"Meine Damen und Herren, und hier unser Agent Provocateur!" Friedrich Fröschl hatte nichts dagegen, von CIO-Chefredakteur Horst Ellermann auf den Hamburger IT-Strategietagen so eingeführt zu werden. Der Ex-CIO von Siemens vertrat auf der Podiumsdiskussion zum Abschluss des ersten Veranstaltungstages die provokante These, die Krise sei vorhersehbar gewesen. Mit ihm auf dem Podium: Rainer Janßen, CIO der Münchner Rück, Michael Kollig, IS Director Danone und Tchibo-CIO Wolfgang Fritz.
Konkret untermauerte Fröschl seine These mit den Frachtkosten im Güterverkehr. Diese seien ein Frühindikator: Steigen sie, floriert die Wirtschaft, sinken sie, droht Flaute. Und das taten sie laut Fröschl schon in den vergangenen Monaten des Jahres 2008, und zwar dramatisch. Eine Aussage, die Rainer Janßen ein gemütliches Lachen abforderte. "Wir denken eher über 1.000-Jahresereignisse nach, wie Sturmfluten in Hamburg oder Erdbeben in San Francisco", sagte er.
Michael Kollig seufzte: "Wir haben doch eher mit fast moving Consumer Goods, zu tun. Da ist es angesagt, eine ruhige Hand zu behalten und nicht panisch zu werden, wenn mal eine Woche lang der Absatz mal einbricht." Wolfgang Fritz betonte, wie wichtig gerade in Zeiten der Krise eine bewegliche IT ist.
Kritik an Gartner
Mit einer anderen Aussage nahm sich Fröschl die Analysten vor. "Gartner-Quadranten sagen wenig über die Zukunft aus", sagte er. Erfolgreiche Unternehmen tauchen oft erst spät bei den Analysten auf. Der vierte Quadrant biete keine Investitionssicherheit. Zustimmendes Nicken bei Rainer Janßen. "Wenn die Leute bei Gartner und ntv das wirklich wüssten, wären sie reich und bräuchten nicht zu arbeiten", stellte er fest. Um gleich eine neue Idee anzufügen: "Gartner-Analysten glaube ich erst, wenn ihr Honorar erfolgsabhängig ist, wenn sie mir also was zurückzahlen, wenn es kein guter Tipp war. So lang es das nicht gibt, denke ich lieber selbst."
Schließlich schlug Friedrich Fröschl vor, Systeme, die kaum genutzt werden und bloß noch vor sich hindümpeln, einfach abzuschalten. Ohne Vorwarnung. Und dann mal gucken, ob sich einer wehrt. Michael Kollig rät aber, vorher einen Blick ins Kostenbuch zu werfen. Wenn die Fachabteilung die Kosten der Anwendung trägt, soll sie entscheiden, ob abgeschaltet wird. Der Danone-Manager fügt an: "Ich bin doch nicht der Firmenpolizist!"
Eine Rolle, mit der Tchibo-CIO Wolfgang Fritz keine Probleme hat. "Ich übernehme diese Funktion schon", sagt er. Schließlich trenne sich niemand gern von Altem, deswegen sei es manchmal ganz gut, den Finger in die Wunde zu legen. Rainer Janßen sieht’s gelassen. "Ich halte das nicht für ein Patentrezept. Wir haben eh kaum mehr Legacys."
Widerspruch entzündete sich auch an der Fröschl-These, auf keinen Fall Social Networking abzuschalten. Auch nicht in der Krise. "Ich gehe von Knowledge Workern aus", erklärte der Ex-Siemens-CIO. Sein Appell: An die kommenden Generationen denken! Die seien ganz anders aufgewachsen. Social Networking sei der Weg, Wissen künftig in der Firma zu halten.
"Neue Systeme zerstören noch mehr Arbeitskraft als E-Mail und Blackberry"
Rainer Janßen glaubt dagegen nicht, dass die jungen Generationen so fundamental anders sind. "Ich kenne Kohorten von jungen Leuten, die zwar simsen, aber sonst nichts von den neuen Tools nutzen", sagte er. Und hatte die Lacher auf seiner Seite, als er nachlegte: "Neue Systeme zerstören noch mehr Arbeitskraft als E-Mail und Blackberry!"