Laut der EOS Schulden-Studie 2015 fühlen sich 84 Prozent der Deutschen schlecht, wenn sie Außenstände nicht begleichen können. Dennoch kommt das vor, sei es durch einen längeren Auslandsaufenthalt, einen Umzug oder dadurch, dass unerwartet Kühlschrank oder Auto kaputtgehen. Hinter jedem Zahlungsverzug stecken individuelle Gründe. Darauf reagiert EOS und entwickelt ein neues Softwaresystem für die Forderungsbearbeitung. Das Inkassounternehmen will sich mit dem neuen Kernsystem in die Lage setzen, mehr auf die individuellen Bedürfnisse von Schuldnern einzugehen und sie in ihrer Situation zu unterstützen.
Die Lösung unter dem Projektnamen "FX" nutzt einen Analytics-Ansatz auf Basis von Big Data und empfiehlt den Mitarbeitern von EOS automatisch für jeden säumigen Zahler eine maßgeschneiderte Kommunikation mit schuldnerindividuellen Angeboten. Sie wird gemeinsam von EOS IT Services, dem zentralen IT-Dienstleisterder Gruppe und dem Fachbereich der deutschen Organisation entwickelt - und zwar in agiler Methodik.
Eines der größten Softwareprojekte im Norden
Die neue Software soll das bisherige System für das Forderungsmanagement "Fidibus" komplett ablösen. Im Frühjahr dieses Jahres ist der Startschuss für die Entwicklung gefallen. Ein 40-köpfiges Team aus IT- und Fachbereichsmitarbeitern arbeitet bereits an den ersten Umsetzungsschritten. "Das wird eines der größten und spannendsten Software-Entwicklungsprojekte, die gegenwärtig im norddeutschen Raum zu finden sind", sagt Roger Nolting, Geschäftsführer von EOS IT Services. Hierfür hat er sich Verstärkung an Bord geholt.
Am Ruder des Entwicklungsprojekts sitzt seitens EOS IT Services Lars Ludwig, der Anfang des Jahrzehnts als CIO der Donner & Reuschel AG in einem einjährigen Projekt die komplexen IT-Landschaften der Privatbanken Conrad Hinrich Donner und Reuschel & Co. integriert hatte. Die erfolgreiche Integration brachte ihm 2011 eine Auszeichnung beim Wettbewerb "CIO des Jahres" im Bereich Mittelstand ein. Seine Aufgabe bei EOS IT Services nun: mit State-of-the-Art-Technologien (voraussichtlich ein Java-Stack), einem modernen Architekturansatz (Micro Services, Big Data) und agilen Arbeitsweisen (Scrum) ein neues Forderungsbearbeitungssystem bauen, dazu das heutige Kernsystem und dessen Mannschaft in die neue Lösungswelt transformieren - technisch, organisatorisch und kulturell.
Datenanalyse für individuelle Angebote
Ziel des Projekts ist ein schuldnerindividuelles Forderungsmanagement: Säumigen Zahlern sollen realistische, maßgeschneiderte Lösungen angeboten werden, wie sie ihre Schulden begleichen können. Was jeweils am besten ist, werde das Kernsystem den Mitarbeitern automatisch vorschlagen, erläutert Nolting. Während die bisherigen Mahnabläufe an Scoring-Modellen und Wahrscheinlichkeitsannahmen orientiert seien, werde das Motto künftig "Next Best Action" heißen: "Anhand täglich aktualisierter Informationen über Schuldner wird jeweils das Vorgehen entschieden", erläutert der Geschäftsführer.
Dazu bedient sich FX prädiktiver analytischer Verfahren, schließt also aus der Kenntnis des bisherigen Verhaltens einer Person, welche Art der Kontaktaufnahme der Betreffende bevorzugt, wann der Schuldner am ehesten Zeit hat, kontaktiert zu werden, und wie viel der- oder diejenige über welches Zahlungsmittel am wahrscheinlichsten bezahlen wird.
"Die Logik und die vorgeschlagenen Lösungsmuster des künftigen Systems", so Ludwig, "finden sich auch bei Fintechs, Tech-Companies oder im Handel, wo ebenfalls anhand von Kenntnissen über bisheriges Informations- und Konsumverhalten individuelle Kaufempfehlungen und Rabattangebote präsentiert werden."
Agile Methodik und modulare Systemarchitektur
Das FX-System wird agil nach der Scrum-Methodeentwickelt. Das ist zwar nicht völlig neu für die EOS-IT-Mannschaft; aber die Erfahrungen mit agiler Softwareentwicklung undagilem Projektmanagement beschränken sich gegenwärtig noch auf einzelne Produktteams, die relativ autark arbeiten.
Das Projekt FX ist auf fünf bis sieben Jahre angelegt. Eine lauf- und testfähige MVP-Version (Minimum Viable Product) soll jedoch bereits viel früher live gehen. Die Ideen aus FX, so Nolting, werden der Kern des Lösungsangebots von EOS IT Services für die Ländergesellschaften in der Gruppe sein. Ergänzt wird es um mehrere Dutzend umgebende Systeme, von der Archivsoftware über Textverarbeitung bis hin zu einem Schuldnerportal, die einfach und modular an das Kernsystem angedockt werden können.
Die modulare Architektur hat ihren Grund in der Heterogenität der Gruppe, erläutert Nolting. "EOS ist ein internationaler Anbieter von Forderungsmanagement mit Tochterunternehmen in 28 Ländern." Das Ziel von EOS IT Services sei es natürlich, für eine möglichst intensive Nutzung der entwickelten Ideen und Lösungen auch im Ausland zu sorgen.
Technisch und methodisch innovativ wie ein Startup
Zu den Aufgaben von Ludwig gehört es, für die FX-Entwicklung bis zu 70 neue Kollegen zu finden: deragilen Arbeitsweise entsprechend nicht ausschließlich Entwickler, sondern auch Usability Engineers, Product Owner, Quality Analysts, DevOps-Experten, Softwarearchitekten, Data Scientists und Scrum Master. Dazu kommen, außerhalb des Projekts, Platform Engineers sowie einige Infrastrukturkräfte für die Private-Cloud-Lösungen. Für die Entwicklung des neuen Systems braucht EOS Leute, die moderne Technologien und Organisationsformen verstehen und anwenden können. Detaillierte Fachkenntnisse im Bereich Forderungsmanagement seien nicht erforderlich, so Ludwig.
IT-Professionals, die dem Anforderungsprofil von EOS entsprechen, sind nicht einfach zu finden, weiß man in Hamburg. Denn profilierte Experten sind gesucht. "In den letzten 24 Monaten haben wir aber bereits einige sehr gute ITler eingestellt und sehen, dass die Guten nicht nur kommen, sondern auch bleiben", so Nolting. Ludwig, selbst erst seit dem 1. April dieses Jahres an Bord, sieht EOS mit der für FX geschaffenen Arbeitsumgebung als Arbeitgeber gut positioniert. Bei dem Projekt sei man schon jetzt - und mit dem Hinüberwachsen in die agile Welt künftig noch mehr - methodisch und technisch so innovativ wie ein Startup bei gleichzeitig stabilen Rahmenbedingungen, die ein gesunder Konzern bietet.
Entscheidungen werden im Projektteam getroffen
"Um in agilen Teams zu arbeiten, müssen die neuen Mitarbeiter eigenverantwortliches, aber ganzheitliches Denken mitbringen und individuelle Lösungen im Sinne des Geschäfts bewerten", sagt Nolting. Niemand könne sich darauf beschränken, ein fertiges DV-Konzept zur Umsetzung vorgelegt zu bekommen. Diese Gestaltungsfreiheit sei deutlich im Projektalltag spürbar, so Ludwig: "Wie unsere Teams ein technisches Thema lösen, ist ihnen überlassen." Die Mitarbeiter wissen das zu schätzen: "Entscheidungen werden dort getroffen, wo die höchste fachliche und technische Kompetenz liegt - im Projektteam selbst", so Maik Wurdel, Lead Software Architekt in Ludwigs Team. "So können wir Ergebnisse mit bestmöglichem Geschäftsnutzen erzielen."
Die IT-Spezialisten bei EOS sind im Übrigen besonders gefordert, was den sensiblen Umgang mit personenbezogenen Daten angeht. Festgelegt ist das als persönliche Selbstverpflichtung in einem unternehmensweit gültigen Code of Conduct.
Auch die Arbeitsbedingungen für ein agiles Projekt hat EOS geschaffen: Vertrauens- statt Kernarbeitszeit, Entscheidungsfreiheit bei der Wahl des Entwicklungs-Frameworks und der Arbeitsplatzumgebung, Flexibilität hinsichtlich des Arbeitsorts sowie ein ständig geöffnetes Bistro geben den Projektteilnehmern die Freiheit, die sie für die Softwareentwicklung brauchen. Auf der anderen Seite sorge die Zugehörigkeit zur EOS Gruppe und zur Muttergesellschaft Otto Group für stabile Strukturen und eine hohe Arbeitsplatzsicherheit.