Die Wege zum Job sind vielfältiger geworden. Zwei Headhunter und eine Karriereberaterin erklären berufserfahrenen IT-Profis, wie sie sich erfolgreich bewerben.
Als Edgar Mayer (Name von der Redaktion geändert) seinen Job als Projektleiter für autonomes Fahren verlor, glaubte er, es dauere nicht lange, bis ihm ein namhaftes Unternehmen einen neuen Vertrag anbieten würde. Doch aus dem persönlichen Netzwerk kamen nur Absagen. Jetzt quält sich der IT-Manager mit internationaler Führungserfahrung durch umständliche elektronische Bewerbungsbögen und absolviert verpflichtende Intelligenztests im Online-Assessment-Center.
Auch kryptisch formulierte Jobprofile nagen am Selbstbewusstsein des 49-Jährigen. Zusätzlich wunderte er sich, dass Firmen hartnäckig sein Diplomzeugnis anfordern, obwohl er sich in den vergangenen 20 Jahren vom Entwickler zum Projektmanager in namhaften Unternehmen entwickelt hat. Entscheiden die Noten über seine Jobchancen oder kickt ihn das E-Recruitment-Tool wegen seines Alters aus dem System?
Online-Bewerbung reicht nicht
"Das Alter spielt keine große Rolle", zerstreut Jürgen Rohrmeier, Personalberater und Mitglied des Vorstandes der Pape Consulting Group in München, solche Bedenken. Firmen könnten es sich nicht mehr leisten, einen 50-Jährigen auszusortieren. Aber hinter vielen Recruiting-Seiten von Firmen lauern andere Risiken. "Das Backoffice von vielen Online-Systemen funktioniert nicht gut. Ich würde mich als Bewerber nie auf eine reine Online-Bewerbung verlassen", sagt der Headhunter und empfiehlt, einen Ansprechpartner im Unternehmen zu finden und zu kontaktieren.
Auch wenn die Wege zum Job heute vielfältiger sind, haben sich die Bedingungen kaum verändert. Auch heute muss es einem Bewerber gelingen, Aufmerksamkeit und Interesse beim Gegenüber zu wecken, damit ihn die Firma zum Vorstellungsgespräch einlädt. Doch wie bewirbt sich ein berufserfahrener Manager? "Gerade IT-Experten beherrschen es oft nicht, sich selbst zu vermarkten", beobachtet Rohrmeier, "Kein Produkt verkauft sich von alleine". Ein Profil in einem professionellen Netzwerk wie Xing oder Linkedin sei Pflicht.
Auch wenn auf der Visitenkarte englische Jobtitel prangen, empfiehlt Rohrmeier, das Anschreiben verständlich zu formulieren. "Hinter der Technik kann sich keiner mehr verstecken, Teamarbeit ist ganz wichtig, Nerd-Positionen gibt es hierzulande nicht mehr", weiß er aus vielen Vermittlungsaufträgen. Ein aussagekräftig formuliertes Anschreiben bleibt die Eintrittskarte.
Wem hilft ein Headhunter weiter? Rohrmeier erreichen täglich Initiativbewerbungen, er warnt aber vor Massen-Mailings und schlampig formulierten Anschreiben. Auch die schwarzen Schafe des eigenen Berufsstands verschweigt er nicht. Bewerber sollten sich die Profile von Headhuntern genau ansehen, deren Website, Lebenslauf und Vermittlungsschwerpunkte, bevor sie Kontakt aufnehmen. Auch Personalberater legen Wert auf persönliche Ansprache, perfekte Unterlagen und erfolgreiche Lebensläufe.
Oft ist zu hören, dass ältere Bewerber mit niedrigeren Gehältern zufrieden sein müssten. Rohrmeier warnt vor radikalen Gehaltseinbußen, das werde skeptisch beäugt. "Firmen zahlen nach Kompetenzen. Bewerber sollten sich erkundigen, wie die Gehaltsspanne ist und beim Jobwechsel nicht zu weit nach unten gehen, das zahlt sich langfristig nicht aus."
Absagen nie persönlich nehmen
"Das Ziel ist die Einladung zum Vorstellungsgespräch", sagt die MünchnerKarriereberaterin Madeleine Leitner. Nach Meinung der Psychologin, die viele Jahre als Personalerin gearbeitet hat, offeriert eine Bewerbung die geringsten Chancen auf einen neuen Job. Eine neue Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung belegt die These mit Zahlen. Nur 14 Prozent der Unternehmen stellen Bewerber ein, die sich auf eine Anzeige in einer Stellenbörse meldeten. Dagegen besetzen 29 Prozent der Firmen offene Positionen über persönliche Kontakte.
Im verdeckten Stellenmarkt sieht Leitner auch eine große Chance für Erfahrene, skeptisch sieht sie Online-Portale. "Ein Kandidat hatte beim selben Unternehmen über persönliche Kontakte einen Termin für ein Vorstellungsgespräch erhalten und eine Absage über das Online-Portal." Bewerbern empfiehlt sie, sich treu zu bleiben, nicht zu unterwürfig aufzutreten und Kontakte zu pflegen. "Treffen Sie sich mit Bekannten zu informellen Gesprächen und treten sie nicht als Bittsteller auf. Jedem ist es peinlich, wenn man nicht helfen kann." Leitner räumt noch mit einem weiteren Mythos auf: "Es gibt keine festen Regeln, wie eine Bewerbung aussehen soll. Nehmen Sie Absagen nie persönlich." Stattdessen rät sie, immer den Weg zu wählen, der die größten Erfolgsaussichten verspricht. Überzeugt ein Kandidat am Telefon, sollte er zum Hörer greifen und versuchen, so auf sich aufmerksam zu machen. Liegt seine persönliche Stärke in der Schriftform, empfiehlt sich eine ausgearbeitete Bewerbung.
Jürgen Bockholdt bietet Berufserfahrenen mit "Careers Lounge" einen weiteren Weg zum neuen Job. Der Headhunter und Geschäftsführer von Perit Consulting vermittelt hauptsächlich IT-Spezialisten. Doch er stellte fest, dass hochqualifizierte, berufserfahrene Bewerber und Firmen nicht leicht zueinander finden.
Daraus entstand die Idee, Wechselwillige mit Berufserfahrung Unternehmen vorzustellen. "Wir haben eineinhalb Jahre am Konzept gearbeitet und viel Geld investiert", sagt Bockholdt. Vor gut einem Jahr ging die Plattform online und inzwischen haben sich mehr als 10.000 Interessierte registriert, um die Infohäppchen und Videos kostenlos zu nutzen. Wer mindestens fünf bis acht Jahre Berufserfahrung mitbringt und einen neuen Arbeitgeber sucht, kann sich für die persönliche Betreuung und ein kostenloses Coaching bewerben. Die Kosten dafür trägt der künftige Arbeitgeber.
Bewerber brauchen Success-Story
Doch nicht jeder wird in den exklusiven Kreis aufgenommen. Interessenten müssten eine "Success-Story" mitbringen, erklärt der Headhunter. Fragen wie "Wo stehen Sie? Was ist Ihnen wichtig?", seien entscheidend, um mit den Beratern eine "Ich-Marke" aufzubauen. Bockholdt möchte Unternehmen mit Talenten bekannt machen, anstatt nur nach einem Suchprofil Kandidaten zu finden.
Bisher hat Bockholdt 450 Teilnehmer ins Premium-Segment aufgenommen, 25 bis 30 Prozent der Interessenten lehnt er ab. Nach den Auswahlkriterien gefragt, wird der eloquente Personalberater schmallippig. Schließlich nennt er ein Beispiel: Wenn jemand in fünf Jahren drei Mal den Job gewechselt habe oder Ende 50 sei, werde es schwierig.
Edgar Mayer überlegt, als Zeitarbeiter anzuheuern. Das verschafft ihm Luft für die weitere Suche und gleichzeitig lernt er neue Unternehmen aus der zweiten Reihe kennen.
Die fiesesten Fragen im Bewerbungsgespräch
Die fiesesten Fragen im Vorstellungsgespräch Wir haben Personalexperten gefragt, wie sie Kandidaten für Führungspositionen zwiebeln. Alle meinten, es gäbe bei ihnen keine gemeinen Fragen - wenn man sich denn vorbereitet. Aber natürlich hat jeder Personaler seine eigenen Spezialfragen..
Christof Müller, Senior HR Manager von Immobilienscout24, ... ... hat einige Fragen zu bieten, mit denen Bewerber gelöchert werden. "Wichtig für uns ist, den Kandidaten so zu erfassen, wie er wirklich ist. Stichwort: Authentizität. Das ist letztlich die Herausforderung."
Den Bewerber will Müller genau kennen lernen und sieht ihn sich daher sehr gründlich an "Gemeine Fragen stellen wir grundsätzlich nicht, es sei denn der Kandidat „schießt“ unter die Gürtellinie." Natürlich gibt es diverse Fragen wie etwa: "Was war die schwerste Entscheidung, die Sie in der Vergangenheit treffen mussten?" Oder "Wenn Sie jetzt wechseln, was würden Sie von Ihrer bisherigen Tätigkeit vermissen?"."
Vor allem die Führungsqualitäten klopft HR-Manager Müller ab: Mit Fragen wie "Was macht für Sie eine wirklich überzeugende Führungskraft aus?", "Was ist der Unterschied zwischen einer guten und einer ausgewöhnlichen Führungskraft?" und "Was ist Ihr persönlicher Leitsatz?" Und schon ist Müller bei den etwas unbequemeren Fragen ...
... wie etwa: "Wie lange dauert es, bis Sie bei uns einen signifikanten Beitrag leisten?", "Bitte beschreiben Sie, wie es war, als Sie für Ihre Arbeit kritisiert worden sind?",
"Wovor haben Sie am meisten Angst?" und "Was können Sie für uns tun, was andere nicht können?". Wer diese Fragen souverän beantworten kann, muss sich vor Müller nicht fürchten. Es sei denn, ein Kandidat schießt quer, dann stellt der Personaler unangenehme Fragen:
Wozu dient der Filz auf einem Tennisball?
Wie oft am Tag überlappen sich die Zeiger einer Uhr?
Wie würden Sie ohne Maßstab ein Flugzeug, etwa einen A380 vermessen?"
Leonie Hlawatsch, Personalreferentin bei doubleSlash Net-Business GmbH... ... setzt bei Bewerbungsgesprächen eher auf die leisen Töne: "Wir setzen auf offene Gespräche in lockerer Atmosphäre mit unseren Bewerbern, anstatt sie unter Druck zu setzen und mit Standardfragen zu „beschießen“. Eine übermäßige Stresssituation ist nicht der richtige Weg, um etwas über den wahren Charakter des Bewerbers zu erfahren – und wie er sich in der Situation des Arbeitsalltags verhält. Doch gerade das ist uns wichtig. Ob der Bewerber fachlich fit ist und die Herausforderungen seiner angestrebten Stelle meistern kann, bekommt man auch in einem für beide Seiten angenehmen Gespräch heraus." Das heißt nicht, dass Hlawatsch auf die kniffligen Fragen verzichten würde ...
Die Frage nach der bisher größten Herausforderung im Studium ... ... oder Leben ist für Bewerber immer etwas knifflig (bei Praktikums-oder Thesisbewerbern). Hlawatschs Tipp: "Auf jeden Fall ehrlich zu sein und nicht extra eine Situation als Beispiel zu nennen, die man besonders bravourös gemeistert hat. Das ist zu glatt und gibt nichts über den Bewerber preis. Und die Chance, einen Pluspunkt, zum Beispiel in puncto Lernbereitschaft oder Reflektiertheit zu sammeln, ist vergeben."
Vor allem sollten Bewerber gut informiert sein über das Unternehmen. Wer keine Informationen hat, hat auch keine Chance, meint Hlawatsch: "Generell kann man als Bewerber schwierige Fragen am besten meistern, wenn man sich vorab gut über das Unternehmen und die angestrebte Stelle informiert. Was genauso wichtig ist: Den eigenen Werdegang vorher nochmal Revue passieren zu lassen und sich klar sein, was man von dem neuen Job erwartet. Denn es ist nicht nur wichtig, dass man den Job bekommt, sondern dass das Unternehmen und die im Gespräch vorgestellte Stelle den eigenen Erwartungen entspricht. Als Beispiel zu diesem Punkt freue ich mich immer, wenn Bewerber mich während des Gesprächs fragen, wie es mir persönlich bei doubleSlash gefällt. Das finde ich toll und zeigt mir, dass diese Bewerber das „Gesamtpaket“ für Ihren neuen Job im Blick haben."
Marc-Stefan Brodbeck, Recruiting Leiter bei der Telekom, kann beruhigen: Um dem Bewerber vorweg die Angst zu nehmen: bei uns gibt es keine gemeinen Fragen. Selbstverständlich machen wir uns ein umfangreiches Bild des Bewerbers: Fachliche Qualifikationen werden getestet, aber auch die Persönlichkeit und der Charakter. Das gilt natürlich genauso umgekehrt. Schließlich möchte auch der Bewerber wissen, ob das Unternehmen seinen Erwartungen entspricht, ob wir zu ihm passen."
Dass ein Bewerber die groben Strukturen des Konzerns kennt, darauf legt Brodbeck großen Wert. Damit kann sogar punkten, wer gar keine Bewerbung schreibt, weiß der Recruiting-Leiter zu berichten. Als vor drei Jahren ein Student versuchte, einen Telekom-Anschluss zu bekommen, entpuppte sich das als Katastrophe. Nichts funktionierte. So schrieb der Student einen 15-seitigen Beschwerdebrief an ein Vorstandsmitglied, mit Verbesserungsvorschlägen für die Vertriebsstruktur. Prompt wurde er für ein Gespräch eingeladen und für ein Praktikum engagiert - ohne sich jemals beworben zu haben.
Ich habe heute leider kein Foto für Sie! Herbert Wittemer, Personalleiter bei msg Systems, greift einen ganz besonderen Punkt bei Vorstellungsgesprächen heraus: "Führungskräfte sind häufig auf der Internetseite ihres bisherigen Arbeitgebers per Foto zu sehen. Wenn nun dasselbe Foto als Bewerbungsbild verwendet wird, ist das alles andere als vorteilhaft. Vermutlich wurde das Foto auf Kosten und Arbeitszeit und im Design des bisherigen Arbeitgebers angefertigt - und dieses Foto nun privat und für den nächsten Job zu verwenden, zeugt weder von Kreativität, noch von Loyalität. Beides Merkmale, die insbesondere bei Führungskräften stark ausgebildet sein müssen."
Block und Stift sind ein Muss Ärgerlich ist für Wittemer auch, wenn "ein Kandidat weder Block noch Stift dabei hat. Jemand, der sich scheinbar alles merken kann und auch kein Blatt Papier und einen Stift parat haben muss, um ein Thema kurz mit einer Skizze zu erläutern, ist nicht glaubwürdig und scheint keinen Biss zu haben."
Hohe Erwartungen Den Kandidaten aus der Reserve zu locken, darauf setzt Wittemer: "Die härteste Frage ist für mich ganz einfach: „Was erwarten Sie von mir persönlich als Ihre künftige Führungskraft?" Kandidaten werden dabei verlegen, oder haben keine ordentliche Frage vorbereitet, obwohl sie selbst als Führungskraft die besonderen Anforderungen an die Beziehung Mitarbeiter – Führungskraft kennen müssten. Frei nach dem Motto: Ein Mitarbeiter wechselt zu einer Firma und verlässt seinen Chef."
Nicole Mamier, Personalleiterin bei Realtech AG, berichtet: "Meine Erfahrung ist, dass die Bewerber die größten Schwierigkeit mit Fragen haben, die eine gewisse Selbstreflektion erfordern. Zum Beispiel bei solchen Fragen wie:
"Was erwarten Sie sich persönlich von dem Jobwechsel? An welchen Kriterien messen Sie Ihren eigenen Erfolg? Was wollen Sie in sechs Monaten erreicht haben? Welche Rahmenbedingungen benötigen Sie, um erfolgreich zu sein? Was erwarten Sie von Ihrem Vorgesetzten? Was erwarten Sie von Ihren Mitarbeitern und wie fordern Sie das ein? In welcher Situation haben Sie in den letzten 6 Monaten etwas Neues gelernt? Und in welcher Situation konnten Sie das gelernte seither anwenden?
Wie steht Ihr Partner zu Ihrem Wunsch sich beruflich zu verändern? Nicole Mamiers Tipp ist, sich auf solche Fragen vorzubereiten und sich über sich selbst und seine Wünsche, Ziele und Fähigkeiten bewusst zu werden."
Professor Gunther Olesch, Geschäftsführer der Phoenix Contact, ... ... setzt auf eine altbewährte Frage an Führungskräfte:
"Wo will der Kandidat in zehn oder zwanzig Jahren sein? Dazu Manager Olesch:" Ich bin der Überzeugung, dass Führungskräfte, um visionäres Management zu betreiben, selbst eine Orientierung haben müssen. Wer mit einem Schiff in See sticht, muss das Ziel kennen. Die beste Antwort, die ich auf diese Frage bekomme habe, war: "Auf Ihrem Platz möchte ich in zehn Jahren sitzen." Den Kandidaten haben wir sofort eingestellt."
Aus Niederlagen lernen Dass die Visionen nicht immer Realität werden, weiß auch Olesch: "Man muss auch Niederlagen hinnehmen können. Solche Führungskräfte suchen wir. Denn aus solchen Niederlagen lernt man am meisten."
Ein Monat für die Vorbereitung Um herauszufinden, wie sich die Führungskraft einbringen möchte, hat Olesch eine umfangreiche Aufgabe. "Bewerber sollen sich konkrete Gedanken machen, wie sie eine bestimmte Abteilung in den nächsten fünf Jahren entwickeln möchten. Der Bewerber hat einen Monat Zeit, sich Gedanken über Maßnahmen zu machen, die er in einer Präsentation vorstellt. Erst danach wird eine Entscheidung getroffen. Dieses Verfahren wenden wir auch bei externen Kandidaten an - dank des Internets sind wir sehr transparent und merken schnell, wie sehr sich der Bewerber vorbereitet hat. Hat er sich nur unzureichend vorbereitet, fällt das sehr negativ auf."
Auf gehts in die Vorbereitung! Mit all diesen Tipps steht einem erfolgreichen Bewerbungsgespräch nichts mehr im Wege. Viel Erfolg!
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