfügung. Auch Susan Unger, CIO von Daimler-Chrysler, hat keine Akzeptanzprobleme. Ihr Vorstand, Jürgen Schrempp, "forciert IT-Themen und sieht den Mehrwert, den wir für das Unternehmen generieren", sagt Unger. Trotzdem herrscht oft noch ein falsches Bild vor: "Viele Unternehmen glauben, dass der CIO ein einsames Kerlchen ist, das irgendwo rumsitzt, kein Geld hat und ein bisschen Strategie vor sich hinmurmeln darf", schildert Nilsson ein Klischee. Dass solche veralteten Vorstellungen Gefahren bergen, weiß auch Stefan Spang, Partner der Unternehmens-Beratung Mc-Kinsey: "Ein CIO ohne Vorstandssitz wird in der Regel nur in jene Entscheidungsprozesse einbezogen, bei denen von vornherein eine klare IT-Komponente beziehungsweise -Abhängigkeit erkennbar ist." Dabei liegt gerade hier der wohl größte Unterschied zwischen dem EDV-Leiter von einst und dem CIO der Zukunft. Statt nur den technischen Support für die einzelnen Geschäftsbereiche zu liefern oder bei Problemen zur Stelle zu sein, soll er -- mit Blick auf die Gesamtstrategie -- möglichst aktiv zur Wertschöpfung des Unternehmens beitragen. In erster Linie gefragt ist nicht das Wissen darum, was heute technisch realisierbar ist, sondern eine klare Vision davon, was morgen möglich sein könnte. Mehr noch: Das gesamte Unternehmen auf diesen Wandel vorzubereiten, Schnittstellen zu schaffen, Widerständen zu begegnen und gelegentliche Zweifel an den eigenen Fähigkeiten auszuräumen, das sind die oft ganz persönlichen Herausforderungen an einen CIO. CIOs -- Strategen mit Riesenbudgets Trotz der Zurückhaltung beim Thema CIO und Vorstand planen deutsche Firmen weiterhin massive Investitionen in Informationstechnik und Telekommunikation. Eine Umfrage des Computerwoche-Verlags ergab für dieses Jahr eine Summe von 93,1 Milliarden Euro und für 2002 sogar von 99,6 Milliarden Euro. Die enorme Bedeutung der IT ist demnach auch in Deutschland bekannt und akzeptiert. Davon, dass dies auch in der Position des CIOs zum Ausdruck kommt, sei man jedoch noch weit entfernt, heißt es in der Branche hinter vorgehaltener Hand. "IT-Fragen müssen auf alle Fälle an oberster Stelle entschieden werden", so die offizielle Sprachregelung in vielen Unternehmen. Warum dann nicht mit einem CIO im Vorstand? Eine häufig genannte Begründung ist die fehlende Nähe des eigentlichen Geschäftsfelds zur IT. Bernd Voigt, CIO der Deutschen Lufthansa: "Wenn ein Unternehmen IT in weitaus größerem Ausmaß als der Lufthansa-Aviation- Konzern als sein Kerngeschäft ansieht, kann ein CIO im Vorstand sinnvoll sein. Bei uns ist IT eben eines unter sieben Geschäftsfeldern." Auch Michael Neff, CIO der Heidelberger Druckmaschinen, sieht keine Vorstandsposition im eigenen Unternehmen: "Der CIO im Vorstand findet sich eher in Unternehmen wie Banken, Versicherungen oder E-Commerce-Firmen", sagt er. Für den Headhunter Heinz T. Juchmes von Signium International spielt der Kostendruck eine Rolle. "Die Vorstandsfrage sollte auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet werden." Schließlich werde ja auch nicht der Personaldirektor automatisch Vorstandsmitglied. Grundsätzlich sollte aber die Position des CIO "höchstmöglich aufgehängt werden, am besten direkt unter dem CEO", urteilt er. Klare Worte findet dagegen Bernd Flickinger, ehemaliger CIO von BASF: "Jedes große Unternehmen, das seinen CIO nicht im Vorstand platziert, hat die Bedeutung der IT noch nicht erkannt." Das gelte im Prinzip für alle Branchen, ob Dienstleister oder Automobilindustrie. In fast allen Industrien sei die IT eine wichtige strategische Waffe. Flickinger: "Diese Waffe wird von vielen nicht richtig eingesetzt" -- auch wenn das nach außen hin natürlich anders dargestellt werde. Zu diesen Schwierigkeiten kommen die Zweifel an der Qualifikation vieler CIOs. Wie die Synstar-Umfrage ergab, glauben in Deutschland immerhin 24 Prozent, dass es den IT-Experten oft an der nötigen Ausbildung und an persönlichen Fähigkeiten für ihre komplexe Aufgabe mangele. Das deckt sich mit Meinungen von IT-Beratern: "Maximal zwei bis drei Prozent der EDV-Leiter sind in der Lage, sowohl in IT- als auch in Business-Kategorien zu denken und damit eine Vorstandsposition einzunehmen", sagt Tobias Kohl, Bereichsleiter Informations-Management bei der Unternehmens-Beratung Dr. Goehring + Partner. Doch nicht nur berufliche Qualifikationen sind gefragt. "In Industrie-Unternehmen hängt die Entscheidung, ob ein CIO in den Vorstand kommt oder nicht, natürlich auch von der Persönlichkeit des Betreffenden ab", hat Christiane Eckardt, IT-Bereichsleiterin bei der Unternehmens- Beratung Diebold, beobachtet. Und Rudolf Brühwiler, CIO bei der Winterthur Versicherung in der Schweiz, ergänzt: "Der CIO muss ein starker Kommunikator sein, der mitdenkt und mitfühlt." Schließlich werde etwa bei Kostensenkungsplänen immer zuerst die IT gefragt. Keine Chance für kauzige Techies Vor diesem Hintergrund scheint auch das Argument, deutsche IT-Manager seien noch nicht so weit, um Vorstandsverantwortung zu übernehmen, nicht allzu weit hergeholt. Erst seit kurzem werden IT-Studiengänge um Angebote zu Management- und Führungstechniken ergänzt, Nachhilfekurse zur Personalführung und zu betriebswirtschaftlichen Basics angeboten. Das Klischee des kauzigen, technikverträumten IT-Experten, der sich in einem unverständlichen Sprachcode äußert, besteht noch immer. Marktforscher der Giga Information Group haben herausgefunden, dass die Techniker unter den CIOs sich oft in Details verlieren und die Rentabilität vernachlässigen. Die Techies unter den CIOs seien zudem relativ arrogant. Erstaunlich ist allerdings, dass viele CIOs selbst einen technischen Background nicht für nötig halten (siehe Statements). Ein gesundes Selbstbewusstsein ist in jedem Fall gefragt, denn der Beitrag, den das IT-Ressort zum Unternehmenserfolg beisteuert, lässt sich oft nur schwer festmachen. Fast bescheiden wirken aber die Antworten, die auf die Frage nach der jeweiligen Position im Unternehmen kommen. Die meisten scheinen mit einer engen Anbindung an den Vorstand zufrieden zu sein. Von den Manager- Kollegen wird die IT als Kernbereich wie Marketing oder Finanzen bislang kaum anerkannt. "Mobbing ist zwar nicht gerade an der Tagesordnung, kommt aber schon vor", weiß Harry Lammich, CIO beim Energieversorger EAM Kassel. Angesichts solcher Widerstände überrascht es wenig, dass die meisten deutschen CIOs nicht mit einer Zukunft im Vorstand rechnen. Dass dort künftig mehr Plätze für sie eingerichtet würden, glaubt laut Synstar nur jeder Dritte. Trotzdem will sich die Mehrheit der Befragten in den kommenden zwei Jahren beruflich nicht verändern. Da die Arbeitszufriedenheit der CIOs europaweit relativ hoch ist, scheint die Frage nach dem Vorstandstitel eher nachrangig. Und dennoch: Die strategisch eingebundenen IT-Chefs fühlen sich insgesamt deutlich wohler als die Kollegen mit operativem Aufgabenfeld.
Lesen Sie dazu auch das Interview mit Michael Earl CIOs gehören in den Vorstand

Susan Unger, CIO Daimler-Chrysler: „Der direkte Kommunikationsweg zum CEO ist entscheidend. „Ich halte den direkten Kommunikationsweg zum CEO für absolut entscheidend, da sich die Verantwortlichkeitendes CIOs über alle Geschäftsbereiche und Prozesse im Unternehmen erstrecken. Dass der CIO direkt an den CEO berichtet, jederzeit Zugang zum Board of Management hat und als Mitglied in zentralen Ausschüssen sitzt, ist ein Trend in vielen weltweit tätigen Unternehmen. Jürgen Schrempp unterstützt und forciert IT-Themen und sieht den Mehrwert, den wir für das Unternehmen generieren.