ERP und Mittelstand - der US-Marktforscher Aberdeen wollte wissen, inwieweit da eine Lücke klafft. Die Analysten haben sich angesehen, wie Firmen mit einem Jahresumsatz zwischen 50 Millionen und einer Milliarde US-Dollar Enterprise Resource Planning (ERP) einsetzen. Das Ergebnis ist laut der Studie "ERP in the midmarket 2009" uneinheitlich: 28 Prozent der Mittelständler arbeiten mit dem neuesten Release. Auf der anderen Seite sind 14 Prozent immer noch dabei, überhaupt ein ERP-System zu implementieren. Eine relative Mehrheit von 31 Prozent hängt der Entwicklung einen Release hinterher, bei 26 Prozent sind es zwei oder mehr Versionen.
Mittelständler untereinander geben also ein sehr heterogenes Bild ab. Entsprechend unterschiedlich sind denn auch die Resultate, die die Unternehmen mit ihrer ERP-Software erzielen. Aberdeen weist den Studienteilnehmern drei Kategorien zu: Besonders erfolgreiche Firmen ("Best in Class"/BiC), Durchschnitt ("Average") und Schlusslichter ("Laggards"). Dabei senkten die BiCs Betriebs- und Verwaltungskosten um jeweils 17 Prozent. Die Teilnehmer im Mittelfeld verbuchten Reduktionen um sieben (Betriebskosten) beziehungsweise sechs Prozent (Verwaltungskosten).
Die Schlusslichter dagegen zahlten um zwei (Betriebskosten) beziehungsweise drei Prozent (Verwaltungskosten) drauf. Diese Zahlen basieren auf einem Zweijahresvergleich.
Darüber hinaus reduzierten die Klassenbesten ihren Personalbedarf um dreizehn Mitarbeiter. Die Firmen im Mittelfeld kamen mit drei Mitarbeitern weniger aus, während die Laggards einen Mitarbeiter mehr brauchten.
Inwieweit diese Unterschiede mit der Aktualität der genutzten ERP-Software zusammenhängen, war nur ein Aspekt der Studie. 43 Prozent der "Best in Class"-Firmen nutzen die neueste Version, im Mittelfeld sind es 23 Prozent und bei den Schlusslichtern 15 Prozent. Für relevanter halten die Analysten den Umgang mit der Lösung, und zwar sowohl aus technischer wie aus organisatorischer Sicht. Konkret: 70 Prozent der BiCs legen für die ERP-Implementierung standardisierte Prozesse fest. Das gilt aber nur für 53 Prozent der Firmen im Mittelfeld und für knapp jeden zweiten Nachzügler (49 Prozent).
Fast acht von zehn Musterfirmen (79 Prozent) bilden cross-funktionale Teams aus IT und Fachabteilungen, die sich in Sachen ERP abstimmen. Unter den Durchschnittsfirmen sind es 68 Prozent, unter den Laggards 63 Prozent. Und während 92 Prozent der BiCs messen, ab wann die ERP-Lösung Nutzen bringt, sind es im Mittelfeld nur 59 Prozent und unter den am wenigsten erfolgreichen Firmen 46 Prozent.
Schließlich haben die Studien-Autoren den Mittelstand bei der Frage nach den ERP-Treibern mit großen und kleinen Firmen verglichen. Dabei zeigen sich unterschiedliche Motive für den ERP-Einsatz. So geben Großkonzerne an, vor allem Interoperabilität zwischen verschiedenen Standorten erhöhen (39 Prozent) und Kosten senken (38 Prozent) zu wollen. Diese Ziele liegen also fast gleichauf.
Unter den Mittelständlern dagegen nennen 47 Prozent den Wunsch, Kosten zu senken. Interoperabilität rangiert mit 31 Prozent der Nennungen deutlich dahinter. Kleinen Firmen geht es ebenfalls sehr deutlich um Kostenreduktion (48 Prozent). Verbesserung der Interoperabilität geben nur 14 Prozent an.
Bei ERP steht die Funktionalität im Vordergrund
Die Analysten haben außerdem - unabhängig von der Firmengröße - erfragt, welche Kriterien bei der Auswahl einer ERP-Lösung die größte Rolle spielen. Auf einer Skala von eins (sehr unwichtig) bis fünf (sehr wichtig) rangieren die Funktionalitäten mit dem Wert 4,8 ganz oben. Es folgt die Nutzerfreundlichkeit mit 4,5 noch vor den Gesamtkosten (Total cost of ownership) mit 4,2 Punkten. Die Lizenzkosten erreichen einen Wert von 3,8.
Die Studienautoren interpretieren die Ergebnisse dahingehend, dass Unternehmen wenig Aufwand mit ihrem ERP-System haben wollen. Sie seien heute nicht mehr bereit, Mitarbeiter in zeitintensive Trainings und Seminare zu schicken.
ERP darf nicht viel Aufwand machen
Einer der Studienteilnehmer berichtet, wie sein Unternehmen den Anbieter ausgesucht hat. Man habe sich für eine Lösung entschieden, die nicht erst aufwendig angepasst werden muss. Außerdem sei die Kommunikation mit dem jetzigen Anbieter unkomplizierter gewesen als mit anderen Verkäufern.
Aberdeen hat für die Studie "ERP in the midmarket 2009" insgesamt 762 Unternehmen analysiert, davon 313 mittelständische.