ALFONS RISSBERGER

Elite am IT-Stammtisch

03.12.2001 von Andreas Schmitz
Er gibt Seminare für Häuptlinge. Schon seit Alfons Rissberger als Student vor mehr als tausend Mitarbeitern von Daimler-Benz über die Zukunft der Informationstechnik im Unternehmen referierte, hören Führungskräfte auf sein Wort. Das Rezept damals wie heute: Rhetorik vom IT-Stammtisch.

REISEFREIHEIT, eine Sektretärin und einen Tag pro Woche zurfreien Verfügung für Unternehmensberatungen: das waren dieForderungen von Alfons Rissberger, ehe der 53-jährige vor 16Jahren auf das Angebot der rheinland-pfälzischenLandesregierung einging, das Amt des Beauftragten für "NeueInformations- und Kommunikationstechnik im Bildungswesen" imhessischen Landtag zu übernehmen. Bescheidenheit war nieeine Stärke des 1,90 großen Mannes mit der hohen Stirn. Undso redet er oft wie ein Wasserfall, denn Diskussionen sinderwünscht; doch fordert Rissberger seine Zuhörer derart,dass sie entweder völlig aufgewühlt oder schier sprachlossind.

Manche von ihnen beschreiben ihn als Visionär, alsTrendsetter - ja als Propheten. Vor über zwanzig Jahrenbrachte er bei der Bundesregierung den Beruf desMikro-Elektronikers ins Gespräch, zu einer Zeit, als sichkaum jemand vorstellen konnte, was ein Computerchip ist.1978 - Jahre, bevor die bundesweite Aktion "Schulen ansNetz" ins Leben gerufen wurde - trug er als einer der erstenLehrer in Deutschland einen Computer mit in die Schule,einen Commodore PET. Und auch das Projekt "D 21", einebundesweite IT-Initiative der Wirtschaft, brachte Rissbergermit auf den Weg.

Sein Mentor, der berühmte Politikwissenschaftler undFaschismusforscher Eugen Kogon ("Der SS-Staat") von derUniversität Darmstadt, erkannte als einer der Ersten dieFähigkeit des Mannes, "Komplexität in klare Sätze zufassen". Also schickte Kogon den damals 22-Jährigen inAusschüsse der hessischen Landesregierung im WiesbadenerLandtag - als Vertretung. "Ich bin ins kalte Wassergesprungen, zwar fast ersoffen, aber geschwommen", sagtRissberger. Kogon war es auch, der ihn davon überzeugte,"dass die schwersten Dinge im Leben nicht berechenbarsind". Das erschütterte zunächst Rissbergers Glauben, "dassman nur die geeigneten Messmethoden braucht, um die Welt zuberechnen". Später entwickelte er dann jedoch selbst Ideen,die alles andere als berechenbar waren.

Just in time in der Chefetage

Seit 1993 ist Rissberger einer der zwei Geschäftsführer desDVZ-DatenverarbeitungszentrumsMecklenburg-Vorpommern. Derzeit arbeitet er an der aufFührungskräfte ausgerichteten "Virtuellen UniversitätSchwerin" und an Seminaren für Top-Manager. Handys, digitaleAssistenten und Laptops sollten, so seine Forderung, fürVorstände und Geschäftsführer zur Grundausstattunggehören. "Denn die machen das Arbeiten von Führungskräftenerst effizient, und zwar unabhängig von Position undAlter. Datenbanken im Internet zu nutzen ist Lernen just intime."

Geschäftsführern das IT-ABC beizubringen und CIOsAnschauungsunterricht zu geben, wie sie komplizierteTechnologien leicht verständlich darstellen können: das sindRissbergers Lieblingsaufgaben. Denn auch bei jenen, dieRissberger schon mal als Bits-und-Bytes-Brösler bezeichnet,herrscht Nachholbedarf. "Geschäftsführer und IT-Chefs redenhäufig aneinander vorbei." Von Data Warehouse über dasWindows-2000-Betriebssystem bis hin zu Multimedia erläutertRissberger Begriffe und Zusammenhänge. "Genug, um Trendseinschätzen zu können und nicht die einsamen Entscheidungendes IT-Leiters schlucken zu müssen", urteilt derOberbürgermeister von Schwerin, Johannes Kwaschik, der voreinem Jahr das Seminar "IT für Führungskräfte" besuchte.

Rissbergers Methode ist einfach: Mit zwei, drei Wortenpolarisiert er das Publikum, das ihm an zwei Tagen durch ein350-Seiten-Kompendium der Informationstechnik folgt. "Useroder Loser; Web oder weg; E-Commerce, diabolisch aberunabdingbar." Moderne Kommunikationssysteme bezeichnet erals "Denkverstärker" - so wie die Bohrmaschine beiRissberger ein "Muskelverstärker" ist. DieseStammtischrhetorik, glaubt er, komme auch beiFührungskräften an. Tatsächlich lässt er keine Alternativegelten: "Wer seine Zuhörer nicht emotionalisiert, kann nichterwarten, dass sie etwas vom Vortrag behalten."

Persönliches Netzwerk im Kleinstcomputer

Technik ist für Rissberger aber nicht nur der Inhalt vonSeminaren. Er lebt sie - und zwar in der modernsten Form.In seinem Büro in der zweiten Etage des neuen Datenzentrumsam Rande von Schwerin ist kaum ein Kabel zu finden; dieDaten sind per Funk unterwegs. Sein entscheidendes Netzwerk,die persönlichen Kontakte, verwaltet Rissberger in einemKleinstcomputer. Der treueste Gefährte allerdings ist der"Vergessens-Eliminator", ein Diktiergerät. Dem vertraut derIngenieur und Pädagoge all seine Ideen an. Beides gehörteschon zu seiner Ausrüstung, als er Anfang 1999 dieInitiative "D 21" gründete. Mit Unterstützung vomVorsitzenden, dem deutschen IBM-Chef Erwin Staudt, demEhrenvorsitzenden, Ex-Bundespräsident Roman Herzog, und demVorsitzenden des Beirats, Bundeskanzler Gerhard Schröder,geht es hier vor allem um ein Ziel: Deutschland insInformationszeitalter zu führen.

An der Wand in Rissbergers Büro hängt eine Zeichnung: einkleiner König, in einen roten Mantel gehüllt, eine goldeneKrone auf dem Kopf; vor ihm ein Computer, dessen Kabel ausdem Bild herausführt. Die Figur vernetzt ihn zwar nicht mitder ganzen Welt, wohl aber mit allen Häuptlingen dieser Erde...

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