Zeit des Zauderns vorbei

Europas Unternehmen im Übernahmefieber

04.04.2014
In Westeuropa macht sich nach Jahren der Zurückhaltung bei Großübernahmen wieder Goldgräberstimmung breit.

Nach Berechnungen der Nachrichtenagentur Bloomberg wurden in den ersten drei Monaten des Jahres Akquisitionen im Gesamtwert von 149 Milliarden US-Dollar (108 Mrd Euro) aus dieser Region angekündigt.
Dies entspricht einem Plus von fast 60 Prozent zum Vorjahr. Nordamerika oder Asien mit 18 beziehungsweise 41 Prozent Wachstum können da im Vergleich nicht mithalten.

Der wirtschaftliche Aufwärtstrend in Europa lässt Unternehmer wie Investoren wieder optimistischer in die Zukunft blicken. "Aktionäre verlangen zunehmend nach Transaktionen", hat Hernan Christerna, Co-Chef für Übernahmen und Fusionen bei JP Morgan in London, beobachtet. Erfolgsversprechende Akquisitionen würden deshalb auch mit steigenden Aktienkursen honoriert.

Besonders schnell dreht sich das Übernahmekarussell derzeit in den Bereichen Telekommunikation, Medien und Technologie (TMT). Jüngstes Beispiel ist der bevorstehende milliardenschwere Verkauf der Vivendi -Mobilfunktochter SFR. Mit Bouygues und dem Numericable-Großaktionär Altice buhlen gleich zwei Schwergewichte um den zweitgrößten Mobilfunkanbieter Frankreichs. Welcher der beiden am Ende das Rennen machen wird, ist noch offen. Für Branchenexperten ist das Gerangel aber ein weiteres Indiz, das die Konsolidierungswelle in dem Sektor noch voll im Gange ist.

Mal geht es um unternehmerische Größe, mal um das Vordringen in neue Geschäftsfelder. Will der Verbraucher TV, Telefonie und Internet zu jeder Zeit und überall, dann muss die Branche liefern. Aus dieser Überlegung heraus offerierte im Februar der britische Mobilfunkriese Vodafone mehr als 7 Milliarden Euro für den spanischen Kabelnetzbetreiber Ono, einem der letzten verbliebenen unabhängigen Kabelnetzbetreiber in Europa. Die Übernahme des deutschen Kabelnetzbetreibers Kabel Deutschland hatte der Konzern da noch nicht mal ein halbes Jahr zuvor unter Dach und Fach gebracht.

Der bislang größte Deal in diesem Jahr fand allerdings nicht in Europa, sondern in den USA statt. Der Kabelfernseh-Anbieter Comcast will sich für mehr als 45 Milliarden Dollar den Konkurrenten Time Warner Cable einverleiben, um seine Marktposition im amerikanischen Fernsehmarkt zu festigen. Insgesamt kamen aus dem TMT-Sektor laut Bloomberg in den ersten drei Monaten des Jahres weltweit Übernahmen in Höhe von 174 Milliarden Dollar, wohl auch weil neben dem Konsolidierungsdruck die Barreserven der Technologiebranche hoch sind, wie Adrian Mee von der Bank of America bemerkte.

Aber auch bei Konsumgüterunternehmen gebe es wieder verstärkte Zukäufe, findet Gregg Lemkau von Goldman Sachs. So kündigte die japanische Suntory Holdings im Januar beispielsweise die Übernahme des Herstellers von Maker's Mark-Whiskey, Beam Inc, an. Im März erklärte die Supermarktkette Albertsons den Rivalen Safeway kaufen zu wollen.

Branchenübergreifend gab es im ersten Quartal Übernahme-Ankündigungen im Wert von 637 Milliarden Dollar. Den Berechnungen von Bloomberg zufolge ist das der beste Jahresstart seit 2007. Damit die M&A-Maschine weiter läuft, müssten aber auch die konjunkturellen Sorgen dauerhaft in den Hintergrund rücken, sagte Mark Warham von Barclays. Auch das Jahr 2013 habe gut angefangen mit großen Übernahmen wie der von Dell durch Gründer Michael Dell oder H.J. Heinz durch die Warren-Buffett-Holding Berkshire Hathaway .

Dann sei es im weiteren Verlauf wieder ruhiger geworden. Wegen der Schuldenkrise in Europa, dem Regierungswechsel in China und dem Haushaltsstreit in den USA habe bei den Akteuren die Vorsicht die Oberhand gewonnen. Dieses Jahr könnte es anders laufen, glaubt Lemkau von Goldman Sachs. Es sehe derzeit wirklich so aus, als ob Investoren eher nach Gründen für als gegen einen Deal suchten. (dpa/rs)