In seinem zwölften Global Risk Report kommt das World Economic Forum zu dem Schluss, dass wirtschaftliche Ungleichheit, gesellschaftliche Polarisierung und zunehmende Umweltgefahren den größten Einfluss auf die globalen Entwicklungen der kommenden zehn Jahre haben werden. Die Mächtigen der Welt müssten deshalb dringend gemeinsame Maßnahmen ergreifen, um Not und Unsicherheit im kommenden Jahrzehnt einzudämmen.
Technologischer Wandel als Risiko
Neben Themen wie gesellschaftliche Polarisierung, Reform der kapitalistischen Marktwirtschaft, Umwelt spricht der Risk Report 2017 auch das Thema technologischer Wandel an. In den Augen der Autoren hält die Gesellschaft mit dem technologischen Wandel nicht Schritt. Aus Sicht der Fachleute werden wohl künstliche Intelligenz und Robotik die größten potenziellen Vorteile bringen. Gleichzeitig bestehe hier aber auch das größte Risiko für negative Auswirkungen sowie der größte Bedarf an besserer Regulierung. Zudem würden die Daten nahelegen, dass der technologische Wandel eine große Herausforderung für die Arbeitsmärkte darstellt.
Auswirkungen der Industrie 4.0
Dementsprechend untersucht das Weltwirtschaftsforum im letzten Teil des Berichts genauer, wie sich die neuen Technologien der vierten industriellen Revolution (Industrie 4.0) auf die globalen Risiken auswirken. Dem Bericht zufolge stehen wir vor einer drängenden Regulierungsherausforderung, wenn wir die Regeln, Normen, Standards, Anreize, Institutionen und andere Mechanismen einführen wollen, die nötig sind, um die Entwicklung und den Einsatz dieser Technologien zu gestalten. Die Regulierung sich schnell entwickelnder Technologien, so der Report, ist eine komplexe Aufgabe: Ist die Regulierung zu restriktiv und erfolgt sie zu schnell, kann sie Fortschritt behindern; zu wenig Regulierung hingegen kann Risiken verschärfen und zu Unsicherheit bei potenziellen Investoren und Innovatoren führen.
Fehlende Regulierung
Dem aktuellen Stand der Regulierung erteilt der Bericht schlechte Zensuren: So würden einige neuen Technologien streng reguliert, andere so gut wie gar nicht, da sie nicht in den Zuständigkeitsbereich einer der bestehenden Regulierungsbehörden fallen. Aus Sicht der Teilnehmer an der Global Risks Perception Survey (GRPS) brauchen wir vor allem bei zwei neuen Technologien eine bessere Regulierung: Biotechnologien - die in der Regel zwar streng reguliert sind, bei denen die Regulierung aber sehr langsam erfolgt - sowie künstliche Intelligenz (KI) und Robotik, ein Bereich, der weiterhin nur wenig reguliert ist.
AI und Robotik
Der Frage, welche Risiken und Chancen AI bietet, widmet der Report ein ganzes Kapitel. Dass die künstliche Intelligenz wohl kaum mehr aufzuhalten ist, zeigen ein paar Zahlen: Start-ups, die sich auf AI-Anwendungen spezialisiert haben, erhielten 2015 weltweit 2,4 Milliarden Dollar an Risikokapitalfinanzierungen. Ein Jahr später lag das Investment bereits im ersten Halbjahr 2016 bei mehr als 1,5 Milliarden Dollar. Zudem könnte AI möglicherweise dabei helfen, einige der komplexen globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts wie etwa Klimawandel, Ressourcennutzung, Bevölkerungswachstum oder Gesundheitswesen zu lösen.
Noch sei die KI aber weit davon entfernt, jene "Superintelligenz" zu sein, vor der manche Zukunftsforscher warnen. Derzeit sei die KI lediglich eine Art von "artificial specialized intelligence" (ASI), die vereinfacht ausgedrückt riesige Datenberge schneller als ein Mensch auf bestimmte Muster etc. analysieren kann. In Kombination mit der Robotik hätten AI-Anwendungen bereits heute Auswirkungen auf die Beschäftigung und die soziale Ungleichheit in Gesellschaften.
Zudem stelle sich die Frage, wer für die Risiken die Verantwortung trage, wenn größere Entscheidungsgewalt von Menschen auf KI-Programme übertragen wird und eine AI-Waffe eine falsche Entscheidung treffe oder ein autonomes Fahrzeug einen Unfall verursacht. Was passiert, wenn wir aufgrund der Komplexität nicht mehr verstehen, wie die AI ihre Entscheidungen trifft. Brauchen wir den Kill-Switch für Roboter, über den etwa die EU diskutiert?
Regulierungsfragen
Solche und andere Fragen gelte es zu klären. Zudem müsse eine Regulierung für die bislang fast unregulierte KI-Entwicklung gefunden werde. Wie kann eine solche Regulierung aussehen? Wird die AI einer bestimmten Anwendung (etwa autonomes Fahren) reguliert oder die AI an sich? Last but not least bleicht die Frage nach Security und Safety. ist eine gut abgeschottete und deshalb schwer angreifbare AI in einer Sandbox wirklich geschützt. Oder wir die AI gewünscht, die Verbindung ins Internet hat, um so dazuzulernen. So würde etwa eine AI, die Cyberangriffe entdecken soll, wenig Sinn machen, wenn sie keinen Netzzugriff hat.
Neben diesen inhärenten Risiken stellt sich des Weiteren die Frage, welche Risiken sich aus der Umgestaltung der physischen Infrastruktur durch Technologien ergeben: Durch eine stärkere Verflechtung verschiedener Infrastrukturnetzwerke wächst die Wahrscheinlichkeit, dass sich Systemausfälle - ob aufgrund von Cyberangriffen, Softwarefehlern, Naturkatastrophen oder anderen Ursachen - über die Netzwerke ausbreiten und die Gesellschaft auf unvorhergesehene Weise beeinflussen. So eröffnet etwa 5G neue Anwendungen und bringt damit ebenfalls neue Bedrohungen.
Dirk Pfefferle, Area Vice President Central Europe, Geschäftsführer Citrix Systems, teilt die Einschätzung des WEF: So sind sich Experten beispielsweise einig, dass technologische Fortschritte die Produktivität über diverse Job-Gruppen hinweg fördern werden - von Fabrikarbeitern, Analysten, Buchhaltern bis hin zu Pflegedienstleistern. Nach Meinung von Pfefferle sollten IT-Entscheider deshalb 2017 drei Themen Vorfahrt einräumen:
IT-Sicherheit
Cloud
Mobilität
Für Pfefferle beschreibt das Wort "Unternehmensnetzwerk" mittlerweile eine Fiktion. Denn längst vernetze jedes Unternehmen weit mehr als nur die eigenen Endpunkte. Akteure der Lieferkette hätten Zugriff auf Anwendungen; Kunden, Partner und viele mehr arbeiten effizient über dieselben Systeme zusammen. Nun würden zudem immer mehr Geräte Teil des Netzwerks. Um das Produktivitätspotenzial dieser umfassenden Vernetzung zu heben, müsse zuallererst eines gewährleistet sein: Die IT-Sicherheit. Kompromittierte Daten oder Hintertüren im Netzwerk gefährden den Erfolg der Gesamtunternehmung.
Ein Cloud-Ansatz gehört für den Manager zu den Grundpfeilern einer zukunftssicheren IT-Architektur. So müsse man sehr viele Anwendungen schon heute als intelligent bezeichnen. So liefern sie nicht nur Analysen des Status Quo, sondern auch Vorhersagen oder gar Empfehlungen (predictive und prescriptive analytics). Zudem werden sie immer intelligenter - und das Tag für Tag. Anbieter von HR-, Finance-, Marketing- oder anderen Business-Anwendungen rollen in kurzen Frequenzen Updates über die Cloud aus. Wer heute noch auf On-Premise-Lösungen setzt, dürfte sehr viel Arbeit damit haben, alles aktuell zu halten.
Beim Thema Sensorennetzwerke - sprich IoT - und intelligenten Anwendungen appelliert Pefferle daran, den Menschen nicht zu vergessen: Mobile Endgeräte versetzen uns heute in die Lage, von überall aus zu arbeiten. Dabei denkt der Citrix-Manager nicht so sehr an Home-Office-Arbeit, sondern an die Möglichkeit, wieder mehr direkt mit anderen Menschen zu arbeiten. Etwa ein Tag im Büro des Kunden, des Partnerunternehmens oder des Dienstleisters, denn der Arbeitsplatz begleitet den User überall hin. Ebenso sollten IoT-Daten und Anwendungen unabhängig von Ort oder Endgerät zur Verfügung stehen.