Wann ist der richtige Zeitpunkt, um sich selbständig zu machen? Eine komplexe Frage, findet der Freiberufler Xenofon Grigoriadis, der unlängst auf dem CeBIT-Messestand der Computerwoche (gehört wie cio.de zum Verlag IDG Business Media) einen Vortrag hielt: "Freiberufler verschiedener Sparten sind zurzeit gesucht. Ob die ausgezeichnete Projektlage jedoch fortbesteht, lässt sich schwer einschätzen." Persönliche Aspekte seien ebenfalls abzuwägen.
Für junge Familien könne es schwierig werden, wenn ein Elternteil über längere Zeit in einer anderen Stadt tätig ist. Und ohne Projekterfahrung sei der Einstieg in die Selbständigkeit nicht leicht. "Wer bereits angestellt tätig war, verfügt meistens bereits über wertvolle Kontakte", ergänzt der diplomierte Physiker, der zunächst fünf Jahre in Festanstellung arbeitete, bevor er sich 2005 als Oracle-Architekt selbständig machte.
Qualifizierung ist Pflicht
Eine besondere Herausforderung des Freiberuflertums ist die antizyklische Weiterbildung: Es sei essenziell wichtig, sich auch weiterzubilden, während man intensiv in Projekten eingespannt ist. "Herstellerzertifizierungen wie auch Projektmanagement-Qualifizierungen in Scrum, Prince oder ITIL werden von Agenturen und Kunden besonders geschätzt", weiß Grigoriadis.
Früher habe man zwischen Generalist und Spezialist unterschieden. Empfehlenswert sei es heute, so der Oracle-Experte, in die Tiefe zu gehen - sich also durchaus zu spezialisieren, gleichzeitig aber die umliegenden Fachgebiete im Blick zu behalten und fachliche Ergänzungen aufzubauen. Wenn sich also ein Oracle-Spezialist nach dem so genannten T-shaped Modell ausrichtet, kann er sich im Bereich Datenbankentwicklung Oracle auf Datenbank-Tuning, Administration und Datenbanksicherheit spezialisieren. Gleichzeitig könne er sein Know-how generalistisch erweitern in Richtung Java Persistence Layer, Hibernate und JPA2. Eine Nische zu besetzen ist laut Grigoriadis sinnvoll: So könne sich der Experte für Tests in Mercury weiterbilden oder der Data-Warehouse-Spezialist sich als Oracle-Warehouse-Builder qualifizieren.
Klares Profil zeigen
Am besten präsentiert sich der Freiberufler mit ein oder zwei Kernkompetenzen, so Grigoriadis weiter. Der Kunde nehme dem Freiberufler nicht ab, dass er gleichzeitig eine hohe Fachkompetenz in Java, SOA, Oracle, und Security habe. Der Oracle-Experte ist überzeugt, dass zu viele unterschiedliche Skills das Profil des Freiberuflers verwässern.
Wichtig sei es, sein Angebot in wenigen Worten skizzieren zu können. Zudem sind laut Grigoriadis Soft Skills für den Erfolg des IT Freiberuflers von großer Bedeutung. In vielen Projekten könne man mit Projektmanagement-Skills punkten und so das Projekt auf sanfte Weise vorwärts bewegen, natürlich in Abstimmung mit den jeweiligen angestellten Projektmanagern.
Freiberufler sind in den unterschiedlichsten Unternehmen tätig. Hier gelte es zu beachten, dass jeder Betrieb seine eigene Unternehmenskultur pflegt. Wer also in einer Bank arbeitet, muss bereit sein, einen Anzug zu tragen. Um sich in den unterschiedlichen Unternehmen zurechtzufinden, benötigt man Grigoriadis zufolge zudem ein Gefühl für Machtkonstellationen. Mit einer gewissen Feinfühligkeit könne man vermeiden, von den Angestellten als Bedrohung wahrgenommen zu werden.
Die Honorarfindung
Die Honorarfindung ist ein komplexer Bereich. "Die Art der Dienstleistung wird belohnt und nicht derjenige, der den höchsten persönlichen Aufwand betreibt oder den größten Schwierigkeitsgrad bei seiner Tätigkeit hat", sagt der Oracle-Experte. Dass ein Java-Experte weniger verdient als ein SAP-Profi, müsse der Freiberufler akzeptieren. Wünschenswert wäre eine Differenzierung bei den Honoraren: "Berufseinsteiger haben oft nicht die Freiheit, Honorare anzugeben, wie sie möchten, und haben deshalb Schwierigkeiten, sich im Markt zu positionieren. Dagegen stehen die Honorare für Spitzenexperten teilweise im Missverhältnis zu ihrem Aufwand."
Netzwerke stärken den IT-Freiberufler
Für einen selbständigen IT-Experten sind Netzwerke sehr wichtig, betont Xenofon Grigoriadis. Er selbst ist aktiv im Berufsverband Selbständige in der Informatik (BVSI). Die Kollegen aus den BVSI-Arbeitskreisen kennen sich persönlich und empfehlen sich gegenseitig weiter. Sogar Direktaufträge seien über Empfehlungen von Kollegen aus dem Verband zustande gekommen. Nach seiner Erfahrung ist die Netzwerkarbeit für die eigene Selbständigkeit enorm hilfreich und macht unabhängiger von Agenturen. Ein Netzwerk unter Freiberuflerkollegen verhelfe durch viele Insidertipps zu einer besseren Übersicht über den Markt.
Wer soll sich selbständig machen?
"Wer aufsteigen will und Karriere machen will, ist sicherlich als Angestellter in einem großen Unternehmen besser aufgehoben," rät Grigoriadis. Auch diejenigen, die Unternehmensprozesse gestalten möchten, der sollten im Unternehmen bleiben, denn IT-Freiberufler seien immer mehr Berater denn Gestalter und müssten akzeptieren, dass ihre Ideen oft nicht umgesetzt werden. Ein IT-Spezialist jedoch, dem der Status weniger wichtig als die Bezahlung ist, sollte selbständig arbeiten, meint Grigoriadis. Ein weiteres Argument für eine selbständige Tätigkeit wäre, wenn der IT-Spezialist gern selbst bestimmt arbeitet und beruflich mobil ist.