Seit Anfang des Jahres ist Frank Wondrak der neue Region Manager der IBM Usergroup Guide Share Europe (GSE). Hauptamtlich arbeitet er als Vorsitzender der Geschäftsführung der Kommunalen Datenverarbeitung Region Stuttgart (KDRS) und des Rechenzentrums Region Stuttgart GmbH. Wondrak ist intensiver Mainframe-, Blade- und SAP-Anwender und will die Anwendergruppe mit neuen Marketingideen für viele Branchen attraktiv machen.
Unsere Schwesterpublikation CIO.de sprach mit dem Diplom-Wirtschaftsinformatiker über seine Doppelaufgabe als Vorsitzender der Geschäftsführung der Kommunalen Datenverarbeitung Region Stuttgart/Rechenzentrum Region Stuttgart GmbH, einer der größten Dienstleistungsorganisationen im Segment der kommunalen Gebietsrechenzentren in Deutschland, und als Leiter der IBM User Group GSE.
CIO.de: Was ist die IBM User Group GSE?
Frank Wondrak: Die IBM Usergroup GSE ist die größte und auch die bedeutendste IBM-Anwendungsvereinigung in Europa. Auf der Arbeitsebene ist sie in nationale Regionen unterteilt. Ich bin seit einem Jahr der Leiter der deutschen Organisation. Unsere Grundlagen sind die Arbeitsgruppen, die von den Mitgliedern der beigetretenen Unternehmen bestückt werden. Die haben ganz feste Themen wie etwa IBM Websphere, Systemmanagement in Rechenzentren, APL Programmiersprache.
CIO.de: Was sind Ihre Aufgaben?
Wondrak: Die Repräsentanten tauschen sich unter Beteiligung eines IBM-Vertreters zu den Themen aus und geben IBM damit Input für die weitere Entwicklung. Wir wollen IBM mit den Anforderungen konfrontieren, die aus der Anwendungspraxis der Unternehmen geboren werden. Der deutsche Sektionsleiter hat eine Repräsentationsfunktion für die rund 50 Arbeitsgruppen in Deutschland. Er soll die deutschen Sichtweisen und Interessen im europäischen Kontext vertreten und ist auf Executive-Ebene Ansprechpartner der IBM.
CIO.de: Funktioniert das gut?
Wondrak: Traditionell gut funktioniert die Interaktion in den rund 50 Arbeitsgruppen. Da läuft auch die Kommunikation mit der IBM relativ gut. Das ist mehr eine technische, auf Arbeitsebene bezogene Vorgehensweise. Die IBM ist mit Anwenderunternehmen bestückt, die auf den IBM Mainframe gesetzt haben. Sie haben damit einen Vertriebsbeauftragten bei der IBM.
Durch die Nähe zum Mainframe reduziert sich der aktive Teil der Teilnehmer aber leider auf die Branchen Finance, Finance Services, Versicherungen, IT-Dienstleister, Consultants und den Public Sector. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, das zu drehen. Wir wollen wieder alle Branchen erreichen, auch Automotive, Chemie und Pharma. Diese haben sich mit dem Abschalten ihrer Mainframes aus der GSE zurückgezogen. Es geht uns jetzt darum, die GSE aus der Mainframe-Ecke herauszuholen und uns auch für die Anwender der Software Group zu öffnen, für die Anwender der neuen Systemplattformen wie Power Systems, X86. Das ist ein Kommunikations- und Marketingproblem. Daran arbeiten wir. Das ist eine strategische Herausforderung.
CIO.de: Was haben Sie konkret vor?
Wondrak: Wir arbeiten an neuen Marketingideen. Derzeit erreichen wir und 500 Mitgliedsunternehmen. Die Frage ist aber, wo die Mail oder das Rundschreiben landet? Ist das immer der RZ-Leiter oder ist das auch der CIO? Die Frage ist auch, ob wir die richtigen Themen adressieren. Zu unserer Jahreskonferenz haben wir versucht, Dinge bewusst in den Vordergrund zu stellen, die derzeit in aller Munde sind: Social Media, Business Anlaytics, die neue Z 196. Etwas weniger Wert auf technische Akkuratesse zu legen, mehr übergeordnete Themen anzusprechen. Das ist uns ganz gut gelungen.
"Wir sind nicht nur ein netter Verein"
CIO.de: Ist die User-Group nicht eine Konkurrenz zu den anderen CIO-Vereinigungen?
Wondrak: Nein, das ist kein Wettbewerb. Wir sind spezifisch auf IBM-Produkte und IBM-Belange zugeschnitten, verfolgen aber alle ähnliche Ziele: neue Themen aufzugreifen, sich eine Meinung zu bilden und als Community diese Themen weiter zu verfolgen, sie auch gegenüber der IBM zu kommunizieren.
CIO.de: Verläuft das immer in Harmonie?
Wondrak: Wir sagen auch deutlich unsere Meinung, was etwa die Lizenzpolitik der IBM im Mainframe-Bereich anlangt. Wir achten aber schon darauf, dass Kritik immer konstruktiv ist. Wir sind da nicht auf Krawall gebürstet, sagen aber schon, was die IBM gut gemacht hat, und eben auch, wo wir Handlungsbedarf sehen.
CIO.de: Können Sie die IBM verändern?
Wondrak: Es ist schwierig, die Geschäftspolitik der IBM, eines amerikanischen Konzerns, zu beeinflussen, wenn es um strategische Themen geht. Aber auf der Ebene der IBM Deutschland hört man uns schon zu, wenn wir etwas zu sagen haben. Ob sich das jedoch immer umsetzen lässt, das ist eine andere Frage. Wir sind nicht nur ein netter Verein, wir werden sehr ernst genommen.
CIO.de: IBM kann sich also freuen über ihre kostenlosen Tipps?
"Wie kann man die x86-Welt mit der Mainframe-Welt elegant verbinden?"
Wondrak: Es ist ein Geben und Nehmen. Wir können über die GSE-Organisation Einfluss auf die Produktentwicklung nehmen, oft sind es nur kleine Dinge. Auf der anderen Seite hat IBM den Vorteil, durch uns sehr nah am Kunden zu sein.
CIO.de. Was sind derzeit die Diskussionsthemen gegenüber IBM?
Wondrak: Ein großes Thema war die Zukunft der Mainframes. Es hatte sich ein Stück weit verfestigt, dass Unternehmen sagen: Wir würden unsere Mainframe ja gerne in den Ruhestand schicken. Uns gelingt es aber nicht, weil wir nicht von den Legacy-Anwendungen wegkommen. Die Neuentwicklung eines Kernbankensystems etwa kann nicht in zwei bis drei Monaten erfolgen. Die bestehenden Verfahren sind über rund 40 Jahre gewachsen. Wie könnte es denn aussehen, die x86-Welt mit der Mainframe-Welt elegant zu verbinden? Daraus ist unter anderem die IBM-Idee für die Z 196 entstanden, die mit den Extensions unter einer einheitlichen Verwaltungsoberfläche die alte und die neue Welt miteinander verbindet.
CIO.de: Sind Sie bei IBM auch ganz nah dran an den Innovationen des Konzerns?
Wondrak: Ja, das macht die Sache auch sehr spannend. Ich persönlich habe hier noch die besondere Nähe zum IBM-Forschungs- und Entwicklungslabor in Böblingen, das weltweit eine immer wichtigere Rolle spielt. Hier werden alle Cloud-Konzepte der IBM weltweit entwickelt.
CIO.de: Sie sind beruflich Geschäftsführer der KDRS, Kommunale Datenverarbeitung Region Stuttgart und der Rechenzentrum Region Stuttgart GmbH. Ist das eine Besonderheit, dass Sie als User-Group-Sprecher aus dem Public Sector kommen?
Wondrak: Die Nominierung hängt sicherlich nicht so sehr von der Branche ab, sondern mehr von der Person. Zum anderen habe ich meinen Arbeitsvertrag mit der Rechenzentrum Region Stuttgart GmbH, einem privatwirtschaftlichen Unternehmensverbund, also einem klassischer IT-Dienstleister. Wir sind ein Stück weit öffentlich-rechtlich verfasst, arbeiten für den öffentlichen Dienst, agieren aber privatwirtschaftlich.
CIO.de: Was sind bei der KDRS derzeit ihre großen Projekte?
Wondrak: Wir wollen die Legacy-Verfahren auf dem Mainframe allesamt bis Ende 2012 ablösen. Das nennen wir „Roadmap 2012". Sehr wichtige und zentrale Verfahren müssen wir deswegen wechseln. Unsere komplette RZ-Technologie heben wir auf ein modernes Niveau. Das ist eine mächtige Herausforderung für unsere Kunden wie auch für uns intern. Wir erfinden quasi unser Rechenzentrum komplett neu. Das hat auch sehr viel mit Cloud-Computing-Paradigmen zu tun.
Wir wollen dieses Jahr den Rollout von SAP HCM komplett abschließen, den Rollout der SAP Finanz- und Rechnungswesen-Verfahren und zwei Anlagen-Verfahren. Das sind die wichtigsten Verfahren für eine Kommune. Im November 2012 wollen wir ein neues Einwohner-Verfahren bringen, das ein 30 Jahre altes Legacy-Verfahren ablöst.
Nach wie vor kämpfen wir auch mit der praktischen Anwendung des neuen Personalausweises. Jetzt kommt der neue Ausländertitel dazu. Außerdem steigen wir ins Drittgeschäft ein, suchen neue Kunden und Märkte auch außerhalb von Baden-Württemberg. Was wir sehr gut können, ist, große SAP-Systeme zu betreiben. Hier ist neben Stuttgart mit seinen 600.000 Einwohnern noch Platz für weitere Metropolen.
"Unser Geschäftsmodell war ja schon immer sehr Cloud-ähnlich"
CIO.de: Wie sind Ihre Erfahrungen mit Cloud-Modellen?
Wondrak: Unser Geschäftsmodell war ja schon immer sehr Cloud-ähnlich. Über 30 Jahre waren wir schon eine Art Private Cloud. Als Rechenzentrum haben wir schon lange mandantenfähige Software eingesetzt, die wir unseren Kommunen zur Verfügung gestellt haben. Wir haben sie als GmbH für den Kunden betrieben und in der KDRS im Sinne von Application Management betreut und beraten. Wir waren also nie weit weg von den heutigen Cloud-Paradigmen. Der Mainframe ist eine ideale Cloud-Basis, er kann das schon alles. Auf dem X86 muss man sich einiges einfallen lassen.
Die Cloud in der Ausprägung „trusted", „verlässlich" oder „sicher" wird gerade im Public Sector eine große Rolle spielen. Die Zersplitterung der IT bei Bund, Ländern und Kommunen wird man sich auf Dauer nicht mehr leisten können. Das Geld und die personellen Ressourcen werden knapp. Es ist aber weniger ein technisches Problem, sondern die Frage, ob sich der politische Wille durchsetzen kann.
Technisch gesehen, nimmt die technische Komplexität täglich zu. Virtualisierung ist zwar eine tolle Sache und ein zentraler Ansatz für Cloud Computing. Aber es ist auch eine zusätzliche Sicht, die gemanagt und administriert werden will. Die Anforderungen an das Personal im IT-Bereich nehmen dadurch ständig zu. Wir arbeiten händeringend daran, durch Automatisierung, Standardisierung und Konsolidierung diese Komplexität im Rechenzentrum wieder herunterzufahren. Das ist derzeit unser höchstes strategisches Ziel.
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO.