Künstliche Intelligenz

Europäische Unternehmen hinken bei KI hinterher

01.10.2020 von Christiane Pütter
Firmen aus den USA und China sind in Sachen Digitalisierung und künstliche Intelligenz (KI) weiter als die europäische Konkurrenz.
  • Der Umsatz, den der IKT-Sektor (Informations- und Kommunikationstechnologie) rein über digitale Kanäle erzielt, beträgt in den USA 3,3 Prozent, in China 2,1 Prozent und in der EU 1,7 Prozent
  • Die EU kann ihre Wirtschaftsleistung "durch eine konsequente Fokussierung auf Künstliche Intelligenz" bis 2030 um 19 Prozentpunkte steigern

Ein schlechtes Zeugnis stellen die Berater von McKinsey den EU-Staaten aus. Sie hätten den USA und China einen Vorsprung in puncto Digitalisierung gelassen, der sich nun zu einem Vorsprung bei der Nutzung künstlicher Intelligenz (KI) auswachse. Wie die EU an die Weltspitze aufschließen kann, skizziert ein Report, der drei globale Studien zusammenfasst und Angaben von mehr als 20.000 Führungskräften dokumentiert.

In der ersten Welle der Digitalisierung sieht McKinsey europäische Unternehmen noch vergleichsweise gut aufgestellt, in der dritten weit weniger.
Foto: McKinsey

McKinsey beginnt mit ein paar Zahlen: Beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) übertrifft die EU China knapp. Im Vergleich mit den USA schneidet die EU rund zehn Prozent schlechter ab. Deutliche Unterschiede zeigen sich beim Umsatz, den der IKT-Sektor (Informations- und Kommunikationstechnologie) rein über digitale Kanäle erzielt. Dieser beträgt in den USA 3,3 Prozent, in China 2,1 Prozent und in der EU 1,7 Prozent. Innerhalb Europas sieht McKinsey skandinavische Länder vorn. Deutschland liege im globalen Mittelfeld, so die Analysten.

Die Berater unterteilen die technologische Entwicklung in drei Wellen: Zugang (zu Netz und Mobilität), Analytics und Artificial Intelligence (AI). Bei der Nutzung traditioneller Web-Technologien erreicht die EU einen Durchdringungsgrad von 95 Prozent. Allerdings setzen nur 62 Prozent der Unternehmen diese Technologien unternehmensweit ein. Bei Big Data sinkt dieser Anteil (unternehmensweite Nutzung) auf elf Prozent und bei Smart Robotics auf sechs.

Künstliche Intelligenz - ein Ratgeber
KI im Unternehmen und Personalmanagement
Künstliche Intelligenz (KI) birgt ein enormes Potenzial für Unternehmen, zum Beispiel beim Einsatz im Personalmanagement. Joachim Skura, Thought Leader Human Capital Management bei Oracle, nennt Vorteile der KI sowie wichtige Faktoren, die bei der Planung sowie Nutzung zu beachten sind.
Kooperation der Führungskräfte
Da die KI-Technologie heute alle Unternehmensebenen durchdringt, müssen HR-Verantwortliche mit den anderen Führungskräften zusammenarbeiten, um Automatisierungsstrategien für die einzelnen Teams zu entwickeln.
Intelligenz kombinieren
KI muss zu einem Umdenken in Bezug auf die Belegschaft führen: Es geht nicht mehr nur darum, Mitarbeiter einzustellen. Vielmehr müssen menschliche und künstliche Intelligenz kombiniert werden, um die Produktivität zu maximieren.
Sinnvolle Prozessautomatisierung
Ein ganz wesentlicher Aspekt der Nutzung von KI ist, das Streben nach mehr Effizienz in Relation zu den tatsächlichen Möglichkeiten zu setzen. Nur weil sich ein Prozess automatisieren lässt, heißt das noch lange nicht, dass man das auch tun sollte. Das gilt auch im Personalwesen.
Keine Big-Brother-Atmosphäre schaffen
KI kann für die Sicherheit des Unternehmens sehr hilfreich sein. Viele Betriebe nutzen KI-Technik, um Anwendungen, Systeme und Infrastruktur ständig zu überwachen und anomales Verhalten in Echtzeit zu erkennen und zu bewerten. Hier sollten Unternehmen aber unbedingt darauf achten, dass keine „Big-Brother-Atmosphäre“ geschaffen wird. Der Personalabteilung kommt dabei eine wichtige Rolle zu.
Daten und Technik ausschöpfen
KI sollte bei Einstellungs- und Besetzungsplänen zur Anwendung kommen. Der Grund: Es gilt, kontextbezogene Daten und Technologien auszuschöpfen, um Probleme wie hohe Fluktuationsraten in Angriff zu nehmen, Mitarbeiter besser zu verstehen und den vorhandenen Pool an Talenten effektiver zu nutzen. Nur so lässt sich Arbeit intelligenter, angenehmer und kollaborativer gestalten – und letztendlich auch wertschöpfender.
KI im Recruiting nutzen
Künstliche Intelligenz wird derzeit auch im Recruiting immer wichtiger. Recruiter nutzen KI, um herauszufinden, welche Skills das Unternehmen aktuell benötigt, und wo passende Kandidaten zu finden sind.
Bewerbungsmanagement automatisieren
Mit Hilfe von KI lassen sich zeitaufwendige Aufgaben wie das manuelle Screening von Lebensläufen und Bewerber-Pools automatisieren.
Candidate Experience aufbauen
Leistungsstarke und integrierte KI-Funktionen sowie klare Abläufe helfen, im Personalmanagement eine benutzerfreundliche und personalisierte Candidate Experience vom Erstkontakt bis hin zur Einstellung und Eingliederung zu schaffen.
Mehr Effizienz durch Machine Learning
Modernste Machine-Learning-Anwendungen unterstützen das Personalwesen, die Time-to-Hire zu verkürzen, indem sie proaktiv eine Vorauswahl der geeignetsten Kandidaten treffen und Empfehlungen geben.
Chatbots einsetzen
Ein Chatbot kann eine Datenquelle sein, mit deren Hilfe Unternehmen mehr über ihre Mitarbeiter erfahren. Machine-Learning-Analysen von Fragen und Gesprächen können einzigartige und bisher nicht mögliche Einblicke liefern. So lassen sich zugrundeliegende Probleme aufdecken – und das vielleicht noch, bevor sich der Mitarbeiter dieser überhaupt bewusst ist.

McKinsey will das Papier dennoch nicht als Abgesang verstanden wissen. Die EU könne ihre Wirtschaftsleistung "durch eine konsequente Fokussierung auf künstliche Intelligenz" bis 2030 um 19 Prozentpunkte steigern, sagen die Berater voraus. Das entspricht einem Volumen von rund 2,7 Billionen Euro.

Arbeit organisiert sich um drei Job-Rollen

Ein Hebel, um dieses Potenzial zu nutzen, ist die menschliche Arbeitskraft. McKinsey betrachtet die Digitalisierung nicht als Job-Vernichter, sondern als Veränderer. Grob gesagt, werden Job-Funktionen künftig um drei Rollen kreisen:

1. Technologie-Creator und -Lieferanten: Es geht um Menschen, die direkt am Entstehen der Technologie und ihrer Infrastruktur beteiligt sind, etwa um Robot-Designer, Engineers für das Internet of Things (IoT) und Software-Entwickler. Die EU verfügt derzeit über einen vergleichsweise kleinen IKT-Sektor und muss diesen ausbauen.

2. Enabler: Diese Mitarbeiter wissen die technologischen Möglichkeiten zu nutzen und steigern beispielsweise als Data-Analysten die Wertschöpfung. In der EU gibt es allerdings zu wenig junge Leute, die sich für eine Ausbildung zu dieser Art entscheiden.

3. Utiliser: Sie sind Nutzer oder Anwender, aber auf einem hohen Niveau. In Deutschland etabliert sich für sie der Begriff "Wissensarbeiter". Utiliser wenden auf ihren jeweiligen Sachgebieten Daten an, neue Aufgaben entstehen beispielsweise rund um juristische Fragen der Daten-Nutzung. McKinsey schätzt den Anteil solcher Utiliser in der EU auf etwa dreizehn Prozent, diese Zahl stagniert seit einigen Jahren. In den USA dagegen stellen die Utiliser siebzehn Prozent der Belegschaft.

Europa darf sich bei KI und Digitalisierung nicht abhängen lassen.
Foto: NicoElNino - shutterstock.com

McKinsey appelliert an europäische Unternehmen, ihre digitale Transformation zu beschleunigen und KI-Innovationen konsequenter umzusetzen: "Europa muss ein lebendiges Ökosystem aus Deep-Tech- und KI-Startup-Unternehmen aufbauen, die neue KI-basierte Geschäftsmodelle entwickeln."