Knapp eine Woche nach dem Kabinettsbeschluss zu neuen Maßnahmen gegen Diesel-Fahrverbote hat das Umweltministerium einen Entwurf zu Einschränkungen und Ausnahmen von Fahrverboten vorgelegt. Darin heißt es, dass Fahrverbote "in der Regel nur in Gebieten in Betracht" kommen, in denen die Belastung mit Stickstoffdioxid (NO2) den Wert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel überschreitet. Der EU-Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm.
Als Grund für die Einschränkung von Fahrverboten wird genannt, dass solche in Gebieten mit einer nur geringen Grenzwert-Überschreitung "in der Regel" nicht verhältnismäßig seien. Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses hatte Fahrverbote generell für zulässig erklärt, wenn sie verhältnismäßig sind.
Umwelthilfe verklagt Deutschlands Großstädte
Die Deutsche Umwelthilfe hatte kritisiert, die Regierung wolle den NO2-Jahresmittelgrenzwert "rechtswidrig" hochsetzen. Dies sei ein Bruch des Europarechts. Die Umwelthilfe hat vor Gericht bereits für mehrere Großstädte in Deutschland Diesel-Fahrverbote erwirkt, die 2019 in Kraft treten könnten - teils laufen noch Verfahren dazu. Das Umweltministerium sieht dagegen keine europarechtlichen Probleme bei der Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes.
Sie soll auch festschreiben, dass Fahrzeuge mit Stickoxid-Emissionen von weniger als 270 Mikrogramm pro Kilometer von Fahrverboten ausgenommen sein sollen. Dies zielt vor allem auf Autos der Abgasnormen Euro 4 und 5, deren Abgasreinigung per Software-Update oder Nachrüstung verbessert wurde.
Messverfahren in Deutschland anders als im Rest der EU
Der FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic kritisierte, der Plan der Regierung gehe zwar im Kern auf das Problem des Grenzwertes ein. "Europarechtlich ist diese nationale Lösung allerdings angreifbar und wird das Problem damit nicht unbedingt lösen." Deswegen schlage die FDP-Fraktion ein Moratorium auf EU-Ebene zur zeitweisen Aussetzung der EU-Luftqualitätsrichtlinie vor. "Das Kernproblem ist, dass wir in Deutschland anders messen als im Rest der EU. Flächendeckende Fahrverbote in mehreren Großstädten gibt es so nur in Deutschland, trotz EU-weit gleicher Richtlinien."
Die Regelungen der Bundesregierung gehören zum neuen Maßnahmen-Paket gegen Fahrverbote in Städten. Sie sollen bereits am 7. November vom Kabinett beschlossen werden. Teil des Pakets sind auch höhere Preisnachlässe der Hersteller, wenn ein Dieselbesitzer sein altes Auto in Zahlung gibt und dafür ein saubereres kauft, sowie Hardware-Nachrüstungen - die Hersteller weigern sich aber bisher, die vollen Kosten zu übernehmen, wie die Regierung es fordert.
Das Bundesverkehrsministerium hat unterdessen einen neuen Termin festgelegt, an dem eine Expertengruppe einen Abschlussbericht zu Hardware-Nachrüstungen beschließen soll. Auf dieser Grundlage sollte die Bundesregierung eigentlich ihre Haltung zu den Nachrüstungen festlegen. Nachdem ein Gerichtsurteil zu Diesel-Fahrverboten in Frankfurt am Main den politischen Druck mitten im Hessen-Wahlkampf erhöht hatte, hatte das Ministerium von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) den Termin abgesagt und das neue Konzept des Bundes angekündigt, das auch die Möglichkeit für Hardware-Nachrüstungen vorsieht. Der Bericht soll nun am 20. November verabschiedet werden. (dpa/rs)
Das Umweltbundesamt listet die NO2-Grenzwertüberschreitungen (2017) in 65 deutschen Städten auf. München liegt an der Spitze. Weiterlesen