Für die digitale Transformation von Unternehmen ist es nicht getan mit IT-Infrastrukturen, -Plattformen und -Anwendungen nach dem State of the Art; sie sind nur eine Voraussetzung. Sollen echter Fortschritt und Prozessinnovation aus der Digitalisierung geschöpft werden, müssen vor allem die Menschen mit dem Wandel vertraut gemacht werden.
Das gilt auch für den Energiemarkt, der seit der Liberalisierung ab Ende der neunziger Jahre sehr dynamisch geworden ist, und für die Player in diesem Markt - darunter die hessische Energieversorgung Offenbach AG (EVO). Gefordert ist große Beweglichkeit in den Strukturen, um intern wie auch gegenüber den Strom-, Erdgas-, Wasser- und Wärmekunden sowie den Partnerunternehmen wettbewerbsfähig auftreten zu können.
On-premise-Systeme dominierten die IT-Landschaft
Mit über 50 Prozent Stromproduktion aus erneuerbaren Ressourcen ist EVO - 150.000 Energiekunden, 690 Mitarbeiter - in seinem Kerngeschäft sehr gut aufgestellt. Aber bei aller Modernität und Nachhaltigkeit der Energieangebote waren in der IT-Infrastruktur die Old-Economy-Gene bis vor kurzem noch sehr deutlich wahrnehmbar. "Unsere IT war traditionell sehr stark von On-premise-Systemen dominiert", räumt René Stolte ein, der bei EVO IT, Digitalisierung und Prozesse verantwortet.
Wie er berichtet, lagen die Daten seinerzeit, getrennt nach Bereichen, auf Netzlaufwerken und wurden per E-Mail übermittelt. Zusammenarbeit über Bereichsgrenzen hinweg, von Unternehmensgrenzen ganz zu schweigen, war unter diesen Voraussetzungen ein "besonders großer Spaß", so Stolte mit ironischem Unterton.
Das Ziel: alle Funktionen im Arbeitsalltag der Mitarbeiter unterstützen
2017 wurde deshalb das alte EVO-Intranet auf der Basis eines herkömmlichen Content-Management-Systems abgelöst durch eine moderne Collaboration-Lösung. Dafür hatte die Geschäftsleitung des mehr als 170 Jahre alten Unternehmens ein klares Zielbild ausgegeben: Die neue Lösung sollte alle Funktionen im Arbeitsalltag der Mitarbeiter unterstützen:
interne Kommunikation über sämtliche Endgeräte und Medien hinweg
Dokumentenmanagement, so dass keine E-Mails mit Anhängen mehr herumgeschickt werden müssen und alle am selben Quelldokument arbeiten
eine leistungsfähige Suchmaschine (Stolte: "Findemaschine") für den schnellen Zugriff auf alle Daten im System, auch die unstrukturierten.
"Diese drei Kernbestandteile sollten unter einer Oberfläche zusammengefasst werden, so dass die Mitarbeiter nie überlegen müssen, was sie wo machen können," erläutert der EVO-Digitalisierer. Seine Kurzversion des Zielbilds: "Alles an einem Ort".
Entscheidung für Coffeenet auf Basis von Office 365
EVO schrieb die benötigten Leistungen aus und entschied sich für "Coffeenet 365", eine Cloud-Collaboration-Plattform auf der Grundlage von Microsoft Office 365. Eingeführt wurde die Lösung binnen sechs Monaten vom schweizerischen Coffeenet-Entwickler Monday Coffee in Kooperation mit dem Projektpartner Yuunido, einem auf Cloud- und Transformationsprojekte spezialisierten Beratungsunternehmen aus Jever in Friesland.
Der Energieversorger berücksichtigte bereits bei der Auswahl der Plattform, dass die dort abgelegten Informationen mit vertretbarem Aufwand migriert werden können, entweder auf eine andere Plattform oder ganz aus der Cloud heraus. "Wir haben uns auch deshalb für eine Lösung auf Microsoft-Basis entschieden", erläutert Stolte, "weil die Dokumente dort in De-facto-Standards vorliegen und recht einfach übertragen werden können."
Best Practice reduziert Deployment-Aufwand
Im Unterschied zu einer reinen Microsoft-Lösung auf Sharepoint-Basis, die üblicherweise hohen Deployment-Aufwand voraussetzt, ist Coffeenet jedoch funktional aus Best Practices vieler Unternehmen aufgebaut. Das heißt: Die Plattform enthält Projekträume, Arbeitsräume und Teamseiten mit vorkonfigurierten Strukturen und Berechtigungsprofilen.
Diese Konfigurationen passten meistens, berichtet Stolte. "Wir mussten höchstens mal in einer anderthalbstündigen Konfigurationssitzung Bezeichnungen anpassen und hatten dann lauffähige Arbeitsräume." Coffeenet sorgt zudem für automatische Updates alle zwei Wochen, etwa neue Apps. Anpassungen, die sich daraus ergeben, sind einfach zu bewerkstelligen; diese beruhigende Erfahrung hat man bei EVO mittlerweile gemacht.
Mitarbeiter können jetzt selbst konfigurieren
Gibt es doch etwas einzustellen - Aufbau eines neuen Projektraums, Hinzufügen von Apps, Benutzern und Benutzergruppen - erledigen das sehr weitgehend die Fachbereiche selbst. "Früher musste so etwas mit hohem Aufwand von der IT-Abteilung gemacht werden", erinnert sich Stolte. "Heute können es die User selbst. Und weil der Rahmen des Möglichen sauber abgesteckt ist, gibt es keinen Wildwuchs."
Was bietet Coffeenet? Projekträume, Arbeitsräume und Teamseiten verfügen jeweils über einen öffentlichen und einen internen Bereich, den nur die Angehörigen einer Gruppe sehen, außerdem über ein Notizbuch und ein Aufgabenmanagement. Dazu kommt eine Gruppe für schnelle Kommunikation per Instant Messaging mittels Yammer; das funktioniert bei Bedarf auch Arbeitsraum-übergreifend.
Die Arbeitsräume unterscheiden sich im Wesentlichen darin, auf welche Dokumentenbibliotheken zugegriffen werden kann. "Durch umfangreiche technische Vorkonfigurationen im Coffeenet-Standard und durch die Best-Practice-Elemente haben wir mehr bekommen, als wir uns am Anfang vorgestellt haben", resümiert Stolte.
Neben den Standardelementen gibt es vorab designte, lauffähige Standardprozesse für Zusammenarbeit und Kommunikation - was sich als wertvoll erwies. Stolte: "Wir hätten diese Prozesse gar nicht selbst designen können, denn in vielen Fachbereichen fehlte eine Idee, wie Collaboration in einer digitalisierten Welt überhaupt aussehen kann."
Change Management zusammen mit den Fachbereichen
Zielbild und strategischer Anspruch von EVO machen jedoch deutlich, dass es sich bei dem Projekt nicht um ein reines IT-Vorhaben mit dem Fokus auf technischen Standards handeln konnte, sondern zwingend um einen langen Hebel bei der digitalen Transformation des Unternehmens, den alle Fachbereiche gemeinsam bedienen müssen.
Die Anstrengungen in puncto Change Management waren dann auch umso umfangreicher. Gestartet wurde mit einem agilen Kern-Team von knapp 20 Leuten: ein Projektleiter, 15 Leute aus den Fachbereichen, ein Vertreter des EVO-Betriebsrats und zwei Berater von Yuunido. Externe Hilfe musste man nur anfangs für das agile Projektmanagement und bei der technischen Implementierung in Anspruch nehmen, konnte dann schnell alles selbst übernehmen. Und: Weil die Fachbereiche so stark vertreten waren, konnte man Stolte zufolge einen großen "Abstrahleffekt" verzeichnen - zumal Pilot-User danach ausgesucht worden seien, dass sie als "Leuchttürme" fungieren konnten.
Freude auf den digitalen Wandel bei Mitarbeitern entfacht
Vor dem Beginn des Projekts und währenddessen wurde das Vorhaben per Mitarbeiterzeitung und Mitarbeiterinformationen, in einer "Wissenswerkstatt", auf Betriebsversammlungen und per Video den Mitarbeitern vorgestellt. Der Zweck des hohen Aufwands: die Belegschaft neugierig zu machen und sie nicht unliebsam zu überraschen.
Diese analoge Empathie hat gut funktioniert und regelrechte Vorfreude auf den digitalen Wandel entfacht, wie Stolte berichtet: Als im Juni 2017 ein Pilotprojekt anlief, wollten sich mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beteiligen als es Plätze gab. Und das, obwohl der Pilot mit 100 Mitarbeitern aus allen Bereichen, weit über zehn Prozent aller Leute bei EVO, sehr groß angelegt war, um durchgängige Abläufe in kompletten Bereichen und Projekten testen zu können.
Binnen sechs Monaten war die Einführung der Lösung technisch abgeschlossen. Ab Oktober 2017 lief diese parallel mit dem alten Intranet; währenddessen wurden die User sukzessive auf das neue System herübergeholt - alle nach intensiver Schulung, niemand "ohne Führerschein", wie Stolte betont. "Das musste so sein, um den Kulturwandel hinzubekommen, der mit Collaboration einhergeht." Am 1. April 2018 wurde das Intranet abgeschaltet.
Die wichtigsten Lessons learned
Es gab auch Projektphasen, in denen Mitarbeiter zusätzlich motiviert werden mussten, räumt Stolte an. "Es kam aber gut an, dass wir Fehler zugegeben und Korrekturen geschildert haben. Besser eine 80-Prozent-Lösung, bei der die Mitarbeiter mitziehen, als eine 100-Prozent-Lösung, die am Ziel vorbeischießt."
Zwei wichtige Erkenntnisse hat man bei EVO außerdem aus der Coffeenet-Einführung gezogen, berichtet der Mann, der IT, Digitalisierung und Prozesse als Zuständigkeiten auf seiner Visitenkarte stehen hat. Zum einen: "Es hat sich ausgezahlt, viel Energie darin zu investieren, die Leute neugierig zu machen und früh mit dem Thema zu starten."
Und zum anderen sei es ausgesprochen weise gewesen, auf Cloud-Technologie zu setzen. "Mit einer On-premise-Lösung hätten wir die Geschwindigkeit in dem Projekt nicht hinbekommen", weiß man bei EVO. Man habe nun gesehen, wie einfach es ist, Module und Services an- oder abzuschalten.
IT-Architektur wird künftig weiter in die Cloud wandern
Konsequenz: Die IT-Architektur des hessischen Energieversorgers wird sukzessive in Richtung Cloud gedreht, um die digitale Transformation auf diese Weise zu unterstützen. Stolte: "Was als Testballon startete, wird die IT bei EVO nachhaltig prägen."
EVO AG | Collaboration aus der Cloud
Branche | Energiewirtschaft |
Zeitrahmen | Q1/2017 bis Ende 2017 |
Mitarbeiter | 20 Personen im Kernteam |
Produkte | Microsoft Office 365, Coffeenet 365, Sharepoint, Yammer, OneDrive for Business, Skype for Business, Stream, Flow, Forms, PowerApps |
Dienstleister | Monday Coffee AG, Yuunido GmbH |
Einsatzort | Deutschland, Region Offenbach |
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