Um ihre Business Intelligence (BI) organisatorisch in den Griff zu bekommen, richten immer mehr Unternehmen ein so genanntes Business Intelligence Competence Center (BI) ein. Analysten von Cirquent, dem Business Application Research Center (BARC), Experton und Forrester beantworten die wichtigsten Fragen dazu.
Wie verbreitet sind BICCs inzwischen? „Mittlerweile haben überraschend viele Unternehmen ein BICC“, sagt Steffen Vierkorn, Head of Research and Consulting bei BARC. Laut einer aktuellen Umfrage seines Hauses unter 400 Unternehmen verfügen bereits 60 Prozent der Firmen über ein Kompetenz-Zentrum für BI-Fragen. Matthias Zacher, Senior Advisor bei der Experton Group, beziffert die Zahl der Großunternehmen mit einem BICC auf etwa zwei Drittel. „Praktisch alle Großunternehmen haben sich mit dem Thema auseinandergesetzt, auch mittelständische Unternehmen haben sich dem Thema geöffnet“, so Zacher.
Der recht hohe Verbreitungsgrad erklärt sich laut Vierkorn aber auch dadurch, dass mit dem Begriff BICC nicht immer das gleiche gemeint ist. Manche Unternehmen haben lediglich ein Team gebildet, dass sich beispielsweise ums Anforderungs-Management oder um die Koordination von Ressourcen kümmert. Auf dieser schlanken Variante klebt ebenso das Etikett „BICC“ wie auf Abteilungen, die sich ganzheitlich und unternehmensweit um Datenqualität, Kennzahlen-Management, Umsetzung von Reports und BI-Softwareauswahl kümmern.
So erklärt sich wohl auch, dass die IT-Berater von Cirquent und Prof. Arnold Picot von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München in einer ebenfalls aktuellen Erhebung zu einer deutlich geringeren Verbreitung kommen. Demnach haben 49 Prozent der Unternehmen ein BICC oder eine vergleichbare Organisationseinheit eingerichtet. In 17 Prozent der Firmen existiert ein Shared Service Center mit BI-Bereich. 76 Prozent der Unternehmen bestätigen zudem, dass ihre Abteilung über BI-Know-how verfügt.
Warum können BICCs sinnvoll sein? Die Studie von Cirquent und LMU offenbart indes auch, dass es im BI-Bereich noch gravierende Mängel hinsichtlich Konsistenz, Datenqualität und Effizienz gibt. „Es ist schon höchst erstaunlich, dass 87 Prozent der Befragten ihre Bericht noch manuell nachbearbeiten“, sagt Ulrich Auer, Vice President Finance Transformation bei Cirquent. Altbekannt ist das Problem heterogener BI-Landschaften mit einer Vielzahl unterschiedlicher Teillösungen und der Anwendervorliebe für das Erstellen von Excel-Dateien. „Eine Ursache dafür ist das Eigenleben der Fachabteilungen, die sich gerne das eine oder andere schicke Tool für ihren Eigenbedarf anschaffen“, so Auer. Insbesondere die IT-Abteilungen drängen oft darauf, diese Mängel zu beheben – und scheitern dabei an internen Widerständen. Der BI-Wildwuchs ist aber laut Auer nicht immer hausgemacht, sondern zum Teil unvermeidlich: Im Falle von Fusionen oder der Übernahme von anderen Unternehmen wird auch an BI-Tools das eingekauft, womit in den geschluckten Firmen eben gearbeitet wird.
In vielen Unternehmen fehlt BI-Strategie
BICCs sind nach Ansicht von Cirquent das Mittel schlechthin, um die in solchen Fällen notwendige Standardisierung und Harmonisierung anzugehen. „Wen man das effizient anpacken will, führt an einen zentralen Ansatz kein Weg vorbei“, sagt Auer. Hinzu komme, dass im Gegensatz zum Markt für Enterprise Resource Planning (ERP) das Angebot an BI-Software äußerst vielfältig sei. Auch das spricht für ein koordiniertes Handeln in diesem Bereich. Oftmals fehlt ohnehin eine konsistente BI-Strategie. So fehlt es in vielen Unternehmen an einem zentralen Anforderungsmanagement, das uneinheitliche Anforderungen konsolidieren hilft und das Sammeln und Bewerten sich verändernder Anforderungen bewerten hilft.
Wer braucht ein BICC? BARC empfiehlt die Einrichtung eines BICC allen Unternehmen, die BI eine größere Bedeutung zumessen. Nach Einschätzung von Cirquent ist die Einrichtung einer zentralen Stelle nicht in jedem kleinen oder mittleren Unternehmen zwingend notwendig. Wer allerdings einen Problemdruck beispielsweise im internen Berichtswesen verspürt, sollte handeln. „Wenn lediglich 150 Mitarbeiter auf die BI-Anwendungen zugreifen, braucht es in der Regel kein BICC“, so Auer. Bei mehreren Tausend Zugriffen sehe die Lage anders aus.
Was genau ist ein BICC? Eine zentrale Stelle, in der die BI-Steuerung auf fachlicher, technischer und organisatorischer Ebene zusammenläuft. Deshalb sind Experten sowohl von fachlicher Seite als auch aus der IT-Abteilung eingebunden – und zwar über den losen Austausch hinaus, den es in jedem Unternehmen gibt.
Ob es sich dabei um eine Stabstelle oder lediglich um ein zentrales Team handle und welche Aufgaben und Kompetenzen das BICC übernimmt, hängt laut BARC-Analyst Vierkorn, von den individuellen Zielen des Unternehmens ab. Deshalb sei es absolute Voraussetzung, die BI-Ziele vorab zu identifizieren und sauber zu definieren. Auch Ulrich Auer von Cirquent rät zu einer klaren Vorab-Definition der Ziele etwa durch ein Reifegrad-Assessment, das den Status Quo der Unternehmens-BI in fachlicher, technischer und organistorischer Hinsicht klärt. „Ohne ein Big Picture vor Augen sollte man sich an das Thema nicht heranwagen“, so Auer.
„Ein BICC kann unterschiedliche Ausprägungen und Organisationsformen haben“, sagt auch Matthias Zacher von Experton. Zwingend zu besetzen seien drei Kernfunktionen: Leiter/Verantwortlicher, Vertreter Fachseite, BI-Architekt. Zu den weiteren Funktionen zählt Experton unter anderem Modellierer, Anwendungsentwickler, Projektleiter, Datenverantwortlicher, Trainer, internes Marketing.
Vier Schritte zum BICC
Wie groß sollte die Einheit sein? Manchmal genügen schon zwei bis drei Personen, in anderen Fällen kann das BICC aus 20 bis 30 Leuten bestehen. Die Größe hänge einerseits von der Unternehmensgröße ab, andererseits vom Umfang der identifizierten Aufgaben, so Steffen Vierkorn. „Eine Blaupause für unterschiedlichste Ausprägungen gibt es nicht“, sagt der BARC-Analyst.
Wie baut man so eine Einrichtung auf? Experton nennt vier Schritte für den Aufbau eines BICC: Bildung einer Arbeitsgruppe, Stellenbeschreibung und – berufung, Ist-Analyse, Definition der Ziele auf fachlicher, organisatorischer, technologischer und Architektur-/Infrastrukturebene (Konzept und Roadmap).
„In der Praxis entwickeln sich BICCs evolutionär“, sagt Ulrich Auer von Cirquent. Es ist also sinnvoll, zunächst eine Projektgruppe einzurichten, aus der sich das BICC nach und nach entwickelt. BARC beschreibt einen möglichen Ablauf ähnlich: Basis ist ein so genanntes virtuelles BICC, aus dem bei Bedarf ein breiter aufgestelltes und fester verankertes BICC hervorgeht.
Von zentraler Bedeutung ist nach Ansicht aller Experten die Phase der Vorarbeit, Planung und Beschreibung der Anforderungen. Forrester hat vor einiger Zeit die fünf zentralen Fragen und vier weitere Schritte zusammengefasst. Zunächst sollte bedacht werden: Soll das BICC einen strategischen oder operationellen Zweck erfüllen? In welchem Umfang sollen interne und externe Expertise einfließen? Soll es bei einer virtuellen Organisation bleiben oder ist eine physische Abteilung nötig? Welche Verantwortlichkeiten soll das BICC haben? Kann es sowohl Business als auch IT unterstützen? Die weiteren Schritte: Entscheiden, welches Finanzierungsmodell zum angestrebten BICC passt. Mit einem engen Zuschnitt beginnen und das Kompentenz-Zentrum wachsen lassen. Erfolg und Fortschritte messen. Das BICC mit anderen Einrichtungen aus dem Bereich Datenmanagement kurzschließen.
Wo sollte das BICC organisatorisch angesiedelt sein? Forrester riet schon vor zwei Jahren dazu, ein BICC unter Business-Hoheit aufzusetzen. Ulrich Auer von Cirquent verweist darauf, dass zumeist Richtlinienkompetenz von fachlicher Seite gefragt ist und deshalb eine Ansiedlung auf Business-Seite Sinn ergibt. Die aktuellen BARC-Erkenntnisse weisen in eine andere Richtung. „In der Praxis gibt es erfolgreiche Modelle sowohl unter IT- als auch unter Business-Regie“, berichtet Vierkorn. Wenn es vorwiegend technologische Fragen zu regeln gilt, ist ein BICC gut in der IT-Abteilung aufgehoben. „Wenn hingegen der CFO der Treiber ist und das Gros der Daten aus dem Finance-Bereich kommt, ist eine Ansiedlung dort sinnvoll“, so der BARC-Analyst.
Erfolgsfaktoren: Klare Governance und langer Atem
Welche Faktoren entscheiden über den Erfolg? Die größte Herausforderung ist es nach Einschätzung von Experton-Analyst Zacher, alle Fachbereiche und BI-Verantwortlichen an einen Tisch zu bekommen: „Gegebenenfalls müssen Datenfriedhöfe und weitere ruhende Projekte angefasst werden. Davor scheuen sich manche Bereiche. Die Aufgabe erfordert Neu- und Umorganisation vorhandener BI-Strukturen. Veränderungen sind vielfach nicht gewünscht.“
Mit Widerständen ist also zu rechnen. „Deshalb geht es auch nicht ohne einen Sponsor im Unternehmen“, so Vierkorn. Ein BICC braucht in jedem Fall einen Treiber, der über genügend Geld und Macht verfügt, um die gewünschten Resultate wirksam zu befördern.
Entscheidend sei insgesamt eine gute Zusammenarbeit zwischen IT und Fachbereichen. „Dafür erforderlich ist eine klare Governance, wer für welchen Bereich zuständig ist“, rät Vierkorn. „Es geht nicht gut, wenn die IT die Kennzahlen vorgibt und die Fachbereiche die Datenformulare entwickeln.“ Schon bei der personellen Zusammenstellung des BICC ist es ratsam, auf einen breiten Horizont der Beteiligten zu achten. Mitarbeiter aus der IT-Abteilung sollten Einblicke in geschäftliche Anforderungen mitbringen, Mitarbeiter aus den Fachbereichen im Umgang mit Daten und Informationen versiert sein.
Außerdem ist Geduld gefragt. „Unternehmen sollten wissen, dass BICCs in der Regel keinen kurzfristigen Erfolg bringen“, warnt Vierkorn. Es könne durchaus drei Jahre dauern, bis sich der Durchbruch einstellt. Überhaupt ist langer Atem hilfreich. So empfiehlt auch Ulrich Auer von Cirquent, BICCs nicht als temporäre Projekte zu betrachten. Zwar kann die angestrebte Standardisierung der BI-Landschaft in einem überschaubaren Zeitraum erreicht. „Aber gerade im BI-Bereich gibt es ständig Weiterentwicklungen“, so Auer. Überflüssig dürfte ein BICC also so schnell nicht werden.