Während Infrastructure as a Service (IaaS) in den USA zunehmend an Marktanteilen gewinnt, steigen die Umsätze mit IaaS in Europa nur langsam. Der Grund dafür liegt in den unterschiedlichen, oftmals strengeren Gesetzen zum Datenschutz, die in den 27 EU-Ländern teilweise erheblich voneinander abweichen.
Für europäische IT-Entscheider gestaltet sich der Einstieg in IaaS-Services aus der Cloud deshalb etwas schwieriger als für ihre amerikanischen Kollegen, sagt Onica King, Analystin beim Marktforschungsunternehmen Forrester.
IaaS-Angebote aus der Cloud versprechen unbegrenzte Skalierbarkeit und eine Nutzung rein nach dem Verbrauchsprinzip; sie führen damit zu einer Veränderung der Bedingungen bei der Anschaffung, dem Design und der Nutzung von Hardware. Immer mehr IT-Verantwortliche ziehen IaaS-Angebot ins Kalkül und machen sich Gedanken, wie sich solche Cloud-Services in die Unternehmens-IT integrieren lassen. Das gilt auch zunehmend für Europa: Laut Forrester ist allein innerhalb des letzten Jahres der Anteil der Unternehmen, die sich nicht für IaaS-Lösungen interessieren von 44 auf 36 Prozent gefallen.
Allerdings sind die europäischen IT-Entscheider zögerlicher als ihre amerikanischen Kollegen: Viele von ihnen warten noch auf eine reifere Technik, vor allem aber darauf, dass sowohl die Politik als auch die IaaS-Anbieter für verlässliche Regularien und Standards für den Umgang mit Daten sorgen, die mit den jeweiligen Ländergesetzen in Einklang stehen. Dass die Zurückhaltung in Europa vor allem mit Sorge um die Sicherheit der Daten in der Public Cloud in Zusammenhang steht, zeigt sich auch in der Vorliebe der Europäer für Private Clouds, wenn es um IaaS geht: Während sich in Amerika nur 38 Prozent der Befragten für Private Cloud Architekturen aussprachen, lag die Zahl in Europa bei 53 Prozent.
"In Europa geht es bei Cloud Computing nicht nur um Technologie, sondern auch um gesellschaftliche und datenschutzrechtliche Fragen - ganz zu schweigen von nationalen Interessen im Zusammenhang mit Konkurrenzfähigkeit, Kontrolle und Arbeitsplätzen“, sagt Onica King, Analystin bei Forrester und Autorin der Studie "European Cloud Infrastructure-As-A-Service (IaaS) Outlook“.
Anbieter wie Amazon bauen Rechenzentren in Europa
Zusätzlich werde die Lage für europäische Unternehmen dadurch erschwert, dass der IaaS-Markt weltweit von amerikanischen Anbietern dominiert wird. Das hat zur Folge, dass die Kontrolle über die Speicherung der Daten im Einklang mit den jeweiligen nationalen Gesetzen und Richtlinien erst eine gründliche Prüfung der Rechtslage erfordert. Sie führt nicht selten dazu, dass Anwender auf Grund der rechtlichen Unsicherheiten ganz auf IaaS-Angebote von außereuropäischen Providern verzichten.
Erst in jüngster Zeit bauen die Schwergewichte der Branche wie Amazon, Rackspace, Terremark Worldwide oder Savvis Rechenzentren in Europa auf, um den – vor allem rechtlichen – Anforderungen der europäischen Anwendern entgegen zu kommen. Aber selbst bei amerikanischen Providern mit Rechenzentren in Europa bleiben oft Zweifel, denn das Geschäftsmodell der IaaS-Anbieter basiert letztlich auf Skaleneffekten ihrer - weltweiten - Infrastruktur.
Auf der anderen Seite treiben die europäischen Provider wie ElasticHosts, FlexiScale, Radix oder SymetriQ ebenso wie die nationalen und regionalen Telekommunikationsanbieter den Ausbau ihrer Infrastruktur voran, um den Unternehmen lokale IaaS-Services anzubieten.
Kein IaaS-Einstieg ohne Vorbereitung
Beim Einstieg in IaaS-Services stellt sich die Situation für europäische Unternehmen deshalb etwas anders dar als in den USA: Zuallererst müssten europäische CIOs klären, wo genau (i.e. in welchen Ländern) ihre Daten gespeichert werden und welche Sicherheitsvorkehrungen und Service-Level der Provider liefern kann. Zudem muss vor dem ersten Schritt in die Cloud die Frage geklärt werden, ob die interne Infrastruktur schon dafür vorbereitet ist, beziehungsweise welche Anpassungsmaßnahmen dafür nötig sind.
Ein wesentlicher Aspekt ist dabei die Automatisierung von Standard-Funktionen, um die Effizienz der Administration und des Managements zu verbessern. Laut Forrester steht es damit bisher nicht zum Besten: Mehr als die Hälfte der europäischen IT-Entscheider hätten bisher keine Pläne, in Software für die Automatisierung ihrer virtualisierten Server-Umgebungen zu investieren. "Die Infrastruktur-Verantwortlichen müssen ihre Investitionen in Automatisierungs- und Management-Tools überdenken, wenn sie mit dem Gedanken an IaaS-Lösungen spielen", warnt Forrester-Expertin King.
Anforderungen an IT-Mitarbeiter ändern sich
Nicht zuletzt bedingt der zunehmende Einsatz von Cloud-Technologien ein verändertes Anforderungsprofil der Mitarbeiter. Zwar würden Cloud-Lösungen – in der Gesamtsicht auf Unternehmen und Provider – nicht zwangsweise zu einem Abbau von Arbeitskräften führen. Sicher aber bedingen Cloud-Environments ein anderes Qualifikationsprofil als traditionelle IT-Infrastrukturen.
So wird sich in Cloud-Landschaften ein nennenswerter Teil der IT-Mannschaft mit Sourcing- und Anbieter-Management (Sourcing- und Vendor Management - SVM) befassen müssen.Dabei handelt es sich mehr nicht um ein klassisches Lieferanten Management. Denn das SVM in Cloud-Umgebungen verlangt IT-Mitarbeiter und Architekten, die das Zusammenwirken von Servern, Storage, Netzwerk sowie interner und externer IT im Detail verstehen und beurteilen können.
Und es wird eine zunehmende Anzahl von IT-Mitarbeitern geben, die über ihr technisches Know-how hinaus Soft-Skills wie kommunikative und soziale Kompetenz mitbringen. Ihre Aufgabe wird es sein, zwischen IT und Business-Management zu vermitteln und die technologischen Implikationen von Business-Entscheidungen transparent und verständlich zu machen. „Anwender sollte deshalb schon vor dem Einstieg in Cloud-Lösungen prüfen, ob in ihrer IT-Abteilung die notwendigen Skills und Qualifikationen vorhanden sind“, sagt Analystin King.