Analysten-Kolumne

Embedded Software und R&D-Outsourcing - großes Potenzial in der Industrie

31.05.2006 von Jakov Cavar
Der deutsche Markt für Embedded Software ist europaweit führend! Das kommt nicht von ungefähr in einem Land, wo die Automobilindustrie mit ihrer wachsenden Nachfrage nach elektronischen Komponenten eine starke Position innehat, aber auch sonst ein hoher Grad an Automatisierung in der Industrie vorherrscht. Die deutsche Wirtschaft steht ganz generell "embedded Software" immer offener gegenüber.

Manche Konzerne gehen inzwischen noch weiter und arbeiten bezüglich R&D-Dienstleistungen sehr intensiv mit IT-Anbietern zusammen. Im März beispielsweise schloss der Siemens-Konzern einen Vertrag mit Tietoenator über die Lieferung von R&D-Dienstleistungen. Dieser Deal zeigt, dass der Markt für R&D-Dienstleistungen aus dem Schatten des IT-Services-Marktes tritt!

Während ein Großteil von Projekten im Umfeld der klassischen Unternehmens-IT schon seit Jahren an externe IT-Dienstleister vergeben wird, behielten deutsche Industrieunternehmen die ingenieursnahen IT-Dienstleistungen, wie die Entwicklung von "embedded Software" in der Regel im Hause. Warum wurden R&D Services in Deutschland bisher kaum nach außen vergeben?

Die Produktentwicklung, z.B. von "embedded Software", galt insofern als "top secret", als sie Wettbewerbsvorteile schaffen kann, und wurde deshalb mit internen Ressourcen besetzt. Externe Mitarbeiter holte man lediglich in Projekte, um Engpässe auszugleichen, also im Prinzip Body-Leasing. Daraus ergab sich, dass die Anbieter mit wenigen Ausnahmen, wie beispielsweise Sesa oder die Münchner ESG, dem Marktführer in Deutschland, nur kleine bzw. Kleinstunternehmen waren.

In anderen Ländern wie Großbritannien oder Frankreich dagegen wird die Auslagerung technischer IT-Dienstleistungen schon seit Jahren vorangetrieben. Spezialisierte Unternehmen wie Altran oder Alten in Frankreich gehören diesbezüglich zu den führenden Anbietern auf dem IT-Services-Markt. Auch klassische IT-Anbieter wie Capgemini, Logica CMG oder Atos Origin machen einen nicht unbedeutenden Teil ihrer Umsätze mit der Entwicklung von "embedded Software".

Die größere Offenheit gegenüber externen Anbietern ist nicht allein eine Frage der Mentalität. Ähnlich wie bei Outsourcing Services oder dem geschäftskritischeren Business Process Outsourcing (BPO) können die Unternehmen vom Expertenwissen der R&D-Services-Anbieter profitieren, gleichzeitig Kosten sparen und an Flexibilität gewinnen.

Deutsche Dienstleister entdecken den "embedded Software-Markt"

Auch Deutschland springt inzwischen auf diesen Zug auf. Immer mehr Anbieter aus dem IT-Services-Bereich, in erster Linie T-Systems und Tietoenator, bieten Entwicklungs-Dienstleistungen an. T-Systems hat schon seit Jahren auch mit der Entwicklung von "embedded Software" für die Automobilindustrie und Luft- und Raumfahrttechnik zu tun. Mit der Gründung eines Joint Ventures mit der Cabin Systems Holding, nämlich der CSI Cabin Systems Information Technologies, ging sie einen weiteren Schritt in diese Richtung.

Tietoenator gewann wiederum durch die Übernahme der Sesa 2004 und einer klaren R&D-Services-Strategie eine gute Positionierung in diesem Markt: Im Bereich Telekom und Telekommunikationsausrüster ist das Unternehmen unangefochtener Marktführer in Deutschland! Aber auch Anbieter wie IBM und Microsoft beschäftigen sich immer stärker mit dem Embedded-Software-Markt.

Durch die neuen Player ändert sich auch die Angebots-Struktur auf dem Markt. Gab es bisher fast nur Body-Leasing, wird zunehmend auch die Verantwortung für die Projekte mit fest definierten SLAs übernommen. Am weitesten geht hierbei Tietoenator mit ihrem R&D-Outsourcing-Angebot, übrigens "R&D on demand", das man am ehesten mit einem BPO-Deal vergleichen kann. Anders als bei BPO gehen die Dienstleistungen aber nicht in die Prozesse der Kundenunternehmen, sondern in die Produkte selbst ein.

Während der deutsche Projektgeschäftsmarkt in den letzten Jahren eine Krise erlebte und zum Teil gegen deutlich rückläufige Umsätze kämpfte, wuchs der Teilmarkt für Projekte im Umfeld von Embedded-Software-Entwicklung stetig. Auch in den nächsten Jahren erwarten wir, dass dieser Markt deutlich schneller wächst als der gesamte Markt für Project Services. PAC geht davon aus, dass weitere Player aus dem klassischen IT-Umfeld in entsprechende Offerings investieren werden. Gleichzeitig wird es zu einer Konsolidierung des sehr fragmentierten Anbietermarktes kommen.

Fazit

Während der Markt für Embedded-Software-Entwicklung in der Telekommunikationsbranche und dem Luft- und Raumfahrtsektor sowie im Militärbereich bereits eine gewisse Reife aufweist, übten sich die anderen Branchen bisher in Bezug auf die Externalisierung noch in Zurückhaltung. Insbesondere in der Automobilindustrie nahm aber in den letzten Jahren der Embedded-Software-Anteil dramatisch zu. 90 Prozent der Innovationen entfallen hier bereits auf die Elektronik.

Da die Anbieter den Bedarf immer weniger selbst abdecken können, greifen sie entsprechend häufiger auf externe Dienstleister zurück. Insofern erwarten wir hier auch die stärkste Marktdynamik und das größte Marktvolumen. Inzwischen melden auch Branchen wie die Medizintechnik, Automatisierungstechnik und "Consumer Electronics" Bedarf an.

Insgesamt hält PAC den Markt für R&D Dienstleistungen für einen der künftigen Wachstumsmärkte auf dem deutschen IT-Services-Markt.

Jakov Cavar ist Senior Berater bei PAC.