Mit zwei Protagonisten von der Ageto AG, einem Anbieter internetbasierter Geschäftsprozesse, sprach CIO.de über den derzeitigen Stand bei der Einführung des neuen Personalausweises und seine Nutzungsmöglichkeiten. Vorstand Sascha Sauer und Christian Bruntsch, Geschäftsbereichsleiter E-Government, glauben, dass der neue Ausweis künftig zur Zugangskontrolle und für Online-Petitionen eingesetzt werden kann. Ihr Unternehmen aus Jena hat sich auf integrative Anwendungen des neuen Personalausweises spezialisiert und betreibt die Internetseite www.ausweis-portal.de. Dort finden Nutzer alle schon funktionierenden Anwendungsmöglichkeiten.
CIO.de: Wie läuft bei Ihnen das Geschäft rund um den neuen Personalausweis?
Sascha Sauer: Wir bekommen aus allen Geschäftsbereichen viele Anfragen zum neuen Personalausweis: von Online-Händlern, aber auch von den Herstellern von Warenwirtschaftssystemen. Der neue Personalausweis führt kein Schattendasein. Ein Jahr nach seiner Einführung kann man sagen, dass der neue Ausweis gut unterwegs ist. Es gibt eine beachtliche Anzahl von Projekten aus verschiedenen Branchen. Gerade haben wir eine Kooperation mit der Bundesdruckerei geschlossen. Wir sind Vertriebspartner für sie und beraten dort in Sicherheits- und Architekturfragen.
CIO.de: Ich konnte ehrlich gesagt mit dem neuen Ausweis bisher noch nicht viel anfangen. Auch ein Jahr danach gibt es zu wenige Anwendungen. Wie sehen Sie das?
Christian Bruntsch: Ja, es könnten natürlich immer mehr Anwendungen sein. Im Moment sind 20 bis 35 Anwendungen live, bei denen man den neuen Ausweis benutzen kann.
CIO.de. Das scheint mir etwas zu hoch gegriffen zu sein…
Bruntsch: Die sind auf dem Portal www.personalausweisportal.de zu finden, aber auch auf unserem Portal www.ausweisportal.de. Wir lassen sie uns über die Website melden.
CIO.de: Journalisten, die das durchprobiert haben, haben nicht viel gefunden, was wirklich funktioniert hat.
Bruntsch: Okay, das, was wir jetzt geprüft haben, hat reibungslos funktioniert. Was da noch für Fehler aufgetaucht sind, weiß ich nicht. Das sind alles Unternehmen, die ein Berechtigungszertifikat beantragt und dieses auch bekommen haben. Sie haben einen Service dahinter und wollen auch, dass das funktioniert.
CIO.de: Wozu sollen denn die Bürger den Ausweis haben wollen?
Bruntsch: Das ist ein Henne-Ei-Problem. Bei der Stadt Ingolstadt ist die Aktivierungsrate der Onlinefunktion viel höher also woanders, weil die Stadt selbst Services mit dem Ausweis anbietet. Wo die Bürger wissen, wofür sie ihn verwenden können, da ist auch der Anreiz höher, die Online-Funktion zu nutzen.
Den Ausweis gibt es jetzt seit einem Jahr. Wir haben knapp sieben Millionen Ausweise im Feld. Die Zahl ist aber noch nicht so hoch, dass sich jeder damit auch als Dienste-Anbieter beschäftigt. Wir wissen von unseren eigenen Aufträgen, dass sich Firmen damit befassen, wenn es um Authentisierung geht. Der klassische Fall ist das Registrieren und Einloggen. Dass man tatsächlich weiß, wer sich in ein Portal oder eine Online-Anwendung einklinkt. Ist es tatsächlich die Person, die jemand vorgibt zu sein?
Es gibt aber auch ganz neue Ideen: Der Ausweis soll an Terminals funktionieren und als Zugangskontrolle. Dazu gekommen ist auch die Anwendung E-Petition, wo man mit dem Ausweis online Petitionen mitzeichnen kann. Davon brauchen wir noch mehr. Es gibt auch Onlineshops, in denen das funktioniert. Etwa im Shop des Kartenlesegeräteherstellers Reiner SCT, den wir über unsere eID-Schnittstelle angebunden haben.
Handys mit dem notwendigen RFID-Chip sind noch nicht im Markt
CIO.de: Gibt es auch Interesse von Unternehmen, den Ausweis an der Kasse zu nutzen?
Sauer: Die einzigen, die derzeit im Gespräch darüber sind, sind die Handybetreiber, die über NFC am Point-of-Sale Bezahlmöglichkeiten anbieten wollen. Inwieweit dort der Ausweis aber zur Identifikation dienen soll, weiß ich nicht. Das steckt noch in der Konzeptionsphase. Ein konkretes Projekt dazu ist mir nicht bekannt.
CIO.de. Auf der Cebit haben Sie eine mobile Java- App für den neuen Ausweis vorgestellt. Wie ist da der Stand?
Sauer: Die Verhandlungen laufen alle. Derzeit stehen aber die dafür notwendigen Geräte mit den NFC-Chips nicht zur Verfügung, sie fehlen in den im Markt verfügbaren Geräten. Da gibt es immer wieder Versprechungen, dass diese Geräte kommen sollen. Es gibt aber derzeit nicht mehr als Prototypen. Solange aber die Funktionalität fehlt, hinkt auch die Entwicklung von passenden Geschäftsprozessen hinterher.
CIO.de: Der Chip ist aber generell da?
Sauer: Ja, der Chip ist da, die Spezifikation ist da, alle signalisieren auch Bereitschaft und Interesse, es war eigentlich daran gedacht, das noch vor dem Weihnachtsgeschäft zu starten. Ich habe da aber die Hoffnung verloren. NFC-Geräte wird es wohl erst im nächsten Jahr geben. Dann wäre auch jeder Bürger mit einem Lesegerät für den Haushalt ausgestattet. Wir müssen warten, was kommt. Da sind große Player mit dabei, es geht um die Neuverteilung des Markts, das aber ist große Politik. Nicht nur die Mobilfunkprovider, auch Google will da mitmachen.
CIO.de: Gibt es denn Zahlen, wie viele Bürger den neuen Ausweis online nutzen?
Bruntsch: Dazu sind mir keine Statistiken bekannt. Da müsste man die Anwender direkt befragen. Zur Online-Anschaltung gibt es nur Schätzwerte.
CIO.de: Die qualifizierte digitale Signatur kann man sich ja noch nicht auf den Ausweis laden, oder?
Bruntsch: Das ist richtig. Die qualifizierte digitale Signatur kommt erst in Phase Zwei. Man kann sie derzeit noch nicht nutzen. Das wird erst im nächsten Jahr kommen. Es sind aber Projekte dazu in der Testphase. Zum Beispiel ist E-Government Hessen mit der Bundesdruckerei dabei. Auch wir haben ja die Ausweis-App als alternativen Ausweis-Client entwickelt und haben dort die Signaturfunktion schon eingebaut und auch an der Testphase teilgenommen. Das funktioniert wunderbar: Man kann sich das Signaturzertifikat auf den Ausweis laden, auf dem Chip speichern und so dann Dokumente signieren. Es gibt auch noch keine Preise von Seiten der Trustcenter. Aber es soll zum Beispiel Kurzzeitzertifikate für 24 oder 48 Stunden geben, die dann wesentlich preiswerter sind.
Nutzung wird alltäglich wie die Kreditkarte
CIO.de: Sie sind zufrieden mit dem Erfolg des neuen Ausweises?
Bruntsch: Ja, wir sind zufrieden. Wir haben die Ageto-Ausweis-App entwickelt, die technisch mit Abstand die beste ist. Wir haben das Ageto-eID-Gateway als Schnittstelle entwickelt, damit kann man schnell und transparent Online-Anwendungen an eID-Server anschließen. Und wir haben einen eigenen eID-Server entwickelt. Das wird stark nachgefragt. Ich bin mir sicher, dass wir in zwei Jahren nicht mehr darüber nachdenken, ob man den Ausweis online verwendet.
Es wird so sein, dass das so alltäglich wird wie heute die Nutzung der Kreditkarte. Es gibt auch immer mehr große Unternehmen, die mitmachen. Es wird bald Anwendungen geben, die täglich von allen Bürgern verwendet werden. Daran wird gearbeitet. Die Nutzung des Ausweises ist derzeit noch in der Konzeptionsphase, aber es wird auch völlig neue Geschäftsmodelle geben, an die man vor einem Jahr noch gar nicht gedacht hat. Es war klar, dass der neue Ausweis nicht sofort einschlägt wie eine Bombe.
CIO.de: Wird es die deutsche Ausweis-Lösung bald auch im Ausland geben?
Bruntsch: Ja, da bin ich mir sicher. Wir haben unsere Ausweisapplikation etwa auch schon ins Polnische übersetzt. Das Land Polen will bis 2013 den neuen polnischen Ausweis mit Onlinefunktion einführen. Was Technologie, Datenschutz und Sicherheit angeht, sind wir Deutschen in Europa führend. Auch auf europäischer Ebene soll die Authentifizierung bald grenzüberschreitend funktionieren.
Mehr Geschäftsprozesse über das Internet abwickeln
CIO.de: Was wünschen Sie sich - etwa von der Politik?
Sauer: Es würde dem Ausweis einen Schub geben, wenn die Politik die rechtlichen Rahmenbedingungen so verändern würde, dass noch mehr Geschäftsprozesse über das Internet abgewickelt werden dürfen. Heute wird von den Behörden oft noch persönliches Erscheinen und Unterschrift vorausgesetzt. Das ist aber nicht mehr zeitgemäß. Vieles kann man eleganter und sicherer mit dem neuen Ausweis abwickeln. Den Kommunen würde es viel Geld sparen, und der neue Aufweis würde von den Bürgern besser akzeptiert werden.
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Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO.