Die Digitalisierung setzt Firmen unter Druck, neue Leistungen immer schneller anzubieten und an die jeweilige Markt- und Kundensituation anzupassen. Digitale Services, die standardisiert und automatisiert ablaufen, bestimmen zunehmend das Geschäftsmodell von Unternehmen.
Doch viele Fachabteilungen verwalten manuelle Prozesse noch über Tabellen oder Papier; selbst einfache Anfragen werden mühsam über Telefon oder E-Mail beantwortet, häufig fehlen mangels Dokumentation Informationen über einzelne Vorgänge, wenn der zuständige Mitarbeiter krank ist. Es kann daher Tage dauern, bis die Abteilung Anfragen von Kollegen oder Kunden beantworten kann. Effizienz sieht anders aus.
Es ist an der Zeit zu handeln. Das Zauberwort lautet Enterprise-Service-Management (ESM). Das US-amerikanische Wirtschaftsmagazin Forbes geht davon aus, dass künftig jedes Unternehmen zu einem Software- und damit auch einem Service-Unternehmen wird. Das betrifft sowohl interne als auch externe Prozesse.
Doch noch steckt ESM in den Kinderschuhen. Das zeigen die Ergebnisse der aktuellen Studie zum Enterprise-Service-Management, die CIO und COMPUTERWOCHE gemeinsam mit den Partnern Efecte, FNT Software, Serviceware und USU Software realisiert haben. Dazu wurden nach einer initialen Expertendiskussion 370 Entscheider aus der DACH-Region zu ihren Ansichten, Plänen und Projekten rund um ESM befragt.
IT-Services als Vorbild
Enterprise-Service-Management ermöglicht einen Gesamtblick auf die wichtigsten Service-Geschäftsprozesse eines Unternehmens, da es den Daten- und Informationsfluss zwischen den internen Abteilungen und externen Ressourcen erleichtert, die an einem Geschäftsprozess beteiligt sind. Vorbild ist hier der automatisierte und standardisierte Ablauf von IT-Services. Daher wurde in der Studie auch das IT-Service-Management (ITSM) beleuchtet.
ESM verfolgt aber einen breiteren Ansatz als das reine ITSM, da sich ESM-Lösungen in den meisten Unternehmensbereichen einsetzen lassen. Es liegt nahe, auch die Services der Fachbereiche wie HR, Marketing oder Vertrieb zu digitalisieren und standardisiert sowie (teilweise) automatisiert anzubieten. Beispiele dafür sind etwa die elektronische Personalakte oder automatisiertes Lead- und Kampagnen-Management. In diesem Fall wird aus ITSM das umfassendere ESM.
Gute Noten für das IT-Service-Management
Im Gegensatz zu den Fachbereichen ist die IT-Abteilung schon sehr weit. Die Mehrheit der Firmen sieht ihre IT gut aufgestellt, um die größten Herausforderungen der Digitalisierung zu bewältigen: Geschwindigkeit und Flexibilität. 22 Prozent der Befragten weisen ihrer IT einen sehr hohen Reifegrad zu. Überdurchschnittlich hoch sind hier die Werte bei den großen Unternehmen. Ein Viertel der Firmen weist ihrer IT einen hohen Reifegrad zu, ein Fünftel einen eher hohen Reifegrad, 19 Prozent einen mittleren Reifegrad. 13 Prozent sind skeptisch und sehen ihre IT nur kaum für die neuen Herausforderungen gerüstet.
Auch das IT-Service-Management erhält gute Noten. 62 Prozent der Firmen sind sehr zufrieden (22 Prozent) oder zufrieden (40 Prozent) mit ihrem IT-Service-Management, das ja die Basis für ESM bildet. Hier gilt: Je höher der IT-Etat, desto größer die Zufriedenheit mit dem ITSM. Knapp ein Viertel (23 Prozent) der Firmen zeigt sich eher zufrieden, 15 Prozent sind eher nicht oder nicht zufrieden. Die besten Noten bei den einzelnen IT-Leistungen erhalten auf einer Skala von 1 bis 6 die Qualität der IT-Services (2,08 als arithmetisches Mittel), die Ausfallzeiten der Services/Systeme (2,19) und die Reaktionsgeschwindigkeit bei akuten Sicherheitsvorfällen (2,26).
ITSM lässt sich auf andere Geschäftsprozesse ausdehnen
Enterprise-Service-Management ist derzeit aber noch kein großes Thema für die IT-Abteilung. In jeweils 36 Prozent der Firmen muss sich die IT-Abteilung im nächsten Jahr vor allem mit Cloud Computing und IT-Service-Management (ITSM) auseinandersetzen, gefolgt von Security mit 31 Prozent. Etwas mehr als ein Viertel der Firmen (27 Prozent) beschäftigt sich verstärkt mit der Digitalisierung von Geschäftsprozessen außerhalb der IT.
Im Prinzip handelt es sich hier auch um ein ESM-Thema. Schließlich bieten ESM-Systeme das Potenzial, Workflows effizient zu gestalten und dadurch Geschäftsprozesse zu digitalisieren. Enterprise-Service-Management ist in nur 15 Prozent der Firmen ein IT-Thema, gleichauf mit Themen wie Virtualisierung, Business Intelligence und Service Design.
Nichtsdestotrotz sind 93 Prozent der befragten Firmen der Meinung, dass sich das Prinzip des IT-Service-Managements, sprich standardisierte, automatisierte IT-Services, auch auf andere Geschäftsprozesse anwenden lässt. Als Beispiel nennen sie Prozesse im Bereich der IT-Sicherheit, Verwaltung, Kundendienst, Lieferanten-Management oder HR/Personal. Nur sieben Prozent sagen "Nein".
ESM steht erst am Anfang
Doch noch steckt ESM in den Kinderschuhen (lesen Sie dazu auch unser Interview mit dem ITIL-Experten Jürgen Dierlamm). So ist beispielsweise der Begriff Enterprise-Service-Management als relativ neue Disziplin in vielen Unternehmen noch unbekannt. Nur 18 Prozent der Befragten können erklären, was sich konkret hinter ESM verbirgt, 40 Prozent der Befragten haben zwar schon von ESM gehört, aber keine konkrete Vorstellung, was es ist. 28 Prozent haben eine ungefähre Vorstellung, was sich hinter ESM verbirgt. Daher kann es gut sein, dass aktuell viele Firmen ITSM noch mit ESM gleichsetzen.
Zum Video: Enterprise Service Management steht erst am Anfang
Denn insgesamt 58 Prozent der Unternehmen haben bereits ein ESM-Tool eingeführt - diese Quote ist überraschend hoch angesichts der Antworten auf die Frage nach dem Begriff ESM. 23 Prozent nutzen bereits seit längerem eine ESM-Software übergreifend für mehrere Servicebereiche; 35 Prozent seit kurzem beziehungsweise sie befinden sich gerade in der Phase der Einführung.
Hier gehen die großen Unternehmen voran. Während nur 43 Prozent der Firmen bis 1.000 Mitarbeiter eine ESM-Lösung nutzen, sind es bei den Firmen von 1.000 bis 9.999 Mitarbeitern 65 Prozent, bei den Firmen mit mehr als 10.000 Mitarbeitern sogar 71 Prozent. Diese Zahlen bestätigen sich auch beim Blick auf den IT-Etat. Hier steigt die Quote von 29 Prozent (Etat kleiner eine Million) über 54 Prozent (eine bis zehn Millionen Euro) bis auf 77 Prozent bei Firmen mit einem IT-Etat von mehr als 100 Millionen Euro.
Insgesamt 42 Prozent haben aktuell noch keine ESM-Lösung implementiert. 15 Prozent planen die ESM-Einführung aber bereits, in 17 Prozent wird über die ESM-Einführung nachgedacht, in zehn Prozent ist ESM kein Thema.
Investitionen steigen
Insgesamt 88 Prozent der Firmen sagen, dass sie in den nächsten Monaten in das IT- oder Enterprise-Service Management investieren werden: 28 Prozent werden das auf jeden Fall tun, 32 Prozent wahrscheinlich und 28 Prozent vielleicht. Besonders viel Geld investieren die Firmen mit einem IT-Etat von mehr als 100 Millionen Euro. Nur zwölf Prozent der Firmen werden eher nicht oder nicht in den Aufbau oder Ausbau ihres IT- oder Enterprise-Service Managements investieren.
Den Schwerpunkt der Ausgaben bilden ITIL mit 24 Prozent, Cloud-Service-Management mit 23 Prozent und Service-Automatisierung mit 21 Prozent. Unter 20 Prozent liegen Bereiche wie Cloud Service Broker, Erweiterung auf Enterprise Service Management, Service-Katalog- & Service-Portfolio-Management oder Real-Time ITSM/ESM. Eine weitere interessante Erkenntnis: Drei Viertel der Firmen berücksichtigen Cloud- und Automatisierungs-Themen in ihren IT-Budgets sehr stark (21 Prozent), stark (32 Prozent) oder eher stark (23 Prozent).
Standards und Best Practices führen zum ESM
Die IT-Infrastruktur in Firmen ist zunehmend durch hybride Ansätze (Cloud, Outsourced IT, interne IT) und organisatorische Silos gekennzeichnet. Um die Service-Automatisierung in derartigen Umgebungen erfolgreich zu realisieren, setzt ein Viertel der Firmen auf eine einheitliche Lösung mit standardisierten Prozessen, die auf standardisierten Service-Definitionen oder Service-Bauplänen (Blueprints) basieren. Dies gilt vor allem für die großen Unternehmen mit mehr als 10.000 Mitarbeitern (44 Prozent) und einem IT-Etat von mehr als 100 Millionen Euro (56 Prozent).
32 Prozent der Firmen (37 Prozent bei den kleineren Firmen bis zu 1.000 Mitarbeitern) haben die Service-Automatisierung ebenfalls einheitlich gelöst, allerdings mit individuell implementierten Prozessen pro Service. Ein Fünftel der Firmen verfolgt bei der Service-Automatisierung einen unterschiedlichen Ansatz in den einzelnen Silos.
Beim Einstieg in die ESM-Welt setzen die befragten Unternehmen auf Normen, Standards und Frameworks wie die ISO 9000/9001, ITIL und Service Design Thinking. Die ISO 9000/9001 ist die relevanteste Norm beim Service-Management in Unternehmen. Fast die Hälfte (48 Prozent) der befragten Firmen setzt auf diesen Standard, der die Grundlagen für Qualitätsmanagement (QM) setzt und den Aufbau eines QM-Systems festlegt. 39 Prozent der Firmen orientieren sich an der IT Infrastructure Library (ITIL). ITIL stellt Best Practices zur Prozessoptimierung in Unternehmen bereit.
Ziel von ITIL ist die Konzentration des IT Service auf die bestmögliche Unterstützung der Geschäftsprozesse. Etwas mehr als ein Viertel (27 Prozent) setzt auf die ISO/IEC 20000(-1) mit Fokus auf IT-Service-Management. Beim Service-Design beziehungsweise der Beschreibung und Definition von Services nutzen die Firmen als Methodik vor allem Service Design Thinking (24 Prozent), ITIL (18 Prozent), bluEDGE (17 Prozent) und IT4IT.
Kompetente Mitarbeiter = hohe Service-Qualität
Zum Status quo: Die Firmen schätzen, dass sie aktuell bereits 38 Prozent ihrer zentralen Geschäftsprozesse automatisiert haben. Dabei steigen die Werte mit der Höhe des IT-Etats an. Knapp ein Drittel (31 Prozent) der Unternehmen hat bereits begonnen, die Geschäftsprozesse in größerem Stil zu automatisieren. Ein weiteres Viertel will 2019 den Automatisierungsprozess intensivieren, 18 Prozent im Jahr 2020 und zwölf Prozent 2021.
Bei der Optimierung oder auch Automatisierung von IT-basierten Workflows steht in vielen Unternehmen die Service-Qualität im Vordergrund. Wichtigstes Kriterium für eine zufriedenstellende Service-Qualität ist in 54 Prozent der Firmen das einheitliche und verlässliche Wissen der Service-Mitarbeiter, gefolgt von Prozessautomatisierung und verfügbarem Personal (jeweils 37 Prozent), Self-Service (25 Prozent) und einem einheitlichen Service-Katalog (24 Prozent). Etwas weniger Wert legen die Firmen auf möglichst viele Eingangskanäle und 24/7 Verfügbarkeit. (sh)
Studiensteckbrief
Herausgeber: COMPUTERWOCHE, CIO, TecChannel und ChannelPartner
Studienpartner: FNT GmbH, Serviceware SE (Gold-Partner), Efecte Germany GmbH, USU Software AG (Silber-Partner)
Grundgesamtheit: Oberste (IT-) Verantwortliche von Unternehmen in der D-A-CH-Region: strategische (IT-)Entscheider im C-Level-Bereich und den Fachbereichen (LoBs), IT-Entscheider & IT-Spezialisten aus dem IT-Bereich
Teilnehmergenerierung: Stichprobenziehung in der IT-Entscheider-Datenbank von IDG Business Media. Persönliche E-Mail-Einladungen zur Umfrage.
Gesamtstichprobe: 378 abgeschlossene und qualifizierte Interviews
Untersuchungszeitraum: 22. Oktober bis 30. Oktober 2018
Methode: Online-Umfrage (CAWI)
Fragebogenentwicklung: IDG Research Services in Abstimmung mit den Studienpartnern
Durchführung: IDG Research Services