Philipp-Alexander Rank, DMS-Projektleiter bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KVH), definiert das Ziel seiner Arbeit wie folgt: "Im Rahmen der Umstrukturierung der KVH erwarten wir ein beachtliches Optimierungs-Potenzial in der Implementierung eines einheitlichen Dokumentenmanagement-Systems (DMS).“ Die KVH kümmert sich um die Belange der etwa 11.000 niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten in Hessen und organisiert insbesondere das Abrechnungswesen gegenüber den Kassen und den staatlichen Institutionen.
Das hat auch bisher schon funktioniert, allerdings mit einem erheblichen Aufwand an Papiererfassung und -bearbeitung in den einzelnen Abteilungen der KVH. Rank verweist auf unnötige Doppelarbeit, da die Mitarbeiter oft nicht in einem ständigen, IT-gesteuerten Kontakt standen: Dokumente und Akten wurden kaum elektronisch erfasst und weitergeleitet oder unabhängig voneinander kopiert oder per Scanner mehrfach digitalisiert.
Das jetzt eingeführte System soll es dagegen ermöglichten, "in einem einheitlichem System eine gemeinsame, abteilungsübergreifende, datenbank-gestützte Verwaltung elektronischer Dokumente zu verwirklichen“. So könne man auch eine schnellere Bearbeitung von Anfragen aus dem Kreis der Ärztemitglieder durchführen. Ein weiterer Vorteil sei eine direkte Schnittstelle auf IT-Ebene zum parallel in Angriff genommenen CRM-Projekt (Customer Relation Management) bei der KVH.
Rank präzisiert die Vorteile, die die Einführung eines DMS – in diesem Fall von dem Anbieter "d.velop“ – bietet: "Die elektronische Kommunikation zwischen den einzelnen Abteilungen und Mitarbeitern wird nicht mehr durch verschiedene, letztlich inkompatible Systeme in Angriff genommen, sondern durch ein gemeinsames Ablagesystem mit einer zentralen Datenbank und einer standortübergreifenden Informationsplattform.“
Alle ein- und ausgehenden Dokumente könnten nun elektronisch archiviert werden, und alle Mitarbeiter der KVH, egal in welchen Abteilungen sie tätig sind, hätten prinzipiell auf alle Dokumente Zugriff. Natürlich müssten je nach Funktion die Zugriffsrechte für die Mitarbeiter vorher festgelegt werden.
Vorgesehen ist ferner eine Migration der bestehenden verteilten Papierablagesysteme. Hier müsse, so Rank im Gespräch mit CIO.de Healthcare IT, jedoch noch eine Entscheidung getroffen werden, in welchem Umfang die bisherigen Papierarchive digitalisiert werden.
Zur Auswahl stehen drei Varianten
-
Erstens eine komplette, sehr arbeitsintensive Überführung aller bisherigen Papierakten per Einscannen in das DMS;
-
Zweitens ab einem Stichtag die digitale Erfassung aller neuen Vorgänge, die alten existieren parallel weiter in Papierform;
-
Oder drittens die Integration der alten Akten nur dann, wenn in Einzelfällen auf die früheren Bestände zurückgegriffen werden muss.
Rank koordiniert die Planung und Einführung des DMS, indem er besonders mit Pilotabteilungen und Key-Usern zusammen arbeitet, um die inhaltlichen Anforderungen zu entwickeln und eventuell anzupassen. Während der Projektarbeit hat sich herausgestellt, dass sich die DMS-Aufgaben prinzipiell nicht von denen in anderen wirtschaftlich ausgerichteten Organisationen unterscheiden, berichtet Rank: "Wir versuchen, unsere Verwaltungsstrukturen noch weiter zu verschlanken, indem wir keine parallele Aktenführung mehr haben, weder in Papier- noch in digitaler Form. Damit sparen wir auch Platz ein, was die Lagerung der Akten angeht.“ Und das sei letztlich in der Automobilindustrie oder in einem anderen Wirtschaftszweig genau so angesagt.
Zeit und Ressourcen können eingespart werden, was Ablage und Kopien angeht. Die Arbeit war bisher hauptsächlich papier-basiert und lief nur zum Teil innerhalb der IT ab. Man arbeitete mit unterschiedlichen Programmen, was die bekannte Schnittstellenproblematik nach sich zog: Datenintegration war eher die Ausnahme. Wie Rank berichtet, gab es "sehr viele Insellösungen“ auf Abteilungsebene. Das führte auch dazu, dass Dokumente wieder ausgedruckt werden mussten, weil sie nur so zur nächsten Station im internen Arbeitsprozess weitergeleitet werden konnten.
Die KVH regelt unter anderem die Zulassungsverfahren für Ärzte inklusive der Zeugnisse und sonstiger Bescheinigungen, kümmert sich um qualifikationsbedingte Leistungen für ihre Mitglieder oder um die Abrechnungsunterlagen und Bereitschaftsdienste. Klassischerweise war alles mit Unterlagen in Papierform verbunden und wurde bisher nur teilweise elektronisch erfasst und archiviert – letzteres aber gleich mehrfach und parallel, wie Rank ausführt.
Die Honorarabrechnungen wurden seit einigen Jahren bereits auf Diskette oder CD an die KVH geschickt und digital bearbeitet. Um die finalen Abrechnungsbescheide „rechtsmittelverbindlich“ zu machen, wurden diese dann ausgedruckt und per Post an die Ärzte und Psychotherapeuten verschickt. Die Verpflichtung der Ärzte, ihre Unterlagen online per Internet an die kassenärztlichen Vereinigungen zu schicken, gilt erst ab 1. Januar des kommenden Jahres 2012.
Leicht verspäteter Einstieg ins digitale Zeitalter
Um intern den kompletten Übergang ins digitale Zeitalter zu gewährleisten, hat das Team von Rank ein Akzeptanz-Management ins Leben gerufen. Die Mitarbeiter müssten die ihnen vertrauten Arbeitsschritte und Prozesse in dem neuen DMS-Verfahren wieder finden. Rank führt aus: "Es bringt selbstverständlich nichts, irgendein DMS-Programm dogmatisch nach Schema F bei der KVH einzuführen. Mit so einem Korsett wäre keinem geholfen.“
Man hat deshalb schon im Vorfeld Informationsveranstaltungen durchgeführt und engen Kontakt mit Key-Usern geführt, um die Anforderungen aller Mitarbeiter zu kennen und zu berücksichtigen. Gleichzeitig wollte man die gegebenen Arbeitsprozesse verschlanken und alte Zöpfe wie Mehrfachbearbeitung der Unterlagen abschneiden.
Mitarbeiter, die auf Grund mangelnder eigener Erfahrungen ein Unbehagen vor einem DMS hatten, sollten sanft auf das neue digitale Zeitalter vorbereitet werden. Angst um den Arbeitsplatz war schon deshalb kein Thema mehr bei der KVH, weil die Beratungsgesellschaft PriceWaterhouse Coopers (PWC) schon vor Jahren die Organisation durchleuchtet und einen Rationalisierungsprozess angestoßen hatte. In dessen Folge war es bereits zu Umstrukturierungen und einem Personalabbau gekommen. PWC hatte auch die Einführung eines DMS angeregt.
Um ein geeignetes System zu finden, hatte die KVH ein Ausschreibungsverfahren durchgeführt, bei dem zunächst etwa 90 Software-Anbieter die nötigen Formulare anforderten. Mehr als 20 von ihnen haben dann ihre Unterlagen eingereicht. Entlang einer Auswahlmatrix und eines Pflichtenheftes, über die Rank aber keine Details preisgeben möchte, hat man dann fünf Hersteller zu Präsentationen und direkten Gesprächen eingeladen. Mehr allgemeine Auswahlkriterien neben den inhaltlichen Anforderungen wie Revisionssicherheit waren die Größe des Anbieters – nicht zu groß und nicht zu klein, sondern "auf Augenhöhe“ sollte er sein –, seine wirtschaftliche Situation und die Lizenzkosten.
Preis-Leistungsverhältnis entscheidender Faktor
Zwei Hersteller sind persönlich gar nicht erschienen, was man als fehlendes Interesse und Mangel an Mitarbeitern interpretiert habe. Mit diesen Firmen wollte man nichts weiter zu tun haben, um spätere Probleme bei Installation oder Wartung von vornherein auszuschließen. Die Funktionen der drei Anwendungen, die noch übrig blieben, unterschieden sich laut Rank nur in Nuancen von einander. Das Preis-Leistungs-Verhältnis wurde so zum entscheidenden Faktor. Man hätte aber eigentlich, so Rank, statt d.3 von d.velop auch ein anderes Programm nehmen können.