Fehler zu machen ist mittlerweile vielerorts erlaubt - solange man aus dem Scheitern lernt und nicht derselbe Fehler mehrmals passiert. Auch in IT-Projekten fallen Späne, wo immer gehobelt wird. Jake Widman von unserer US-Schwesterpublikation Computerworld hat seine Lieblings-Fehler zusammengetragen.
IBM verrechnet sich
Die Reise durch die Geschichte der gescheiterten Projekte beginnt 1956. Damals begann IBM an einem Rechner zu arbeiten, der der schnellste der Welt werden sollte. Fünf Jahre später war der IBM 7030 fertig, auch "Stretch" genannt. Das erste Exemplar lieferte der Hersteller an das nationale Forschungszentrum in Los Alamos aus. Der 7030 war seinerzeit der weltschnellste Rechner, in den Augen von Jake Widman aber dennoch eine gescheiterte Entwicklung.
Eigentlich war dem Labor Los Alamos ein Rechner versprochen worden, der 100 mal so schnell sein sollte wie das System, das er ersetzte. Doch der Stretch war nur 30 bis 40 mal schneller. Statt geplanter 13,5 Millionen US-Dollar konnte IBM dafür nur 7,8 Millionen in Rechnung stellen - weniger, als die Herstellung gekostet hatte. Nach neun Verkäufen stoppte das Unternehmen die Auslieferung. Immerhin konnte IBM für spätere Entwicklungen Nutzen aus dem 7030-Projekt ziehen. So wurde hier zum Beispiel erstmals das Pipelining erprobt, ein noch in heutigen Prozessoren übliches Prinzip für die Abarbeitung von Befehlen über eine Art Fließband.
Kaum Nachfrage nach Bildschirmtext
Der Dienst Viewtron des Medienkonzern Knight-Ridder ist für Jake Widman ein weiteres Paradebeispiel für ein gescheitertes IT-Projekt. Das 1983 in Florida gestartete Bildschirmtextsystem sollte eine Informationsquelle für Zuhause sein. Über Terminals mit Farbanzeige sollten die Empfänger Bankdienste nutzen oder auch Nachrichten lesen. Doch die Nachfrage blieb gering. Die Terminals kosteten anfangs 900 Dollar, später wurde der Preis auf 600 Dollar gesenkt. Dennoch abonnierten nur 20.000 Kunden die Dienste. 1986 stelle Knight-Ridder Viewtron ein. Die Zeit des Bildschirmtext war damals bereits vorbei.
Gefährliche Bindung an einen Anbieter
Wenig Gutes kam auch dabei heraus, als der US-Staat Kalifornien Ende der 1980er seine Führerschein- und Kraftfahrzeugbehörden neu mit Rechnern ausstatten wollte. Die Regierung entschied sich bei der Software für den Hersteller Tandem Computers und band sich damit auch bei der Hardware an dieses Unternehmen. Für 11,9 Millionen mussten sechs Computer beschafft werden.
Schließlich stellte sich heraus, dass das neue System langsamer war als das alte. Das Projekt wurde beendet - 44 Millionen Dollar waren damit in den Sand gesetzt worden. Für Jake Widman ist das gescheiterte Vorhaben ein Lehrstück, das zeigt, wie gefährlich die Bindung an einen einzigen Anbieter ist.
Den rechtzeitigen Ausstieg verpasst
Auch der Staat Washington verschwendete hohe Summen für ein ähnliches Unterfangen. Das 1990 angelaufene Projekt zur Automatisierung der Fahrzeugzulassung war ursprünglich auf 16 Millionen über fünf Jahre angesetzt. Schon 1992 waren die Ausgaben auf 41,8 Millionen gewachsen. Erst 1997 zog die Verwaltung die Notbremse. 67,5 Millionen waren bis dahin in das Projekt geflossen. Ein Paradebeispiel dafür, aus einem ganz offensichtlich zum Scheitern verurteilten Projekt besser früher als später auszusteigen.
Unrealistische Zeitvorgaben für ERP-System von SAP
Der amerikanische Pharma-Großhändler Fox-Meyer strauchelte 1993 über ein ERP-Projekt. SAP und das Beratungshaus Andersen sollten ein System zur Automatisierung der Warenlager einführen. Auf der einen Seite machte Fox-Meyer unrealistische Zeitvorgaben: In nur 18 Monaten sollte das System zum Laufen gebracht sein. Zu schaffen machten dem Unternehmen auch die Lagerarbeiter, die ihre Stellen gefährdet sahen und der neuen Lösung daher widerwillig gegenüber standen.
Das System selbst verfehlte zudem vollkommen die Erwartungen. 1994 konnte es nur 10.000 Bestellungen pro Nach abarbeiten, während die frühere Mainframe-Lösung 420.000 schaffte. 1996 musste der Großhändler Insolvenz anmelden. Dieses Beispiel soll Widman zufolge zeigen, dass IT-Projekte so angelegt sein sollten, dass ihr Scheitern nicht das Überleben des ganzen Unternehmens gefährden dürfen.
Instabiles Betriebssystem von Apple
Auch die Firma Apple musste in ihrer Geschichte Rückschläge verdauen. Als Microsoft Windows 95 herausbrachte, konnte das damalige Mac-System 7 nicht mehr mithalten. Apple ließ ab 1994 Copland entwickeln, ein Betriebssystem, das 1996 erscheinen sollte. Die Entwicklerversion lief instabil, was das Ansehen des Herstellers nicht gerade verbesserte. Als Folge stellte Apple die Entwicklung ein. Immerhin fanden einige Merkmale des Systems Eingang in das spätere OS X.
Barcode-System mit Lesefehler
Mit einem Millionenschaden endete die Installation einer Automatisierungslösung bei der britischen Supermarktkette Sainsbury's. Im für Südenglang zuständigen Auslieferungszentrum Waltham Point in Essex ging 2003 ein System in Betrieb, das Barcodes lesen und so die Auslieferung beschleunigen sollte. Doch mit dem Lesen hatte das System offenbar seine Schwierigkeiten. Es kam zu gewaltigen Fehlern. Dennoch behauptete das Unternehmen noch 2005, das System funktioniere einwandfrei. Zwei Jahre später wurde das Projekt dann eingestellt. Sainsbury's musste 150 Millionen Pfund abschreiben.
Waffen-Lobbyisten lassen Projekt ausufern
Den Umfang eines Projekts frühzeitig einzugrenzen, dazu mahnt ein Beispiel aus Kanada. Seit mehr als zehn Jahren ist das dortige System zur Registrierung von Feuerwaffen ein politischer Spielball. 1997 hatte der Staat den Auftrag an Electronic Data System und den britischen Hersteller SHL Systemhouse vergeben. Den Steuerzahler sollte das ganze Verfahren nur zwei Millionen Dollar kosten - von den 119 Millionen für die Implementierung sollten 117 wieder durch Lizenzgebühren zurück in die Staatskasse fließen.
Diese Erwartungen blieben unerfüllt. Interessengruppen fingen an, Änderungen zu fordern - mehr als 1.000 in den ersten zwei Jahren seit der Inbetriebnahme des Systems. Abgleiche mit den Computersystemen von mehr als 50 Behörden wurden dadurch notwendig, das Projekt uferte aus. Schon 2001 waren die Kosten auf 688 Millionen Dollar gewachsen. 2002 wurde das Projekt evaluiert. Die Prüfung ergab, dass das System bis 2004 mehr als eine Milliarde verschlungen haben würde - bei Einnahmen von nur 140 Millionen. Das Projekt läuft indes weiter.
FBI versenkt Millionen
Beim FBI ist indes ein Projekt zur automatischen Verwaltung von Fällen in Schieflage. Vor acht Jahren war das Vorhaben angelaufen, der Kongress bewilligte dafür 379,8 Millionen Dollar. Eigentlich sollten bestehende Systeme auf den neuesten Stand gebracht werden, doch schon 2001 war klar, dass ein vollkommen neues System nötig war.
Innerhalb von nur 22 Monaten sollte die Erneuerung über die Bühne gebracht werden. Ende 2002 meldete das FBI Bedarf an weiteren 123,2 Millionen Dollar für das vom Hersteller SAIC entwickelte Programm an. Der hatte derweil seine liebe Mühe mit 400 Änderungswünschen von Seiten der Bundesbehörde. Als das neue Programm 2005 ausgeliefert wurde, war es in den Augen der FBI-Verantwortlichen derart mit Fehlern durchsetzt, dass sie sich entschieden, das Projekt einzustellen und nicht mit dem Programm zu arbeiten.
Regen setzt Radaranlagen außer Kraft
Möglicherweise vor dem Scheitern steht nach Ansicht von Jake Widman auch ein Grenzkontroll-Projekt der US-Heimatschutzbehörde. Der Hersteller Boeing hat bisher für 20 Millionen Dollar als Pilot einen 28 Meilen langen Abschnitt der Grenze zwischen Arizona und Mexiko mit dem Überwachungssystem ausgestattet. Nach ersten Tests zeigte sich, dass die Radaranlagen, die illegale Grenzübertritte frühzeitig entdecken sollten, durch Regen häufig außer Betrieb gesetzt wurden. Die verwendeten Überwachungskameras liefern zudem Bilder von unzureichender Auflösung. Außerdem hat sich die Heimatschutzbehörde über die ihrer Ansicht nach schlecht ausgestatteten Wachtürme entlang der Grenze beschwert. Wie die Angelegenheit ausgeht, bleibt abzuwarten.
Geräte zur Steuererfassung scheitern im Praxistest
Zuletzt verplempern auch die US-Steuerbehörden Geld in einem IT-Projekt, anstatt die Staatskasse zu füllen. Vor zwei Jahren wurde dort der Plan gefasst, für 600 Millionen Dollar 500.000 Handgeräte bei der Harris Corporation zu kaufen, die bei der Steuererfassung 2010 erstmals eingesetzt werden sollen. Mittlerweile haben sich die Kosten bereits verdoppelt, derweil die Erfassungsgeräte in zwei Jahren nur eingeschränkt zum Einsatz kommen sollen. In einem ersten Test im Herbst 2007 erwiesen sich die Geräte zudem als nur bedingt einsatztauglich. Sie froren bei niedrigen Temperaturen im Außeneinsatz ein oder lieferten falsche Ortskoordinaten. Auch was den Ausgang dieses Projekts angeht, ist Jake Widman skeptisch. Die Zeit wird zeigen, ob er Recht behält.