Ein knappes Jahr nach dem Start kommt UMTS bescheiden daher. Ohne großes Getöse haben alle vier UMTS-Lizenzinhaber die dritte Mobilfunkgeneration eingeführt. Fast heimlich, still und leise starteten T-Mobile und Vodafone im Frühjahr 2004 mit UMTS, O2 und E-Plus folgten im Sommer. Wer groß angelegte Werbekampagnen und UMTS-Feldzüge erwartet hat, sieht sich getäuscht. Allenfalls ein paar kleine UMTS-Aufkleber an den Schaufenstern der Handy-Shops künden vom neuen Mobilfunkzeitalter - ein krasser Kontrast zum Hype der UMTS-Lizenzversteigerung. Ist UMTS also ein Flop?
Fragt man bei den Mobilfunkbetreibern nach, spricht einiges dafür. Kein einziger Provider gibt seine UMTS-Nutzerzahlen heraus. Offensichtlich sind die Daten nicht so überragend, dass die Anbieter damit Eindruck schinden könnten. Eine Vodafone-Sprecherin begründet ihre Verschwiegenheit mit der kurzen Einführungsphase. Bei O2 heißt es: "Kundenzahlen kann man jetzt noch nicht guten Gewissens veröffentlichen." E-Plus blockt ganz ab. Und bei T-Mobile heißt es lapidar: "Wir trennen nicht zwischen UMTS- und Nicht-UMTS-Kunden." Also könne man auch keine UMTS-Zahlen herausgeben.
Über 20 Millionen Kunden bis 2009
Immerhin sagen die Analysten von IDC für den deutschen Markt für 2005 insgesamt 3,6 Millionen UMTS-Kunden und eine jährliche Wachstumsrate zwischen 70 und 90 Prozent voraus. 2008 würden dann laut IDC-Studie die deutschen UMTS-Lizenznehmer über 20 Millionen UMTS-Kunden verfügen.
Zurzeit scheinen die Kundenmassen aber noch zu fehlen. Nach Analystenmeinung kämpfen die Provider nur mit Startproblemen. "UMTS muss sich erst einmal etablieren", sagt Ariane Afrough, Research Manager bei IDC. "Das passiert nicht von heute auf morgen, sondern ist ein längerer Prozess." Dass die UMTS-Lizenznehmer so vorsichtig agieren, hängt auch mit dem UMTS-Hype zusammen, der im Zuge des medienträchtigen Bieterstreits 2000 in eine regelrechte UMTS-Aversion umschlug. "Die negative Stimmung, die UMTS lange Zeit begleitet hat, muss sich erst legen."
Rechtlich haben die UMTS-Anbieter ihre Hausaufgaben immerhin schon gemacht. Die vier Netzbetreiber sind ihrer Verpflichtung nachgekommen, bis Ende 2003 mindestens 25 Prozent der Bevölkerung mit UMTS zu versorgen. Inzwischen liegt die Netzabdeckung bei T-Mobile, Vodafone und O2 bei 50 Prozent, eine Quote, die erst Ende 2005 erreicht sein müsste. Damit hat rein statistisch jeder zweite Bundesbürger UMTS-Anschluss.
Von einer flächenmäßigen Versorgung sind die Provider allerdings weit entfernt - UMTS deckt nicht einmal zehn Prozent der Fläche Deutschlands ab. Nur größere Städte über 100 000 Einwohner haben UMTS-Anbindung, in kleineren Städten oder auf dem Land ist die Versorgung nicht garantiert. Ob das Breitbandnetz in bestimmten Gebieten verfügbar ist, hängt von den einzelnen Betreibern ab. Vodafone stellt UMTS in etwa 700 Städten und Ballungsgebieten zur Verfügung. E-Plus vernetzt zurzeit 300 Städte, darunter alle mit mehr als 300 000 Einwohnern. T-Mobile und O2 haben ein Roaming-Abkommen für die Netzbenutzung geschlossen: Damit decken sie alle Städte über 100 000 Einwohner ab.
Für UMTS-Interessenten, die wissen wollen, ob das Breitbandnetz in ihrer Region verfügbar ist, stellen die Mobilfunkanbieter Listen sowie Abfragemöglichkeiten im Internet zur Verfügung.
Die UMTS-Hauptanwendung für Geschäftskunden ist die Datenkarte. Solche UMTS-Karten werden von allen Mobilfunkbetreibern angeboten und in den PCMCIA-Slot des Notebooks gesteckt. Damit wählen sich Geschäftskunden via Laptop ins Firmennetz ein und rufen von unterwegs E-Mails, Internet- und Intranet-Anwendungen ab.
Die Karten unterstützen UMTS-Übertragungsraten bis zu 384 KBit/s. Damit Reisende auch abseits gesicherter UMTS-Pfade nicht den Anschluss verlieren, schalten die Datenkarten im Bedarfsfall auf das mit 53,6 KBit/s langsamere, aber fast überall verfügbare GPRS um. Nutzt der Kunde einen Laptop, der WLAN-fähig ist, kann er die Karte darüber hinaus in WLAN-Hotspots einsetzen. Einziger Nachteil der Datenkarten: Sie sind relativ klobig und ragen ein gutes Stück aus dem Notebook-Slot heraus. Zwischen 100 und 200 Euro kostet die Karte, bei Abschluss eines Vertrages gibt es sie für wenige Euros oder umsonst dazu.
Die Vorzüge der UMTS-Datenkarte überzeugen Stefan Schraml, Leiter Customer Service beim Selber HSB Systemhaus. Das Systemhaus betreut die IT-Ausstattung der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Rödl & Partner. "Wir haben das Problem, dass die Wirtschaftsprüfer und Steuerberater mit ihren Notebooks wochenlang unterwegs sind", sagt Schraml. "Wichtige Updates und Patches - etwa neue Virensignaturen - konnten bislang nur mühsam aufgespielt werden." Das Verschicken von CD-ROMs mit entsprechenden Programmen war ein ebenso aufwändiges wie kostenintensives Verfahren. Und: Die IT-Spezialisten konnten nie sicher sein, dass die Programme richtig aufgespielt wurden.
Datenkarte für Geschäftskunden
Via UMTS-Datenkarte und T-Mobile-UMTS-Anbindung installiert Schraml Updates und Patches schnell und kostengünstig. Wenn sich der Außendienstmitarbeiter von Rödl & Partner per Laptop ins Unternehmensnetz einwählt, um beispielsweise E-Mails abzurufen, werden automatisch Updates per UMTS übertragen. "Mit der Datenkarte kann ich die Notebooks der Mitarbeiter fast wie einen normalen PC im Firmennetz behandeln. Das ist zum einen viel sicherer und hat zum anderen große Kostenvorteile", sagt Schraml.
Für Geschäftskunden ist der schnelle Zugriff von unterwegs - etwa Anfragen an das Warenwirtschaftssystem - auf das Unternehmensnetzwerk wichtig. Daneben stehen typische Anwendungen wie Video- und Bildtelefonie und Video Conferencing, das dank UMTS auch im Zug oder Auto möglich wäre. Nach einer Studie der MCN Group steckt das größte Business-Potenzial in Corporate Network Services - also in der Bereitstellung von Inhalten für mobile Mitarbeiter, im Betrieb mobiler Portale und im virtuellen Netzwerkbetrieb.
Billig ist das Mobil-Internet via UMTS freilich nicht. Die Tarifgestaltung erweist sich als größter Hemmschuh für eine stärkere UMTS-Verbreitung. Für etwa ein Drittel potenzieller Kunden in Deutschland sind die Tarife das entscheidende Hindernis für den Einstieg in UMTS, ergab eine Studie des Bonner Europressedienstes. Zwischen 30 und 35 Euro bezahlt man etwa für zehn Stunden Online-Zeit via UMTS im Monat, 100 Stunden kosten je nach Provider etwa 100 bis 110 Euro.
Preise richten sich nach Datenvolumen
Neben den zeitbasierten Tarifen bieten alle Betreiber die volumenbasierte Abrechnung an. Hier zählt nicht die online verbrachte Zeit, sondern das übertragene Datenvolumen. Als Richtschnur kann man sich merken: 50 MB Transfervolumen - das sind weniger als zehn Prozent einer Daten-CD - kosten zwischen 25 und 35 Euro. Für 500 MB sind etwa 100 Euro im Monat fällig.
"Die zeitbasierte Variante eignet sich vor allem für UMTS-Nutzer, die in kurzer Zeit große Datenmengen übertragen wollen", sagt ein Sprecher von T-Mobile. "Für andere, die längere Zeit im Internet surfen, aber keine großen Datenmengen transferieren, ist die volumenbasierte Variante die bessere Option." Er vertritt als Einziger die vorsichtig formulierte These, dass die UMTS-Tarife möglicherweise bald sinken werden. "Die Tarife werden weiter optimiert werden. Das kann von neuen Tarifoptionen bis zu Tarifsenkungen gehen."
Gelegt hat sich inzwischen der Engpass bei den UMTS-Handys. Noch zu Beginn klagten die Mobilfunkbetreiber, es gebe zu wenige UMTS-Geräte. Inzwischen ist jedoch eine breite Palette an funktionsfähigen UMTS-Handys auf dem Markt. Mittlerweile sollen immerhin zehn Prozent aller verkauften Handys UMTS-fähig sein.