Ein sächsisches Unternehmen im ländlichen Umfeld hat große Schwierigkeiten, IT-Fachkräfte einzustellen. Für eine CIO-Position dagegen zählt die Personalberatung Michael Page 163 Bewerber, von denen die Mehrheit für den Posten geeignet scheint. "Unter Fachkräften und Einsteigern sind die Kandidaten rar. Geht es um höhere Positionen, kommen hingegen überraschend viele aufstiegswillige und gute Bewerber auf uns zu", bilanziert Michael Wulf, Director Information Technology bei der Hamburger Personalberatung.
Der IT-Arbeitsmarkt steht buchstäblich Kopf: Je näher IT-Experten dem Chefsessel kommen, desto größer ist die Konkurrenz. "Für viele Kandidaten, die sich daran gewöhnt haben, eine heiß begehrte Ressource zu sein, ist das eine ganz neue Erfahrung", meint Wulf. Sie müssten lernen, sich auf einem umkämpften Arbeitgebermarkt durchzusetzen und sich herausragend zu präsentieren. Dazu gehöre auch ein ansprechendes Persönlichkeitsprofil jenseits technischer Qualifikationen und Zertifikate.
Insgesamt 95 Prozent der Kandidaten in Festanstellung
Etwa 95 Prozent der Kandidaten für den CIO-Posten in dem sächsischen Unternehmen waren zum Zeitpunkt der Bewerbung in einer festen Anstellung oder in einem laufenden Interimsmandat. Die meisten konnten auch Führungserfahrung vorweisen. "Die Bewerber hoffen auf den nächsten Karrieresprung. Oft haben sie das Gefühl, intern nicht mehr weiterzukommen", beobachtet Personalberater Wulf. Zudem seien viele Kandidaten mit ihrer aktuellen Situation unzufrieden, weil es beispielsweise strukturelle Veränderungen im Unternehmen gab oder der Vorgesetzte gewechselt hat.
Management-Qualitäten entscheiden
Ob der Sprung auf den CIO-Sessel gelingt, hängt nicht so sehr von der fachlichen Kompetenz ab - die bringen die meisten Bewerber mit. Entscheidend sind die tatsächlichen Management-Qualitäten. Führungsansätze und -techniken wandeln sich in der IT schnell. Wer aufsteigen will, muss seinen Führungsstil ständig weiterentwickeln und beispielsweise auf den Einsatz agiler Entwicklungsmethoden vorbereitet sein oder eine DevOps-Organisation aufbauen können. "Das müssen IT-Experten mit Führungsanspruch erst einmal beherrschen", sagt Wulf.
Bei der Besetzung von Spitzenpositionen setzen die meisten Geschäftsführungen auf Kandidaten, die nicht aus dem eigenen Unternehmen kommen. Das hat im Wesentlichen zwei Gründe: Zum einen entwickelt die IT sich schnell weiter, neue Technologien müssen kurzfristig eingeführt werden. Deshalb suchen Unternehmen Führungskräfte, die entsprechende Erfahrungen mit ins Unternehmen bringen.
Interne Kandidaten haben Akzeptanzprobleme
Zum anderen sind viele Arbeitgeber darauf bedacht, gut eingearbeitete und schwer zu ersetzende Spezialisten im operativen Geschäft zu halten. Gleichzeitig stehen Mitarbeiter, die innerhalb eines Unternehmens zu einer Führungskraft aufsteigen, eher vor Akzeptanzproblemen als externe Kandidaten.
Arbeitgeber suchen nicht nur außerhalb des eigenen Unternehmens, sie setzen zunehmend auch auf Bewerber aus anderen Branchen, beispielsweise aus Unternehmensberatungen. Geeignete Qualifikationen sind das Studium von Fächern wie Betriebswirtschaft, Informatik, Physik und Mathematik. Hinzu sollten ausreichend IT-Projekterfahrung und nachweisliche Führungsqualitäten kommen. Geisteswissenschaftlern bleiben die Management-Positionen in der IT meist versperrt.
"Keine weiblichen CTOs auf dem Arbeitsmarkt"
Frauen mit entsprechender Qualifikation sind an der Spitze der IT-Organisation willkommen. "Es gibt so gut wie keine weiblichen CTOs auf dem deutschen Arbeitsmarkt", beobachtet Wulf. Für Unternehmen, die Diversity großschreiben, also bewusst auf gemischte Teams setzten, sei das ein Problem. Deshalb hätten viele Betriebe besondere Angebote für eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben etabliert. "Diesen Kurswechsel erwarten nicht nur Frauen. Er entspricht den Bedürfnissen der Manager aus der Generation Y", meint der Personalexperte.
Viele Arbeitgeber arrangieren sich heute und stellen ihre Ansprüche zurück, um IT-Positionen zu besetzen. Bei Spitzenpositionen ist das naturgemäß anders, statt um Masse geht es hier um den "Perfect Match". Das beginnt bereits beim Erstellen der Jobprofile: Statt einer breit angelegten Ausschreibung, die möglichst viele Kandidaten anspricht, werden Profile für Führungspositionen eher spezifisch formuliert und ausgefeilt. Je genauer die Anforderungen formuliert sind, desto größer ist die Chance, den exakt richtigen Bewerber zu finden.