Für neue Märkte im Bereich IKT-basierter Gesundheitsanwendungen sind Themen wie Proteomics, Telemonitoring, Expertensysteme und -datenbanken, Spracheingabe für Dokumentationstätigkeiten oder Datenzugriff von überall aus besonders interessant, so ein erstes Resümee der Studie. Sie erhalten die höchsten Bewertungen hinsichtlich ihrer Wichtigkeit für Kostensenkungen, einer Verbesserung der Gesundheitsvorsorge oder Qualität der Gesundheitsversorgung. Neue Märkte für die Informationstechnik bei Gesundheitsanwendungen werden demnach insbesondere in den Bereichen Spracherkennung, virtuelle Realität und Simulationen, Datenbanken, Sensorik, Radio Frequency Identification (RFID) oder neuen Management- und Planungssystemen erwartet.
Die Realisierungsphasen werden dabei sicher unterschiedlich lange sein, aber schon heute, so berichtet etwa Technology Review, nutze die Medizin jede denkbare Entwicklung der IT. Sogar während einer Operation kann der Chirurg mittlerweile über Sonden, CT und Ultraschall ins Körperinnere schauen: So sieht er noch während seines Handelns, wo er das Messer ansetzen darf und wo nicht. Mit OP-Kameras sei man darüber hinaus in der Lage, andere Mediziner zuzuschalten und so eine Zweitmeinung einzuholen.
Spracherkennung bis 2020 ausgereift
Spracherkennung beispielsweise, so die Prognose der Fazit-Studie, werde sich nicht nur kostensenkend und zeitsparend bei Dokumentationstätigkeiten im Krankenhaus durchsetzen, sondern auch Einzug im Operationssaal halten, so dass Chirurgen während einer OP allein durch Sprache Geräte sicher navigieren können und dadurch entlastet werden. Aber eine Genauigkeit, wie sie für die Navigation von Geräten im OP notwendig ist, zu erreichen, ist technisch sehr schwierig. Trotzdem sagen 90 Prozent der Antwortenden, sie wird noch vor 2020 so genau sein können, heißt es in dem Forschungsbericht.
Die These der Wissenschaftler, dass die zeitraubenden Dokumentationstätigkeiten im Gesundheitswesen sich über die Spracheingabe vereinfachen lassen, teilen viele Experten aus der Praxis. Lupo Pape, Geschäftsführer von Semanticedge in Berlin, erwartet eine Erleichterung für Ärzte und Pflegepersonal bei der Bewältigung von Dokumentationstätigkeiten. "Moderne Diktiersoftware ersetzt zum Beispiel das aufwendige Abtippen von Tonbanddiktaten über Krankheitsbilder oder Visiten", sagt Pape.
Sprachtechnik sieht er allerdings auch als probates Mittel zur Serviceverbesserung und Vorqualifizierung für Kundenanfragen bei den Krankenkassen an: "Standardprozesse wie Adressdaten- und Bankverbindungsänderung oder die Identifizierung eines Anrufers über die Eingabe der Kundennummer könnten hier ohne Wartezeit und rund um die Uhr abgearbeitet werden", so der Sprachdialogexperte.
Von den Teilnehmern der Fazit-Studie halten 98 Prozent den Einsatz von Sprachtechnik für Dokumentationsarbeiten für wünschenswert und in absehbarer Zeit realisierbar. Administrative Aufgaben machen im Krankenhaus einen großen Teil der Arbeit aus. Wenn diese routinemäßig durch Spracheingabe erledigt werden können, wäre dies eine große Entlastung für Ärzte und Pflegepersonal, so die Begründung.
Die Voraussetzungen sind günstig
Die Voraussetzungen für den Markterfolg von Sprachdialogsystemen in Deutschland sind nach Auffassung von Professor Wolfgang Wahlster, Schirmherr des Bonner Fachkongresses Voice Days und Chef des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) sehr günstig. Rund 120 Firmen kümmern sich um die Weiterentwicklung der Sprachautomatisierung.
Die Basis steht, doch für Wahlster ist die spannendste Frage noch unbeantwortet: Versteht das System die Sprache bald auch inhaltlich und nicht nur akustisch? Für einen echten Dialog sei eben nicht nur Spracherkennung und Sprachanalyse (Grammatikprüfung) nötig, sondern auch Sprachverständnis.
Die Studie "Zukünftige Informationstechnologie für den Gesundheitsbereich" untersuchte, welche IT-Entwicklungen in den nächsten 15 Jahren das Gesundheitswesen beeinflussen. Dafür wurden unter anderem über 200 Experten aus wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen, Unternehmen, Einrichtungen des Gesundheitswesens und Verbänden sowie Vereinen hinsichtlich ihrer Wichtigkeit, Umsetzbarkeit und Wünschbarkeit befragt.