CIO.de: Frau Wolf, wie hat sich Ihre Arbeit als Personalerin im Zuge der Corona-Krise verändert?
Susanne Wolf: Ich war einiges gewohnt, in dem stark umkämpften Münchner Arbeitsmarkt nach Daten- und KI-Experten suchen zu müssen. Wir waren bis einschließlich Februar noch auf vollem Wachstumskurs, wie die vergangenen Jahre auch. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir über 30 Stellenangebote für Datenexperten als auch in anderen Bereichen wie Marketing-, IT-, Sales- oder Personalabteilung offen. Doch dann kam Corona!
Einige Projekte wurden vorübergehend gestoppt, und wir entschlossen uns, Kurzarbeit einzuführen. Ein Thema, mit dem ich mich bis dahin noch nie auseinandersetzen musste. Es war nicht mehr möglich, Business as-usual zu machen und so zu tun, als wäre nichts geschehen. Ich musste iterativ vorgehen, das heißt, zunächst erstmal allegemachten Pläne hinterfragen und prüfen, wie der neue Personalbedarf aussieht.
CIO.de: Wie haben Ihre Mitarbeiter darauf reagiert?
Susanne Wolf: Unsere Mitarbeiter konnten unsere Vorgehensweise sehr gut nachvollziehen. Denn sie verstanden, dass Kurzarbeit ein wichtiges Instrument ist, um möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten. Das haben wir sehr gut geschafft, indem wir zu jedem Zeitpunkt versucht haben, bestmögliche Transparenz zu dem Thema zu geben. Es wurde mit jedem Mitarbeiter ein individuelles Gespräch geführt und die jeweiligen Gründe im Detail erläutert.
Außerdem hat sich das Management dazu entschlossen, das Kurzarbeitergeld für die Mitarbeiter aufzustocken. Sobald sich die Projektlage änderte, haben wir die Kurzarbeitsregelung für die betreffenden Mitarbeiter sofort angepasst oder auch ganz aufgehoben und dies umgehend mit dem Mitarbeiter abgestimmt. Der Aufwand für uns als Personalabteilung und auch für die Lohnbuchhaltung ist enorm.
CIO.de: Sie haben ja im Februar noch viele Vorstellungsgespräche geführt, und Bewerber haben dann auch die Arbeitsverträge unterschrieben. Wie ging es für diese Mitarbeiter weiter, die mitten in der Krise ihren Job antraten?
Susanne Wolf: Wir haben keine der geplanten Neueinstellungen abgesagt. Das wurde von den neuen Mitarbeitern besonders wertgeschätzt. Trotz der veränderten Rahmenbedingungen war es uns wichtig, im stetigen Kontakt zu bleiben bzw. im Austausch mit den künftigen Kollegen zu stehen. Das Onboarding haben wir virtuell abgebildet. Die Umstellung war insofern kein Problem für uns, da die Infrastruktur glücklicherweise schon vorhanden war. Das Equipment wie Laptop, Smartphone usw. wurde unseren Newbies unkompliziert in einem Welcome-Package nach Hause geschickt.
Durch den ausschließlich virtuellen Kontakt war es mir besonders wichtig, ein noch stärkeres Augenmerk auf unser Buddy-Programm zu legen. Denn im Büroalltag können neue Kollegen bei Fragen ihren Sitznachbarn oder den Vorgesetzten ansprechen - aber eben zu Corona-Zeiten nicht. Das Buddy-Programm ist so aufgesetzt, dass jeder neue Mitarbeiter zwei Buddys an die Seite gestellt bekommt. Ein Buddy ist speziell für die Onboardingphase, also für die ersten Wochen zur Einführung in das Teamsetting und die entsprechenden technischen Tools verantwortlich.
Der zweite Buddy steht für die langfristige Unterstützung zur persönlichen und aber auch fachlichen Weiterentwicklung zur Verfügung. Das hat alles super funktioniert und wurde trotz der neuen Situation von den neuen Kollegen als sehr professionell und strukturiert empfunden.
Spagat zwischen Kurzarbeit und Mitarbeiterzufriedenheit
CIO.de: Was fordert Sie als Personalerin am meisten?
Susanne Wolf: Die rechtliche Absicherung war für mich mit eine der größten Herausforderungen. Durch die neue Situation waren selbst die staatlichen Stellen oft über die kurzfristigen politischen Entscheidungen nicht informiert. Des Weiteren war es ein Spagat zwischen dem Einführen der Kurzarbeit und der Mitarbeiterzufriedenheit. Auch die Unternehmenskultur hat an der veränderten Arbeitssituation gelitten. Denn unser früheres Arbeiten lebte auch von gemeinsamen Aktivitäten, ob das nun Grillen auf unserer Dachterrasse, Kickern oder Nerf-Gun-Schlachten waren. Hier haben wir uns einige Maßnahmen einfallen lassen, die unser Musketier-Prinzip förderten.
CIO.de: Lässt sich ein solcher Zusammenhalt auch virtuell fördern?
Susanne Wolf: Ja, das ist natürlich nicht so einfach, da man virtuell nie das Zwischenmenschliche so abbilden kann. Wir haben uns sehr stark mit der Frage befasst: "wie gehe ich im social-distancing-modus" mit diesem Thema um? Wir haben schließlich verstärkt auf digitale Veranstaltungen gesetzt. Zweimal wöchentlich finden virtuelle Coffee-Breaks statt, in denen Gründer und Geschäftsführer Alexander Thamm unter anderem ein kurzes Update zu der aktuellen Lage gibt.
Eine weitere Initiative ist unsere "Keep the AT Spirit alive", für die eine eigene Task Force ins Leben gerufen wurde. Der darf sich jeder Mitarbeiter anschließen und helfen, den Zusammenhalt stärker voranzutreiben. Auch Mitarbeiter sind aktiv geworden, haben etwa mit dem Lunch Loop einen Algorithmus programmiert, der Kollegen zum virtuellen Lunch zusammenwürfelt. Diese Balance aus Unternehmensmaßnahmen und Mitarbeiterinitiativen funktioniert wirklich sehr gut und stärkt uns als Team, um durch die Krise zu kommen.
CIO.de: Wie geht es bei Ihnen weiter?
Susanne Wolf: Inzwischen arbeitet ein Teil der Mitarbeiter wieder im Office. Die Anzahl der Arbeitsplätze ist allerdings beschränkt, um die Abstandsregeln einhalten zu können. Damit dies sichergestellt wird, muss sich jeder Mitarbeiter vorab in einen Belegplan eintragen. Zusätzlich haben wir weitere Hygiene- sowie Arbeitsschutzmaßnahmen ergriffen. Ein Großteil der Kollegen arbeitet aber nach wie vor remote. Ansonsten ist es nicht so einfach zu beantworten, wie es weitergeht, da wir vor unvorhersehbaren Entwicklungen stehen.
Einerseits ist der weitere Verlauf der Corona Krise noch nicht abschätzbar, anderseits ist heute schon klar: bedingt durch die Krise verändern sich die Rahmenbedingungen des wirtschaftlichen Handelns, bisherige Strategien müssen grundsätzlich überdacht werden und aufbauende Maßnahmenpläne für die Zeit nach der Krise erstellt werden. Diesbezüglich lassen sich nur Hypothesen formulieren und hierauf aufbauende Szenarien entwerfen. Wir verstehen dies auch als unsere Aufgabe und wollen die Weichen für die Zeit nach der Krise in Richtung Erfolg stellen. Deshalb arbeiten wir an einem Recovery-Plan, der den Weg zurück in die Normalität beschreiben soll. Diesen Plan gilt es regelmäßig zu überprüfen.
Bewerben lohnt sich trotz Corona
CIO.de: Was empfehlen Sie aktuell Bewerbern?
Susanne Wolf: Auch wenn die Wirtschaft gerade einbricht und die Zahl der Kurzarbeiter in der nächsten Zeit auf Rekordniveau bleibt - bewerben lohnt sich dennoch! Gerade in der IT-Branche ist trotz Corona kein signifikanter Rückgang zu verzeichnen. Es wird in diesem Bereich stetig Fachpersonal gesucht. Auch Berufseinsteiger sollten sich nicht entmutigen lassen und die Lücke vorübergehend mit Weiterbildungen schließen. Daher wäre meine Empfehlung sich weiterhin bei Unternehmen zu bewerben.
CIO.de: Was können Sie den Lesern mit auf den Weg geben?
Susanne Wolf: Wir müssen umdenken. Das Bedürfnis nach flexiblen Arbeitsmodellen wird durch die Corona Krise nun noch stärker sein als zuvor. Die Mitarbeiter fragen sich, warum soll ich am Schreibtisch sitzen, wenn die Arbeit auch mittlerweile im Café oder von zu Hause in den eigenen vier Wänden erledigt werden kann? Und die Arbeitgeber fragen sich, warum sollen wir so viel Bürofläche anmieten, wenn der Mitarbeiter auch von zu Hause seine Arbeit verrichten kann? In einer Arbeitswelt, in der Ergebnisse zählen anstatt nur durch Anwesenheit zu glänzen, ist die Präsenzkultur auf dem Rückmarsch. Individuelle Arbeitsmodelle sind heute mehr denn je unverzichtbarer Bestandteil eines jeden Kompensationspakets.
Jedes Unternehmen sollte sich reflektieren und auf einen Prüfstand stellen, um für die Zukunft gewisse Dinge zu verändern. Ich sehe in dieser Krise auch eine Chance zur positiven Disruption. Als Personalchefin, finde ich das einen sehr spannenden Prozess, den ich hier gerade beobachte. Endlich kommt bei der Digitalisierung Bewegung in Bereiche, in denen bisher viel verschlafen wurde. Eines Tages werden wir vielleicht zurückblicken und feststellen, dass aus der Krise Innovationen entstanden sind, die zur Metamorphose der Wirtschaft beitrugen.
Über die Alexander Thamm GmbH
Die Data- und KI-Beratung Alexander Thamm GmbH entwickelt und implementiert datengetriebene Services sowie Geschäftsmodelle im deutschsprachigen Raum, von der Datenstrategie über die Entwicklung von Algorithmen und den Aufbau von IT-Architekturen bis hin zu Wartung und Betrieb. Zudem bietet sie Schulungen zu Data Science, Big Data und Künstlicher Intelligenz an. Gegründet wurde die Alexander Thamm GmbH im Jahr 2012 von Alexander Thamm und beschäftigt derzeit über 150 Mitarbeiter. Der Hauptsitz befindet sich in München. Weitere Standorte sind Berlin, Frankfurt, Leipzig, Stuttgart und Köln.