Die deutsche Energiebranche kommt nicht zur Ruhe. Die Energieversorgungsunternehmen (EVU) hält der endgültige Ausstieg aus der Kernenergie im Juni 2011in Atem. Hinzu kommt, dass sich selbst am bisher kaum wettbewerbsintensiven deutschen Energiemarkt die Konkurrenz verschärft.
Energieversorger können ihre Wettbewerbsposition unter anderem dadurch stärken, indem sie die Prozesse bei der Beschaffung und dem Vertrieb von Strom verbessern. Das erfordert effiziente betriebswirtschaftliche Abläufe und Umstrukturierungen. Hierbei ist eine effektive Unterstützung durch IT-Systeme unverzichtbar.
Im Fokus: IT-Systeme für Abrechnung, Controlling und Lieferantenwechsel
Zwei Drittel der deutschen Versorger wollen deshalb innerhalb der nächsten drei Jahre ihre IT-Ausstattung erneuern und modernisieren. Das fand der "Branchenkompass 2012 Energieversorger" heraus, den das Hamburger Beratungshaus Steria Mummert Consulting in Zusammenarbeit mit dem F.A.Z.-Institut erstellte. Drei Viertel der Firmen planen Investitionen in neue Abrechnungssysteme. Sie reagieren damit auf die gestiegenen gesetzlichen Anforderungen, wie sie in Paragraf 40 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) niedergelegt sind.
Knapp 80 Prozent der Versorger gaben an, dass das Controlling ein wichtiges Handlungsfeld für ihr Unternehmen ist. Rund zwei Drittel wollen daher in den nächsten Jahren Geld für neue Controlling- und Reporting-Anwendungen ausgeben. Insbesondere Firmen, deren Hauptgeschäft der Betrieb eines Stromverteilernetzes ist, planen für diesen Bereich schwerpunktmäßig IT-Ausgaben ein.
59 Prozent der Umfrageteilnehmer haben vor, durch eine verbesserte IT-gestützte Prozessüberwachung die Lieferantenwechsel transparent abzubilden. Da Produkt- und Preismodelle immer flexibler werden, nehmen 58 Prozent der EVU Geld für die Anschaffung oder die Erneuerung von Anwendungen für die Produktkostenkalkulation in die Hand.
Kundenbindung verbessern
Ebenso stehen die EVU vor der Aufgabe, Kunden besser an sich zu binden. Die Grundlage dafür bildet eine effiziente und durchgängige Verwaltung der Kundendaten mit einer Lösung für das Customer Relationship Management (CRM).
Die Hälfte der Befragten plant entsprechende Investitionen für die kommenden Jahre ein. Durch eine optimierte Strombeschaffung lassen auch finanzielle Risiken minimieren, weshalb 45 Prozent ein Energie-Portfolio-Management-System einführen wollen.
Trend geht zum Outsourcing
Auch die Auslagerung von IT-Anwendungen, -Prozessen und -Services ist für EVU aufgrund des Wettbewerbs- und Kostendrucks attraktiv. Zudem machen neue Technologien wie Smart Metering auch die IT-Strukturen in den Versorgungsbetrieben immer komplexer. Durch den Bezug der IT-Leistungen von einem Outsourcing-Dienstleister sehen insbesondere kleinere EVU eine Möglichkeit, um ihre IT-Kosten zu senken und die Komplexität der IT-Strukturen im Griff zu haben.
Rund die Hälfte der kleineren EVU plant, die IT-Infrastruktur-Services auszulagern und 39 Prozent das Application Management. Knapp ein Drittel will die Prozesse rund um die Energiebeschaffung über einen Outsourcing-Dienstleister abwickeln und etwa ein Viertel das Personalmanagement und die Personalabrechnung.
57 der EVU, die eine Auslagerung von IT-Strukturen und -Services vorhaben, wollen ausschließlich ein Onshore-Outsourcing in einem Rechenzentrum am Standort Deutschland durchführen. Sieben Prozent können sich die Auslagerung in Form eines Nearshore-Modells vorstellen, dagegen nur drei Prozent ein Offshore-Outsourcing.
Abläufe standardisieren und automatisieren
Dagegen steht für große Versorgungsunternehmen die Industrialisierung der Prozesse durch Standardisierung und Automatisierung im Mittelpunkt, etwa bei Lieferantenwechseln oder beim Energiedatenmanagement. Das teilten 84 Prozent der befragten aus dieser Gruppe mit.
Für die Studie befragte das Marktforschungsinstitut Forsa 100 Entscheider aus Stadtwerken, Regionalversorgern und großen Energiekonzernen in Deutschland zu den Branchentrends und zu ihren Strategien und Investitionszielen bis 2014.